Beiträge im Archiv Juni 2013

Das Uri Caine Ensemble spielt Werke von George Gershwin

28.
Jun.
2013

Caine

Durch den Fleischwolf gedreht

Uri Caine und George Gershwin, das liegt nahe. Biografisch, da für beide New York zur zweiten Heimat wurde, vor allem aber stilistisch: denn Gershwin verschmolz in seinem Werk ebenso stimmig Elemente des Jazz mit Formen klassischer Musik wie sich der Grenzgänger Caine seit jeher in beiden Genres zuhause fühlt.

Die CD hebt an mit dem berühmtesten Gershwinmotiv, dem Klarinettenglissando aus der „Rhapsody in Blue“, das dann alsbald in eine Uptempo-Soloimprovisation in Caines typisch rustikalem Klavierstil mündet. Ist Caines Verarbeitung des Originals hier vergleichsweise moderat, so nimmt er mit seinem Ensemble andere Gershwinklassiker ziemlich auseinander, wobei er für jedes Stück eine anderen originellen Zugang findet. In „But not for me“ legt er musikalische Schichten derart raffiniert übereinander, dass man meint, das Stück in verschiedenen Versionen gleichzeitig zu hören, „Love is here to stay“ wird mit Methoden der Neuen Musik quasi durch den Fleischwolf gedreht. Das alles mit viel Witz und musikalischem Esprit. Spannend!

Uri Caine Ensemble. Rhapsody in Blue. Winter&Winter.

Bewertungsposse beim Audiomarkt

28.
Jun.
2013

Als ich vor kurzem mein Bewertungsprofil beim audiomarkt aufrief, war ich sehr verwundert. Musste ich doch folgendes lesen:

Am Dokus_0001

Sehr merkwürdig. Denn weder hatte ich in den letzten Monaten dort etwas verkauft, und auch auf meine Suchanzeige für einen PS-510 hatte sich kein ernsthafter Anbieter gemeldet. Was war also passiert?

Wie leicht herauszukriegen war, verbarg sich hinter dem Kürzel bmh911 ein Hifi-Händler aus Berlin – als „der Accuphase-Papst“ wird er auf seiner Website bezeichnet – vor dem ich vor einiger Zeit eine Accuphase-Vorstufe gekauft hatte. Der Unfehlbare hatte sie im audiomarkt mit und ohne Phonoteil angeboten, und da ich keinen Plattenspieler besitze, bestellte ich sie ohne. Den fehlenden Abschlussdeckel für die ausgebaute Platine wollte er mir  umgehend nachsenden, eine Aussage, die allerdings nur mündlich geäußert wurde. Nun war der Deckel auch nach 3 Wochen immer noch nicht da, worauf ich nochmal in Berlin nachfragte: Ach, der Deckel, ja, der Herr Fegers von der PIA suche schon danach, ich solle mich noch eine Woche gedulden. Gerne. Geduld ist eine Tugend.
Nach einer Woche aber immer noch kein Deckel. Erneuter Anruf, und nun wurde der Ton plötzlich sehr unfreundlich. Was ich denn habe, moserte er, schließlich würden die Ersatzteile nicht mehr produziert, keine Ahnung, ob er einen auftreiben könne, er könnte mir ja einen „in seiner Motorradwerkstatt basteln“. Zack, aufgelegt.
Nun hatte ich also eine Vorstufe mit einem Loch und offenen, langsam einstaubenden Kontakten, worauf ich als letztes Mittel – was sollte ich machen? – dem unfreundlichen Verkäufer androhte, ich würde den Fall auf meiner Website schildern.
Und siehe da, einige Tage später kam eine Mail mit folgender Betreffzeile:

Info: Schrauben und Deckel sind heute per Post raus.

Geht doch, dachte ich. Was aber nicht kam, waren Deckel und Schrauben. Versandnummer? Gebe es leider nicht. Er habe sie als Brief geschickt.

Nun traue ich der Post einiges zu. Dass aber eine Sendung auf dem Weg von Berlin nach Stuttgart einfach verschollen sein soll – never.

Nach dieser insgesamt sehr unerfreulichen Begebenheit nun verpasste ich dem Herrn im audiomarkt eine negative Bewertung mit dem ausdrücklichen Rat, Abmachungen mit ihm am besten schriftlich zu fixieren. Dafür, so dachte ich, ist so ein Bewertungsportal ja schließlich da.

Nun hätte mir der Unfehlbare ja im Gegenzug ebenfalls eine schlechte Bewertung für die Transaktion geben können: „Unverschämtheit! Verlangt Deckel, die nicht mehr hergestellt werden“ vielleicht, oder „Ruft mehrmals während meiner Arbeitszeit an!“.

Stattdessen aber behauptet er, von MIR etwas gekauft zu haben, bei dem seinerseits „das Zubehör fehlte“. Und nicht nur das. Offenbar beauftragte er auch noch einen Bekannten, ebenfalls ein Bewertungsfake abzugeben: denn wie leicht zu recherchieren war, verbirgt sich hinter dem Verkäuferkürzel phono21, der mir angeblich einen PS-510 angeboten hatte, ein anderes Hifi-Studio aus Berlin, dessen Geschäftsführer sich nicht zu schade war, sich für ein solches Spiel einspannen zu lassen.

