Das Orchestre National du Capitole de Toulouse mit David Fray

13.
Mai.
2012

Mit derartigem Pomp ist lange keiner durch „Das große Tor von Kiew“ marschiert: Als würde da der Zar höchstselbst an der Spitze seiner siegreichen Garden einziehen, ließ Tugan Sokhiev, Chefdirigent des Orchestra Nationale du Capitole de Toulouse, seine Blechbläser mit geradezu majestätischer Klangentfaltung auftrumpfen, rückenschauererregend spätestens im Verbund mit den finalen Trommelschlägen. Wirkungsvoller geht es kaum, und der Jubel war anschließend entsprechend groß im Beethovensaal. Aber es ist nicht nur die effektvolle Opulenz der Ravelschen Orchesterfassung, wegen der Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“ zu den Dauerbrennern des Repertoires gehört: die Betitelung der einzelnen Sätze macht das Hören auch für Klassikneulinge leichter, und viele haben vermutlich ähnliche Bilder im Kopf, wenn sie dem Treiben auf dem „Marktplatz von Limoges“ oder dem Rumpeln des Ochsenkarren in „Bydlo“ lauschen.

So beliebt das Werk aber ist, auf Konzertprogrammen ist es gar nicht häufig zu finden: erfordert es doch nicht nur eine große Besetzung, sondern ist auch, speziell für die Bläser, verflixt schwer zu spielen. Etwa die quicken Skalen im„Ballett der Küchlein in ihren Eierschalen“, – was dann aber auch die einzigen Stellen waren, bei denen die Musiker aus Toulouse technische Grenzen ahnen ließen. Ansonsten bot das südfranzösische Orchester eine formidable Vorstellung. Nicht, dass man beim Gang durch das altrussische Panoptikum unbedingt neue Aspekte erfahren hätte – wie aber Sokhiev (der seit diesem Jahr auch Chefdirigent des Deutschen Symphonieorchesters Berlin ist) die Charaktere und Szenen hier zugespitzt und klanglich auf den Punkt gebracht wurden, das hatte großes Format. Da roch man förmlich den Moder in den verwunschenden Gängen beim „Alten Schloss“, gruselte in „Die Katakomben“ und erschrak angesichts des vorbeihumpelndem „Gnom“.

Typisch für französische Orchester, tendiert auch das aus Toulouse eher in die helle, transparente Richtung – durchaus passend für die Farbenpalette, die in Berlioz´Ouverture „Le carnaval romain“ gefragt ist: Auch dies ein effektvolles, virtuoses Stück. Die Toulouser bewältigten es mit Bravour.

Gespannt war man auf den Solisten des Abends. David Fray gilt als etwas exzentrischer, aber sensibler und ernsthafter Pianist, der nach eigenen Sichtweisen auch in bekannten Werken sucht. An diesem Abend war das Beethovens drittes Klavierkonzert, bei dem man aber nur selten den Eindruck eines wirklichen Miteinanders von Orchester und Solist hatte. Die gelegentlichen Asynchronitäten können dabei als Symptom gelten: Vor allem damit beschäftigt, nicht aus dem Tritt zu geraten, schien der merklich gestresste Fray erst in den Kadenzen aufzuatmen. Hier machte mit Temperament und Feinsinn deutlich, warum er zu den bemerkenswertesten jungen Pianisten zählt. Erst recht gilt das für die Zugabe: die wunderbar kontemplativ gespielte Busoni-Bearbeitung von Bachs „Nun komm, der Heiden Heiland.“ (Stuttgarter Zeitung)

 

 

 

 

 

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