Kristian Bezuidenhout und das Freiburger Barockorchester

28.
Mrz.
2012

Kristian Bezuidenhout Photo: Marco Borggreve

Geltungsbedürftigen Pianisten dürfte das eher nicht gefallen: anstatt – wie bei den meisten romantischen Klavierkonzerten – gleich thematisch markant einzusteigen zu können, muss man als Solist in Schumanns Introduktion und Allegro appassionato G-Dur op. 92 erst mal einige lange Takte das Orchester mit Arpeggien begleiten. Wieviel innere Erregtheit sich diesen Akkordflächen freilich abgewinnen und welch romantisch gespannter Tonfall sich damit evozieren lässt, das zeigte beim Konzert des Freiburger Barockorchesters im schwach besuchten Beethovensaal der Fortepianospieler Kristian Bezuidenhout. Der gebürtige Südafrikaner gilt aktuell als der Shootingstar unter der Hammerklavierspielern, seine Einspielungen mozartscher Klavierwerke haben sogar manchem eingefleischten Steinwayfan die Ohren dafür geöffnet, dass mit dem Zugewinn an Brillanz und Lautstärke beim modernen Flügel auch ein Verlust an klangfarblichen Gestaltungsmöglichkeiten einherging.

Das gilt durchaus auch für Schumann. Und gerade weil der Klaviersatz hier virtuoser und dichter ist als bei Mozart, so zwingt die dynamische Beschränktheit des Hammerflügels den Solisten geradezu, Ausdruck in der Phrasierung und agogischen Gestaltung zu suchen. Und das ist Bezuidenhouts Domäne: technisch absolut sattelfest, suchte er auch in solistischen Passagen nach Differenzierung. Immer auf Durchhörbarkeit bedacht, setzte er überraschende Akzente, baute kleine Verzögerungen und Beschleunigungen ein und beleuchtete den schumannschen Satz aus der Perspektive eines rhetorisch gewandten Erzählers, der nicht laut werden muss, um seine Zuhörer zu fesseln.

Vielleicht hätte sich ja Pablo Heras-Casado am Pult des FBO ein Beispiel daran nehmen können. Selbst wenn der golden lasierte Klang des FBO bei Schumann eine ideale Ergänzung zu den schillernd-gedämpften Glockentönen des Hammerflügels darstellte, so suchte Heras-Casado sein Heil doch allzuoft in einer extrovertierten, mitunter sehr äußerlich wirkenden Emphase. Schlaglichtartige Charakterisierung von Phrasen trat dabei immer wieder an die Stelle des Aufbauens größerer Sinneinheiten, was schon in der Durchführung des ersten Satzes von Schuberts vierter Sinfonie zu einem Zerfasern des sinfonischen Gewebes führte. Das spieltechnische Potential der Freiburger verhinderte da zwar noch das Schlimmste, aber in Mendelssohns Sinfonie Nr. 4 A-Dur, der „Italienischen“, half auch das nicht mehr viel. Derart rhythmisch konfus und schlampig phrasierend hat man das FBO kaum einmal gehört wie im letzten Satz dieser Sinfonie, der Heras-Casado im Andante (das hier ein Allegretto war) auch noch den melancholischen Zauber ausgetrieben hat. „Die blaue Blume“ war das Konzert überschrieben. Heras-Casado muss noch etwas nach ihr suchen. (Stuttgarter Zeitung)

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