Es ist vermutlich nachzuvollziehen, dass ich darüber alles andere als amused war, nicht zuletzt, da ich den vergangenen Jahren niemals irgendwelche Probleme im Zusammenhang mit audiomarkt-Transaktionen hatte. Nachdem ich Herrn Brings vom audiomarkt den Sachverhalt geschildert hatte, löschte er die offensichtlichen Falschbewertungen.

Damit war aber immer noch nicht Schluss.

Denn 2 Tage später fand sich schon wieder eine neue Bewertung auf meinem Profil.

Am Dokus_0002

Das war nun schon unfreiwillig komisch, nicht nur wegen des Grammatikfehlers: denn dass mündliche Vereinbarungen nicht eingehalten werden, stimmt ja durchaus! Und weiterempfehlen muss er einen aufsässigen Kunden wie mich ja wirklich nicht.
Auf meinen Einspruch jedenfalls löschte Herr Brings vom audiomarkt auch diesen Eintrag – wie man überhaupt sagen muss, dass dieser sich sehr korrekt verhalten hat, wenngleich ihm diese Posse ja anmuten musste wie ein Kleinkinderstreit.

Das war´s aber immer noch nicht!

Nicht nur, dass ich in der Zwischenzeit feststellte, dass meine negative Bewertung des Händlers gelöscht wurde, sie wurde auch noch durch eine positive ersetzt, und zwar von einem User mit dem folgenden Profilnamen – Achtung, gut festhalten!

Am Dokus_0003

Wow. Das bedeutet, dass der werte Accuphase-Papst hier wohl ein eigenes audiomarkt-Profil mit meinem werten Namen eröffnet hat, um sich selber zu bewerten. Zuviel der Ehre.

War´s das?

Nein. Ehrlich gesagt hatte es mich nicht mehr überrascht, am folgenden Tag dann folgendes zu lesen:

Am Dokus_0004

Die Perfidität dieses Eintrags liegt natürlich darin, dass er eine vorsätzliche Indiskretion, nämlich die Nennung meines vollen Namens, hinter einer positiven Bewertung zu verstecken trachtet. Bezogen hatte sich dieser Eintrag auf mein PS-510 Gesuch (!!), weshalb ich den armen Herrn Brings vom audiomarkt nochmals einschalten musste, worauf dieser mein Profil erst einmal für weitere Bewertungen gesperrt hat.

Bei pk4711 handelte es sich übrigens – das hatte ich schon vermutet – um einen ganz neuen Benutzer. Wer sich dahinter verbirgt, und woher dieser meinen Namen kannte, darüber kann man natürlich nur spekulieren.

Auch Unfehlbare machen eben manchmal Fehler.

Isabelle Faust und Kristian Bezuidenhout spielten bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen

27.
Jun.
2013

Zwischen Alt und Neu

Man kann viele Belege aufzählen für den neuen Geist, der mit dem Intendanten Thomas Wördehoff bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen eingezogen ist: dazu gehört auch, dass sich die Programme der Konzerte eben nicht mehr zufällig aus dem Tourneeplan der Interpreten ergeben, sondern aus einer künstlerischen Idee entwickelt sind. So hat sich Wördehoff für die diesjährigen Schlossfestspiele speziell Künstler gesucht, die aus dem Spannungsverhältnis von Werken alter und neuer Musik erhellende Programmkonstellationen bilden können.
Wie Isabelle Faust. Die Geigerin ist sowohl eine preisgekrönte Bachinterpretin, kennt sich aber auch mit zeitgenössischer Musik bestens aus und war insofern die ideale Wahl für das Konzert im Ordenssaal, das den Bogen schlug von Bachs Sonaten für Violine und Cembalo über György Kurtágs „Signs, Games and Message“ bis zu Helmut Lachenmanns „Toccatina“ für Violine solo. Ihr Partner am Cembalo für die Bachsonaten war dabei kein Geringerer als Kristian Bezuidenhout: er gilt als der international zurzeit wohl gefragteste Hammerklavierspieler, ist aber auch ein hervorragender Cembalist. Und Kompetenz ist hier gefordert, hat Bach in diesen sechs Sonaten das Cembalo doch aus seiner bloßen Begleitfunktion erlöst: der komplexe, mit der Solostimme auf vielfältige Weise korrespondierende Satz weist es als gleichberechtigten Partner der Violine aus, selbst wenn diese dynamisch naturgemäß weit größere Möglichkeiten hat als das Cembalo, das Lautstärke nur durch Verdichtung des Tonsatzes erzielen kann – ein Handicap, das Bezuidenhout aber mittels ungemein differenzierter Agogik wieder wettmachte. Und da es auch Isabelle Faust an artikulatorischer Fantasie nicht fehlen ließ, entwickelte sich im gut besetzten Ordenssaal ein Duomusizieren der animierendsten Art. Dem Puls der Musik folgend, spürten Bezuidenhout und Faust jeder harmonischen Wendung nach, schwungvoll und konturiert in den schnellen, fugierten Sätzen und mit nachhaltig berührenden Momenten in den großartigen Adagios: ein Wunder an Beseeltheit das Adagio der 1. Sonate mit den von Isabelle Faust innig ausgesungenen Sextenketten.
Die vier kurzen Sätze von Kurtág für Solovioline fügten sich stimmig in diesen Kontext: expressive, hoch komprimierte musikalische Aphorismen, die sich auf Vergangenes beziehen, ohne ihre Zeitgenossenschaft zu verleugnen und damit weitaus souveräner wirken als Lachenmanns Schabe-, Klopf- und Klöppelstück „Toccatina“ mit seiner zeittypischen, schon heute überholt wirkenden Vermeidungsästhetik. (StZ)

