Bitte keine Weihnachtslieder!

21.
Dez.
2011

Weihnachtslieder sind schön. Eigentlich. Aber wenn sie an jeder Straßenecke erklingen, können sie auch ganz schön nerven.

Es ist jedes Jahr dasselbe. Zeitgleich mit den ersten weihnachtlichen Dekorationen in den Schaufenstern stellen auch die Straßenmusikanten bundesweit ihr Programmschema um: auf die Erfordernisse des „Jahresendfests“, wie es in der unchristlichen DDR angeblich geheißen hat, und dass einem dieser zugegebenermaßen unromantische Begriff in diesem Zusammenhang einfällt, hat damit zu tun, dass man sich nach kurzem Aufenthalt in der Fußgängerzone so fühlt, als hätte man sich mehrere Tage nur von Christstollen, Weihnachtsplätzchen und Lebkuchen ernährt: man hat einfach genug davon. Wenn es bloß die Straßenmusiker wären, die ja ohnehin das ganze Jahr über ihre Fideln, Akkordeons und Saxophone malträtieren. Aber nein, etwa vier Wochen vor dem Fest schwärmen offenbar auch sämtliche Spielgruppen und Ensembles der örtlichen Musikschulen aus, um vor aufgeklappten Instrumententaschen- und koffern ihre instrumentalen Fertigkeiten dem vorweihnachtlich spendierfreudig gestimmten Publikum darzubieten. Dass sich dabei auch motivierte Anfänger in die Öffentlichkeit trauen können, liegt am meist überschaubaren Tonumfang des weihnachtlichen Liedguts:  Für „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ etwa reichen gerade mal sechs verschiedene Töne aus. So kann man diesem unverwüstlichen Klassiker während eines halbstündigen Bummels über den Weihnachtsmarkt gefühlte zwanzig Mal in allen möglichen Besetzungen lauschen, von der solistischen Schulblockflöte über das Kratzgeigenduo bis zum trommelfellquälenden Posaunenquartett. Von wegen sti-hille Nacht. (Stuttgarter Zeitung, Wochenendbeilage)

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