Dieter Hildebrandt mit den Philharmonischen Cellisten Köln im Theaterhaus Stuttgart

16.
Dez.
2011

Strotzend vor Lästerlust

Nein, zur vorweihnachtlichen Erbauung tragen solche Witze nicht bei: Pontius Pilatus fragt Jesus, ob er derjenige sei, der sich als Sohn Gottes ausgebe. Jesus zögert, er sei sich nicht ganz sicher: „Aber nageln Sie mich da bitte nicht fest!“ Nun, Zartbesaitete dürften sich ohnehin nicht auf den Weg zu Dieter Hildebrandt ins Theaterhaus gemacht haben, denn dass das 84-jährige Urgestein des deutschen Kabaretts auf weltanschauliche Empfindlichkeiten wenig Rücksicht nimmt, ist hinreichend bekannt. Als „störende Einwürfe eines Weihnachtsmuffels“ hatte Hildebrandt das Programm „O du Fröhliche – Pfefferkuchen für die Ohren“ angekündigt – und er sollte sein Versprechen halten, denn fast alle bekamen hier ordentlich was auf die Löffel. Gleich zu Beginn nahm sich der vor Lästerlust geradezu strotzende Hildebrandt die im Zerfall befindliche FDP-Boygroup vor, und kommentierte den Abgang des Generalsekretärs mittels einer Weihnachtsliedparaphrase: „Sah ein Knab den Rösler stehn/wollte ihn geschickt umgehn/ist ihm nicht gelungen“. Auf diesem Niveau ging es weiter. Kaum ein Thema wurde während des gut zweistündigen satirischen Rundumschlags ausgelassen, von der Eurokrise („Wir könnten den Griechen zu Weihnachten unsere Regierung schenken“) über Guttenberg („der bestgekämmte Politiker“) zu den Absonderlichkeiten winterlichen Sport-TV-Programms: zwerchfellerschütternd Hildebrandts Ausführungen über das, was bei den Übertragungen von Disziplinen wie Skispringen, Biathlon oder Curling („Wärmflaschen über Eis schieben“) zu sehen, beziehungsweise eben nicht zu sehen ist.

Und so wie der grantelnde Sprachvirtuose den Zeitgeist aufs Korn nahm, drehte das Sextett der Philharmonischen Cellisten Köln in seinen musikalischen Zwischenspielen einiges von dem durch den Fleischwolf, womit einem zurzeit in Kaufhäusern und Weihnachtsmärkten die Ohren verkleistert werden. „Ave Maria“ entzückte als Bearbeitung mit obligatem Vogelpfeifen, „O Tannenbaum“ wurde gleich ausgebürgert an die Copacabana. Erfrischend unbesinnlich! (Stuttgarter Zeitung)

 

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