TIDAL PREOS-D

21.
Jun.
2013

Wie ich auf meinem Bericht von der High End 2013 in München beschrieben habe, war ich von der Vorführung der Firma TIDAL AUDIO stark beeindruckt: eine Gesamtperformance, wie ich sie in dieser Perfektion noch kaum einmal – vielleicht noch nie – gehört habe. Frappierend war dabei vor allem die ungeheure Durchsichtigkeit des Klangbilds, eine fast schon unheimliche Neutralität, die sich weit von allem anderen abhob, was sonst so auf der Messe zu hören war – Brodmann  ausgenommen, die ihre Lautsprecher allerdings klanglich nur suboptimal präsentierten.

TIDAL AUDIO PREOS-D

TIDAL AUDIO PREOS-D

Auf jeden Fall nahm ich mal Kontakt auf zu Jörn Janczak, dem Gründer und Chef von TIDAL, dessen Firma in Hürth bei Köln sitzt. Am Telefon wurde schnell klar, dass wir, was die Ansichten über Hifi anbelangt, auf der gleichen Wellenlänge sind – was mich angesichts der Vorführung auch nicht wunderte. Auf jeden Fall schlug mir Herr Janczak vor, doch mal eine seiner Vorstufen auszuprobieren.

Vorstufe, nun gut. In meinem Bericht über die Accuphase C-3800 habe ich ja meiner Begeisterung über dieses Gerät ausreichend Ausdruck verliehen, das immerhin als eine der weltbesten, wenn nicht als DER beste Vorverstärker überhaupt gilt. Die C-3800 würde ich behalten bis ans Ende meiner Hifi-Tage. Dachte ich.

Jedenfalls kam ein paar Tage später ein Flight Case mit dem Preos-D an – ja tatsächlich, die OVP von TIDAL Geräten sind massive Flight Cases, die wahrscheinlich einen Sturz vom Hochhaus überstehen würden. Darin war ein schwarzes Kästchen mit einem Anschaltknopf, einem Lautstärkeregler und einem Eingangswahlschalter: der Preos-D.

Der heißt so, weil er, im Gegensatz zum Vorgängermodell Preos, auch einen integrierten D/A Wandler hat. Davon aber später mehr. Jedenfalls schloss ich den Preos-D mal über Cinch (XLR-Eingänge besitzt er nicht) an meinen DP-700 und dann symmetrisch an die M-2000 an, nicht ohne hier zuvor die Phasenlage umzukehren – Accuphase verwendet bekanntermaßen eine andere XLR-Belegung.

Was dann passierte, damit hätte ich niemals gerechnet. Denn es war, als ob man nicht nur einen, sondern gleich mehrere Schleier weggezogen hätte: meine Brodmann VC7 lebten förmlich auf, das Klang besaß plötzlich eine ungekannte Transparenz, bis in den letzten Winkel durchhörbar und aufgefächert, als könnte man in den Aufnahmeraum regelrecht hineinsehen, bzw. -hören. Ich legte, wie immer in solchen Fällen, einige meine Lieblings-CDs ein, die ich seit Jahren in- und auswendig kenne: „My Song“ von Keith Jarretts Quartett mit Jan Garbarek aus den 70er Jahren, Billy Joels „Turnstiles“, auch einige Klassik-CDs aber der Eindruck blieb immer derselbe. Als hätte man die letzten Unschärfen aus dem Klang entfernt, erschienen Stimmen und Instrumente völlig realistisch, in ihren natürlichen Dimensionen. Mehrere Querchecks mit der C-3800 bestätigten das Ergebnis. Die C-3800, so unwahrscheinlich mir das zunächst selber schien, legt tatsächlich eine Art Weichzeichner über den Klang, zoomt sie dezent auf, sodass das Klangbild etwas fülliger, runder wird. Es ist im Grunde dasselbe, was ich in meinem Hörbericht über die A-200 geschrieben habe. Nicht dass das nicht gut klingen würde, ich vermute gar, dass viele Hörer diesem farbigen Klang den Vorzug geben würden. Aber das ehrlichere, in meinem Verständnis audiophilere Klangbild vermittelt der Preos-D.

Und damit nicht genug. Denn auch der Vergleich der Wandler des DP-700 mit dem DAC des Preos brachte dasselbe Resultat: nicht in dem Umfang wie bei der Vorstufe, aber dennoch deutlich wahrnehmbar, ist auch die Auflösung des Preos-DAC dem Wandler des DP-700 überlegen.

