Alice Sara Ott spielte mit den Wiener Symphonikern

11.
Mrz.
2011

 

Wie eine Elfe hüpft sie da herein, im bodenlangen roten Kleid und barfüßig, ihre schwarzen Haare reichen fast bis zur Taille, die schmaler kaum denkbar ist: Die 22-jährige Pianistin Alice Sara Ott ist auf jeden Fall eine Attraktion. Nun wurde mithilfe der großen Plattenfirmen in den letzten Jahren schon mancher smarte Klavierjungstar auf die Konzertbühnen lanciert, und nicht bei allen korrespondierte dann die optische mit der künstlerischen Anziehungskraft. Freilich: Franz Liszts erstes Klavierkonzert Es-Dur und der selten gespielte Totentanz zählen zu jenen Werken, angesichts deren technischer Ansprüche Bluffer wenig Chancen haben. Gerade das erste Klavierkonzert existiert zudem in einigen Referenzaufnahmen – wie etwa die der jungen Martha Argerich, die es, ähnlich wie nun Alice Sara Ott, schon zu Beginn ihrer Karriere eingespielt hat.

Im Vergleich zu Argerichs glutvoller, von pianistischem Furor getragener Deutung legte Ott den Schwerpunkt eher auf die poetischen, lyrischen Aspekte des Werks. Nicht die Konfrontation von Solist und Orchester, sondern ein kammermusikalisch-paritätisches Miteinander stand im Mittelpunkt, das von Dirigent Adam Fischer und den Wiener Symphonikern in jedem Moment mitgetragen wurde. Da blühten, wie von einem Frühlingswind gereinigt, die Farben in immer neuen Abtönungen zwischen Orchester und Soloinstrument auf, man hörte korrespondierende (Bläser-)linien, begriff harmonische Strukturen. So wurde aus dem Schlachtross ein romantisches Einhorn – wobei sich einwenden ließe, dass, bei allem Zauber, den Otts Spiel versprüht, jenes Feuer, das die Argerich so unwiderstehlich zu entfachen wusste (und das auch zu Liszts Musik gehört), hier eher ein Flämmchen war.

Umso erstaunlicher, mit welcher Schwärze Ott dann den kalten Furor des Dies-Irae-Motivs im Totentanz zum Ausdruck brachte, welche kontemplative Ruhe sie in den reflektierenden Solopassagen verströmte. Den Riesenapplaus hatte sie jedenfalls verdient.

Genau wie die Wiener Symphoniker nach ihrer Interpretation von Brahms erster Sinfonie, in der Adam Fischer das Prozesshafte, Organische herausarbeitete, jene Struktur, die Brahms aus wenigen motivischen Keimzellen entwickelt hat. Wie der große Brahmsdirigent Günter Wand ist auch Fischer einer jener uneitlen Kapellmeister, die ihr Heil nicht in großen Gesten, sondern in einer minutiösen Umsetzung der Partitur suchen. Von bezwingender Sogkraft der erste Satz, in dem die wunderbaren Bläsersolisten der Wiener immer wieder für klangliche Glanzpunkte sorgten – die jedoch immer eingebunden waren in eine dramatische Anlage, die die Sinfonie als Entwicklung vom reinen Material bis zur menschheitsumschlingenden Emphase des Finalsatzes begriff. Zwei standesgemäße Zugaben: Johann Strauß´ „Unter Donner und Blitz“ und Brahms´ „Ungarischer Tanz Nr. 5“.

(Stuttgarter Zeitung)

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