Julia Fischer und das RSO im Beethovensaal

08.
Jul.
2011

Es hat dann doch eine Weile gedauert, bis Julia Fischer und das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR zueinander gefunden hatten. Etwas verhalten wirkte die Geigerin zu Beginn von Beethovens Violinkonzert, als sei sie irritiert von dem sehr gemessenen, an klassischer Stilistik ausgerichteten Tonfall, den der Dirigent Andrey Boreyko mit dem Orchester anschlug. Man könnte da, gerade mit einem so schlackenlos-transparenten Orchesterklang wie dem des R SO, manches durchaus etwas spannungsvoller gestalten und damit der Solistin den Boden bereiten – zumal ja gerade dieses Konzert, in dem sich Solo-und Orchesterpart so sehr durchdringen, in besonderem Maße vom Miteinander von Solist und Orchester lebt, die hier eher Partner sind, als dass sie sich in Konfrontation befinden. Julia Fischer jedenfalls blühte erst in der Kadenz des ersten Satzes richtig auf, in der man spürte, welches Temperament und welch virtuoses Potential sich hinter ihrer zarten Erscheinung verbergen. Befreiter wurde es dann im Larghetto. Faszinierend die kontrollierte Innenspannung, mit der Julia Fischer hier die Kantilenen aussang und dabei Gelegenheit erhielt, das ganze klangliche Spektrum ihrer Guadagnini-Geige zu offenbaren. Anders als bei vielen ihrer Kollegen wirkt Julia Fischers Spiel niemals outriert: selbst Höchstschwierigkeiten absolviert sie mit elegant-diskreter Nonchalance, was gerade Beethovens Musik, die Inhalt immer über Wirkung stellt, sehr entgegenkommt. Im Rondo-Finale schließlich ließ Boreyko das Orchester dann geradezu empatisch aufspielen, und bis auf kleine Differenzen in der metrischen Gewichtung des ersten Themas strebten Solistin und das R SO dann in bester Gemeinsamkeit auf den Schlussakkord zu.

Der Applaus im Saal war da schon groß, wandelte sich aber am Ende des Konzerts zu Ovationen, und das zu Recht. Denn zuvor durfte man eine aufwühlende, an orchestraler Brillanz kaum zu überbietende Aufführung von Dmitrij Schostakowitschs fünfter Sinfonie erleben, die wieder einmal schmerzlich daran erinnerte, wie wenig repräsentiert dieser nach Mahler bedeutendste Sinfoniker auf unseren Konzertprogrammen immer noch ist. Freilich geht das nicht ohne ein tiefes Verständnis für den hybriden, von Widersprüchen und Brüchen geprägten Tonfall von Schostakowitschs Musik. Gerade in der Fünften, die Schostakowitsch nach heftiger Schelte Stalins geschrieben hat, war der Komponist gezwungen, sein Anliegen hinter äußerlichen Repräsentationstönen und Folklorismen zu verstecken. Boreyko riß diese Fassade mit dem in glänzender Form spielenden RS O ein, leuchtete die kammermusikalisch aufgebrochenen Strukturen aus und legte die Sarkasmen, die Desolatheit, das ganze subversive Potential frei, das sich hinter dem hohlen Parteitagspathos verbirgt. So hätte das Stalin nicht gefallen. (Stuttgarter Zeitung)

 

 

 

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