Ich muss zugeben, dass ich einigermaßen erschüttert war, nicht zuletzt deshalb, als ich von der Neutralität von Accuphase eigentlich immer überzeugt war. Aber Accuphase-Geräte besitzen – das macht der Vergleich deutlich – offenbar eine klangliche Signatur, die darin besteht, den Klang etwas runder, voller zu machen, ein kleines bisschen anzufetten.

So äußerlich unspektakulär der Preos wirkt, der Aufbau hat es in sich. Er hat nicht nur eine integrierte Stromreinigung, sodass der Einsatz von Power conditionern überflüssig wird (ja, sie wirken sogar als Dynamikbremse, ich habe es ausprobiert), auch eine referenzverdächtige Phonovorstufe ist mit an Bord. Der Listenpreis des  Preos-D liegt bei knapp über 23.000 Euro, was viel ist. Doch die C-3800 kostet in Deutschland 31.000, und das ohne DAC, Stromaufbereitung und Phonoteil. Allerdings mit Holzgehäuse.

Wichtig: Da ich seit Ende 2013, mein eigenes Wohnraumstudio concert audio betreibe und damit eine Vermischung von privaten mit geschäftlichen Interessen nicht auszuschließen ist, habe ich mich daher entschlossen, diesen privaten Audiophilie-Blog ab 2014 auf allgemeine Themen zu beschränken, d.h. es gibt von mir keine weiteren Beiträge über Produkte mehr  – diese stehen ab jetzt auf meinem Blog auf concert audio

Kommentare von Lesern können natürlich weiterhin gepostet werden.

Mnozil Brass bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen

17.
Jun.
2013

Es geht um die Wurst

MnozilWar das eben nicht ein Thema aus dem Tannhäuser? Und das ist doch aus dem Parsifal, oder nicht? Für ihr neues Programm „Hojotoho“  hat sich die Wiener Anarchobläsertruppe Mnozil Brass tief in das Werk Richards Wagners gewühlt und aus den Fundstücken eine zweistündige Revue gebastelt, die auch den im Dechiffrieren geübten Wagnerkenner gelegentlich auf falsche Fährten führen kann: denn was da in der Ouvertüre so verdächtig holländert und lohengrint, hat der Mnozil-Posaunist Leonhard Paul einfach im Wagner-Stil nachkomponiert. Doch nicht bloß auf diese Weise schlagen Mnozil Brass den Hörerwartungen beständig Schnippchen, denn auch originaler Wagner erfährt die erstaunlichsten Wendungen. Da kippt der Walkürenritt in Klezmer, die Meistersingerouvertüre in einen Hollywoodsong, Wolframs Lied an den Abendstern wird gar zu einem Schlager, der hier von einem lederbehosten Siegfried mit Karohemd gesungen wird.
Das szenische Korsett ist eher locker gestrickt: es geht da kreuz und quer durch Wagners Oeuvre, vom Gral nach Nibelheim, weiter zum Venusberg, nebenbei schaut man auch mal bei Aida in Ägypten vorbei, doch werden dramaturgische Klippen mittels komödiantischem Geschick locker umschifft. Und es gibt da ja noch dieses Ding, das, quasi als requisitäres Leitmotiv, die Szenen zusammenhält: die Wurst, um die es bekanntlich bei Wagner immer geht, ist hier nämlich wirklich eine, und so wird das aus dem Urgrund des Rheins aufsteigende Es-Dur-Wabern quasi ein Brotzeit-Präludium. Grandios.
Auch sonst ist das (im Übrigen von der Stadt Bayreuth in Auftrag gegebene) Programm eine Riesengaudi, die, neben Slapstick und Situationskomik, vor allem wegen ihrer musikalischer Brillanz begeistert. Denn Mnozil Brass sind ein Blechbläserensemble mit einer Spielkultur und technischen Perfektion, wie es sie weltweit kaum ein zweites Mal geben dürfte. Das Publikum im ausverkauften Ludwigsburger Forum jedenfalls kannte am Ende kein Halten mehr, und dass Mnozil Brass das Programm am 07. JuIi dortselbst wiederholt, dürfte für viele kein Trost sein: auch dieser Abend ist längst ausverkauft.    (StZ)

