Stéphane Denève dirigiert das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR

03.
Feb.
2012

Düdeldü der Nachtigall

Einige Zuhörer schreckten da im Beethovensaal schon aus ihren Stühlen auf, aber nein – das Düdeldü war kein Handyklingelton. Es war die Nachtigall. Denn für den dritten Satz seiner „Pini di Roma“ verlangt der Komponist Ottorino Respighi den Einsatz einer Tonkonserve: der Schallplatte Nr. 6105 der Firma Concert Record Gramophone „Il canto dell‘ usignolo“. Für das Abokonzert des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart des SWR hatte man dafür eigens ein historisches Grammophon aufgestellt – beispielhaft für die Akribie, mit der das Orchester unter seinem neuen Chefdirigenten Stéphane Denève diese komplexe Partitur in Klang gesetzt hat.
Es sind Sehnsuchtsorte, die Respighi in den „Pini die Roma“ musikalisch beschwört: die Villa Borghese mit spielenden Kindern, eine alte Katakombe, die Mondnacht am Hügel Gianicolo und der Triumphmarsch auf der Via Appia. Das Stück, das übrigens auch der einstige Chefdirigent des RSO, Sergiu Celibidache, gern dirigiert hat, kann ein Fest für ein Orchester sein – sofern es über die Mittel verfügt, mit sich der diese farbig instrumentierten Szenen evozieren lassen. An diesem Abend war das so, und beispielhaft für den grandiosen Eindruck mag der dritte Satz mit jenem eingespielten Nachtigallengesang stehen, den der Soloklarinettist zuvor schon so überaus zart und einfühlsam vorweggenommen hatte und der von den Streichern mit nachgerade vogeldaunenweichen Harmonien beantwortet wurde: Da spürte man jenes „Zittern in der Luft“, das Respighi als programmatische Notiz dem Satz vorangestellt hat.
Stéphane Denève besitzt ein Gespür für musikalische Atmosphäre und  liebt einen farbigen Orchesterklang, was vor allem den Streichern zugutekommt, die unter Denèves Vorgänger Roger Norrington eher auf Kühle getrimmt wurden und nun aufzublühen beginnen. Dazu stärkt der neue Chef die Rolle der tiefen Instrumente: der Klang besitzt Fundament, gewinnt an Tiefe und Sonorität, ohne dabei jene sehnige Transparenz einzubüßen, die das Markenzeichen des Orchesters ist. Die war schon zu Beginn des Konzerts wichtig bei Rachmaninows Sinfonischen Tänzen, vor allem aber beim folgenden Klavierkonzert für die linke Hand von Maurice Ravel mit seinen stilistischen Maskeraden und Verwandlungen. Das viel zu selten gespielte Werk ist aber auch für den Solisten heikel, der hier mit einer Hand spielen muss, als wären es zwei – was dem jungen Bertrand Chamayou über weite Strecken imponierend gelang. Man hätte sich da zwar pianistisch manches noch distinkter ausgespielt und artikulatorisch differenzierter vorstellen können, doch im Verbund mit dem präzise und spannungsvoll spielenden Orchester war auch das – wie das ganze Konzert – ein großes Vergnügen.    (Stuttgarter Zeitung)

Ein Kommentar vorhanden

  • Dr. Michael M. Zwick
    4. Februar 2012 10:30

    Meine Gratulation …

    lieber Herr Armbruster: Ihre Konzertkritik bringt es gekonnt auf den Punkt: Ein rundherum gelungenes Programm, ein rundherum gelungener Ohrenschmaus!

    Mein Glückwunsch schließt aber auch das Orchester ein, das nach den zurückliegenden musikalischen und klanglichen Mangeljahren wahrlich aufzublühen scheint. Und unser neuer Orchesterchef, so lassen die Ovationen nach dem Verklingen von Respighis Pini di Roma vermuten, hat die Ohren und Herzen des Stuttgarter Publikums bereits erobert.

    Stuttgart darf sich glücklich schätzen, dass neben den Philharmonikern, die unter Feltz zu einem hervorragenden Klangkörper herangereift sind, und dem nicht minder vorzüglichen Staatsorchester sich nun auch das SWR-Symphonieorchester unter dem Jungbrunnen Deneve wieder dem Reigen von Spitzenorchestern hinzugesellt. Weiter so!

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