Paco de Lucia spielte bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen

16.
Jun.
2013

Der Meister aller Klassen

pacodelucia6_0Gegen Ende des Konzerts bekam Antonio Sánchez, der Begleitgitarrist von Paco de Lucia sogar noch die Gelegenheit zu einem kleinen Duell. Der Großmeister gab die Motive vor, sein Sekundant  imitierte sie, und so entsponn sich eine Zeit lang ein höchst vergnüglicher Wettstreit zwischen den beiden. Erst als Paco de Lucia das Tempo erhöhte und einige seiner maschinengewehrartigen Tonleitersalven abließ, merkte man, dass bei Sánchez die Synchronisation von rechter und linker Hand an ihre Grenzen kam – während der Meister wohl ohne Probleme noch hätte zulegen können.
Was Paco de Lucia mit der Gitarre macht, entzieht sich herkömmlichen Maßstäben, Generationen von Gitarreneleven hat seine unfassbare Virtuosität schon in die Verzweiflung getrieben. Aber nicht nur in Flamencokreisen wird er fast wie ein Guru verehrt, auch in der klassischen Gitarrenszene ist er ein Vorbild. Und durch die Zusammenarbeit mit Jazzgrößen wie John McLaughlin („Friday Night in San Francisco“) ist Paco de Lucia gar genreübergreifend ein Star geworden, der die eher hermetische Kunstform des originalen Flamenco durch die Erweiterung mit Elementen aus Jazz und Weltmusik populär gemacht hat.
Da er aber nur noch selten auftritt (es gibt nur noch ein weiteres Konzert in Deutschland in diesem Jahr) war das Konzert im Ludwigsburger Forum rasch ausverkauft. Paco de Lucia kam mit seinem siebenköpfigen Ensemble: zwei Sänger, Perkussion, Keyboard, Bass, Gitarre, dazu mit Antonio Fernández Montoya ein Tänzer, der zwar das Publikum mittels seiner rasenden Hacken zu Ovationen anstachelte, dessen reichlich outrierte, an Michael Jackson erinnernde Darbietung aber eher in die Kategorie Showflamenco einzuordnen ist.
Das Programm setzte sich überwiegend aus Stücken der letzten CD „En Vivo“ zusammen, statt des im Abendprogramm angekündigten Rumba „El cafetal“ spielte man die Bulerias „Soniquete“. Auf der Bühne hatte man einige Kunstpalmen aufgestellt, was wohl andalusisches Flair evozieren sollte. Den Anfang  bestritt der Meister solo. In den „Variaciones de Minera“ ließ er schon mal anklingen, was seine singuläre Kunst ausmacht: auf den Punkt gespielte Rasgueados, blitzsaubere Tremoli und einige seiner ansatzlos abgefeuerten Tonleiterpassagen. Auch im Zusammenspiel mit seinen im Halbrund um ihn herum aufgestellt Mitmusikern blieb Paco de Lucia immer das Zentrum – obwohl einige die Gelegenheit zu ausgedehten Soli erhielten. So konnte sich der Keyboarder auch als Mundharmonikavirtuose profilieren, der E-Bassist bewies staunenswerte Fingerfertigkeit. Gegen Ende mündete der unvergessliche Abend in eine Art Flamencosession, die noch stundenlang so hätte weitergehen können. Em Ende Ovationen, rhythmisches Klatschen und „Paco!“-Rufe.  (StZ)

Das Delius Quartett mit Anatol Ugorski bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen

13.
Jun.
2013

Spiel mit Masken und Haltungen

Anatol Ugorski

Anatol Ugorski

Ist schon ein schräger Vogel, dieser Anatol Ugorski. Nach seinem Solovortrag blickte der russische Pianist mit dem wirren Haarkranz regelrecht mürrisch drein. Und später, während das Delian Quartett noch den Applaus entgegennahm, verkrümelte sich Ugorski, dem die Ovationen gleichfalls galten, schon mal Richtung Ausgang. Heiterkeit im Saal.

Tatsächlich war Ugorski immer ein Unangepasster. In der Sowjetunion setzte er sich für die Werke auch westlicher Avantgarde ein, was zu einem Ausreiseverbot führte. Nach seiner Emigration 1990 startete Ugorski eine Karriere im Westen und machte sich weiterhin für das Unbequeme stark: zu seinen wichtigsten Aufnahmen zählen solche mit Werken von Olivier Messiaen und Alexander Skrjabin.

Genau der Richtige also für das Programm im Ordenssaal mit dem Thema „Kontrapunkt“, mag sich der Ludwigsburger Festspielintendant Thomas Wördehoff wohl gedacht haben, bei dem es neben Werken Bachs vor allem um jene von Dmitri Schostakowitsch ging: der komponierte, in Anlehnung an Bach, ebenfalls 24 Präludien und Fugen in allen Tonarten, aus denen Ugorski eine kleine Auswahl spielte. Und Ugorskis erwähnte Mürrigkeit war nachvollziehbar, wirkte sein Vortrag über weite Strecken doch wie besseres Prima-Vista-Spiel: rhythmisch diffus und überpedalisiert, ohne erkennbare Struktur trieb die Musik so dahin. Ob Ugorski vielleicht nicht genügend Zeit zur Vorbereitung hatte?

Ganz anders das Delius Quartett. Die vier Streicher spielten acht Sätze aus Bachs „Die Kunst der Fuge“ mit stupendem Formbewusstsein und dezenter Expression, ohne dabei zu romantisieren. Hier stimmte alles – Gewichtung der Stimmen, Intonation, Emphase – sodass man immer tiefer in den Bann dieser eigentlich spröden Kontrapunktik mit ihrer strengen Material- und Methodenkunst gezogen wurde.

Das alles war freilich nichts gegen die überwältigende Wirkung von Schostakowitschs Klavierquintett. Wie viele andere seiner Werke auch ist auch dieses Werk eines der Camouflage: hinter vordergründiger Heiterkeit und Konventionalität lauern Sarkasmus und Verzweiflung. Mit kompromissloser Hingabe und technischer Bravour leuchteten das fabelhafte Delius Quartett und der hier ebenfalls großartig aufspielende Ugorski dieses vielschichtige Spiel mit Masken und Haltungen in all seinen Facetten aus: große Kammermusikkunst. (StZ)

Giora Feidman spielte im Theaterhaus Stuttgart

07.
Jun.
2013

Da singt der ganze Saal

FeidmanAn klassischen Maßstäben gemessen wäre Giora Feidmans Klarinettenspiel wohl untragbar. Denn der „schöne“, möglichst geräuschfreie Ton, wie er in klassischen Sinfonieorchestern gefordert wird, ist Feidmans Sache nicht, besser gesagt, nicht mehr – schließlich war er 18 Jahre lang Klarinettist im Israel Philharmonic Orchestra, bevor er Anfang der 70er Jahre seine Karriere als Klezmer-Musiker begann. Heute ist Feidman einer der berühmtesten Instrumentalisten dieser Stilrichtung und kann mit seiner Klarinette viel mehr als nur schöne Töne spielen: er kann sie schreien und lachen, weinen und schluchzen lassen, ja, unter seinen Händen wird das Rohrblattinstrument zu einem Ausdrucksmittel, das in seiner Vielfalt der menschlichen Stimme nahekommt.
Seit einigen Jahren konzertiert der rastlose, vor allem in Deutschland ausgesprochen populäre Musiker auch mit dem Gershwin-Streichquartett. Dessen Name bezieht sich freilich nicht auf den amerikanischen Komponisten, sondern auf seinen Primarius, den Geiger Michel Gershwin – eine Namensgleichheit, die marketingtechnisch nicht von Nachteil sein dürfte. Dass sich die vier Streicher ebenfalls gern in den Grenzgebieten jenseits des klassischen Repertoires aufhalten, macht sie zu einem idealen Partner für Giora Feidman, dem solche Klassifizierungen bekanntermaßen nichts bedeuten: Es sei nicht wichtig, was, sondern wie man spiele, lässt Feidman im Programmhefttext wissen. Dementsprechend erlebte man im gut besuchten Theaterhaus unter dem Titel „Panamericana“ einen überaus unterhaltsamen Abend, bei dem sich U und E, Klezmer, Jazz, Klassik und Volksmusik über alle Genregrenzen hinweg begegneten. Dass dabei auch Hebräisches wie „Hawa Nagila“, Jiddisches wie „Donna Donna“ und allerlei Vermischtes aus dem Fundus der klassischen europäischen Musik dem Amerikanischen zugeschlagen wurden – sei´s drum. Mit Spirituals wie „Nobody knows the trouble“, dazu Blues, Folk sowie Tangos von Astor Piazzolla wurde  der Kontinent ja hinreichend gewürdigt. Die Begeisterung des Publikums gründete ohnehin vor allem in der emotionalen, mitreißenden Art, mit der Feidman und das Gershwin-Quartett die effektvollen Arrangements spielten. Und nicht zuletzt ist der 77-Jährige Feidman auch ein ausgebuffter Bühnenprofi, der das Publikum um den Finger wickeln kann: auf eine kleine Aufforderung bringt er den ganzen Saal zum Singen. Das muss ihm erst mal einer nachmachen. (StZ)

András Schiff spielte in Stuttgart beim Meisterpianistenzyklus

05.
Jun.
2013

Historische Aura

Nehmen wir mal an, von einem Geiger würde verlangt, bei einer Tournee jeden Abend auf einem anderen Instrument spielen zu müssen: Eine Zumutung? Sicherlich, aber genau das zählt für Konzertpianisten zum Berufsalltag. Die müssen nehmen, was in den Konzerthallen eben steht – im besten Fall haben sie dann die Auswahl zwischen zwei oder drei Steinway-Flügeln (im Beethovensaal sind es zwei), eventuell kommt noch ein Bösendorfer dazu. Es gibt deshalb Pianisten, die mit ihren eigenen Flügeln im Gepäck auf Konzertreise gehen. Vladimir Horowitz hatte immer seinen Steinway dabei, Krystian Zimerman macht es heute ebenso. Auf die Spitze hatte es einst Arturo Benedetti Michelangeli getrieben: der Hochsensible reiste gar mit zwei Flügeln, die ständig von Technikern nachjustiert werden mussten, doch wenn dann am Konzertabend irgendein Parameter dennoch nicht stimmte, sagte er schon mal ein ausverkauftes Konzert kurzfristig ab.

Auch András Schiff brachte anlässlich seines Klavierabends gleich zwei seiner Flügel mit in den Beethovensaal: Einen Steinway und einen alten Bechstein von 1921. Letzerem gab er schließlich den Vorzug – eine Wahl, die entscheidend dazu beitrug, dass dieser zehnte und letzte Klavierabend des laufenden Meisterpianistenzyklus´ zu einem der – im Wortsinne – merkwürdigsten wurde. Zunächst war man irritiert von dem ungewohnt harten, in den Höhen gedämpften und manchmal fast rumpeligen Klavierklang, der ganz anders ist als man ihn von den gestählten Steinways gewohnt ist. Ähnlich wie bei einem Hammerflügel verfügen die einzelnen Register des Bechstein über distinkte Schattierungen: in manchen Lagen leuchtend und weit ausschwingend, in anderen eher fahl und verhangen, mitunter auch klirrend, fast scheppernd. Jedenfalls legte das alte Instrument, auf dem einst schon Wilhelm Backhaus konzertiert hat, eine Art historische Aura um die Werke, die mit zunehmender Dauer des Abends auch zunehmend faszinierte.

Das Programm des Abends mit Werken von Schumann und Mendelssohn war von Schiff dramaturgisch stringent konzipiert. Zwei Variationenwerke, Mendelssohns „Variations sérieuses“ und Schumanns „Sinfonische Etüden“ op. 13, umrahmten Schumanns Sonate fis-Moll und die Fantasie Mendelssohns in derselben Tonart. Nun mag es Pianisten geben, die das romantisch Drängende etwa der schumannschen fis-Moll Sonate leidenschaftlicher, ungezügelter zum Ausdruck bringen. Schumann schrieb das Werk mit Anfang Zwanzig, als er rettungslos in Clara Wieck verliebt war, und sein emotionaler Ausnahmezustand spiegelt sich auch in den rhythmischen und harmonischen Verrückungen dieser Musik, ihren vielfältigen Brüchen und Abgründen. Diese stellte Schiff auch in selten gehörter Deutlichkeit dar, doch lieferte er sich dabei dem Gefühlsüberschwang nicht aus: statt mit heißem Herzen spielte Schiff mit äußerster Reflektiertheit und Sensibilität – mehr vorgeführt als miterlebt. Ähnliches gilt auch für die fis-Moll Fantasie Mendelssohns, derer dritter Satz zudem etwas das Spukhaft-Irrlichternde vermissen ließ – was auch damit zu tun hatte, dass Schiff den Presto überschriebenen Satz zwar rasch, aber keineswegs sehr schnell nahm.

Dafür dürfte es wenig Pianisten geben, die große Variationszyklen mit einer derartigen Übersicht und Gestaltungskraft spielen wie András Schiff. Sowohl in den „Variations sérieuses“ als auch den „Sinfonischen Etüden“ erwies sich Schiff als Meister sowohl formaler Disposition als auch der Ausleuchtung von Nuancen: vor allem in den „Sinfonischen Etüden“ gab es Stellen klanglicher Erlesenheit, dass man den Atem anhielt. Und wer bis dahin noch zweifelte, ob die Wahl des alten Bechstein eine glückliche war, der ließ spätestens bei der ersten Zugabe alle Vorbehalte fahren, als Schiff den 3. Satz aus der Fantasie C-Dur op. 17 mit einer Palette  herbstlicher Farben malte, wie sie kein moderner Flügel hervorbringen könnte. Mit leisem Humor gab Schiff noch das mendelssohnsche „Spinnerlied“ zu und setzte mit Brahms Intermezzo op. 117 den Schlusspunkt. Ovationen.(StZ)

High End München 2013

02.
Jun.
2013

Stimmen Stimmen?

Ein persönlicher Bericht von der High End Messe in München 2013

Nachdem mir im Vorjahr die Zeit zu knapp wurde, um auch nur jene Aussteller abzuklappern, die ich mir vorgenommen hatte, plante ich diesmal großzügiger: einen knappen Nachmittag und den ganzen folgenden Tag hatte ich zur Verfügung. Das sollte reichen – dachte ich.
Aber leider hatte ich nicht damit gerechnet, dass Ohren keine grenzenlos belastbaren Organe sind: nach ein paar Stunden in wechselnden Hörstudios stellen sie zwar ihre Funktion nicht ein, melden dem Großhirn aber eindeutig den Zustand von Überforderung. Dann braucht auch der willigste High Ender eine Pause.

TAD

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Teuer und gut: TAD

Einige Hersteller wollte ich aber auf jeden Fall besuchen, darunter auch die Firma TAD, ein Kürzel für „Technical Audio Devices“. Das ist eine Tochterfirma von Pioneer, die sich vor allem in der Studioszene einen Namen gemacht hat, seit einigen Jahren aber auch das klassische Home Hifi Segment mit hochpreisigen Produkten bedient.
In München hatten sie eine Kette mit dem Teuersten aufgebaut, was der Katalog hergibt. Allein die Lautsprecher Reference One kosten 70.000 €, für die Monoblöcke M600 und die Vorstufe C600 sind zusammen nochmal über 90.000 hinzulegen, und auch der CD-Spieler D600 schlägt mit satten 31.000 zu Buche. Damit ist auch der Anspruch definiert: das sollte Ultra High End sein. Und das ist es auch.
Die Kette spielte ungemein sauber und körperhaft, mit einem auf einnehmende Art unspektakulären Klang, der sich auf einem präzisen wie dezenten Bassbereich aufbaut. Signifikant, dass diese Vorführung – im Vergleich zu den meisten anderen – gar nicht besonders laut war, denn das brauchte sie gar nicht, konnte man doch schon in besserer Zimmerlautstärke jedes Detail hören. Die ersten Hörbeispiele waren Jazz, der wirklich sehr realistisch klang, hoch aufgelöst, impulsstark, mit realistischen Abmesssungen der Instrumente. Wirklich gul.
Hellhörig wurde ich, als dann eine CD von einer meiner Lieblingsjazzsängerinnen, nämlich von Ida Sand, eingelegt wurde. Deren Stimme kenne ich nämlich von diversen Aufnahmen sehr gut, und ich war etwas irritiert, dass diese über die TAD-Kette leicht eng, minimal gequetscht klang und auch die tiefen Frequenzbereiche etwas überbetont waren. Ein Eindruck, der sich bei den darauf zu hörenden Aufnahme mit Männerstimmen bestätigte. Damit deutete sich schon an, was ich im Verlauf der vielen Hörsessions während der Messe noch feststellen würde: nichts ist so schwer realistisch darzustellen wie menschliche Stimmen. Selbst sehr gute Anlagen wie diese von TAD können da mitunter Schwächen offenbaren.

Canton

Bei Canton hörte ich aus Neugier mal rein, denn diese Firma besaß in meiner Jugend einen exzellenten Ruf. Wer es sich damals leisten konnte, kaufte sich Cantonboxen, und mit seinen Reference-Modellen ist der legendäre deutsche Boxenpionier auch heute wieder in den Ranglisten der einschlägigen Magazine ganz oben zu finden. Dass das aber vermutlich weniger mit den Qualitäten der Lautsprecher als mit der Anzahl der dortselbst geschalteten Anzeigen zu tun haben dürfte, zeigte die Vorführung der Reference DC 1.2 leider sehr deutlich. Der Vorführer hob eindringlich die Qualität der eingebauten Mitteltöner hervor und spielte zum Beleg eine Live-Aufnahme mit vier verschiedenen Männerstimmen. Das hätte er mal lieber lassen sollen. Die Stimmen tönten verfärbt und tonal unausgewogen, mit zischigen S-Lauten, bei Instrumentalstücken dann bullerten die Bässe fast wie in Özgürs tiefergelegtem Golf an der Ampel. Ich empfinde das wie Car-Hifi in Großformat. Fehlt nur noch der Wunderbaum.

Raidho

Teuer, aber mäßig: Raidho C 4.0

Teuer, aber mäßig: Raidho C 4.0

Dass Dänen gute Lautsprecher bauen können, ist ja bekannt, Dynaudio und Dali beweisen es seit Jahren. Mit Raidho ist seit einiger Zeit ein weiterer Hersteller auf dem Markt, der bereits einige Lorbeeren in Form guter Testberichte einheimsen konnte und in München sein Topmodell C 4.0 präsentierte. Angesichts des Verkaufspreises von 85.000 € bietet sich freilich an dieser Stelle ein kleiner Exkurs an:

Warum muss High End so teuer sein?

Wer sich die Preise für High End betrachtet, der kann den Eindruck gewinnen, dass manche Firmen es geradezu darauf anlegen, die teuersten Produkte im Sortiment zu haben. Klar, auch früher gab es schon sündteures Hifi. Mittlerweile aber sind bei Elektronik fünfstellige Europreise fast schon die Regel, bei Lautsprechern wird es nicht selten gar sechsstellig.
Nach meiner Einschätzung gibt es für diesen Trend vor allem zwei Gründe.
Der eine ist in den neuen, außereuropäischen Märkten zu suchen. Vor allem in Fernost, In Russland und den arabischen Ländern gibt es eine relativ neue, extrem statusorientierte Käuferschicht, für die Geld nur insofern keine Rolle spielt, als sie genug davon haben. Da braucht es nicht günstig zu sein, im Gegenteil: nur wenn es möglichst teuer ist bietet der Kauf einen ausreichenden Distinktionsgewinn. Ein Händler berichtete mir, dass sich auf einer Messe ein Russe nach dem Preis der ausgestellten Kette gefragt habe, immerhin die Spitzenprodukte der Firma. 120 000.- € antwortete der Händler, worauf der Russe gelangweilt abgewunken habe. Zu billig, meinte er. Bei 300 000.- wäre man vielleicht ins Geschäft gekommen.
Darauf haben die Firmen reagiert. Und zwar nicht nur dadurch, dass die Produkte immer teurer, sondern, vor allem was Boxen anbelangt, auch immer größer werden. Denn wo es mehr um Status als um Klang geht, ist mit feinen Zweiwegmonitoren kein Staat zu machen. Da müssen es schon übermannsgroße Monsterkisten sein. Wie die kingen, ist eine andere Frage.
Der andere Grund erschließt sich, wenn man sich die Bestenlisten der Hifimagazine anschaut, wo die Qualität der Lautsprecher quasi in einem direkten Verhältnis zum Verkaufspreis zu stehen scheint, nach dem Motto: teurer ist immer auch besser. Das ist zwar de facto absurd, aus Marketingperspektive aber nachvollziehbar. Denn mal angenommen, die Isophon Berlina RC11, Listenpreis 150.000 €, stünde nicht als teuerste Box des Testspiegels von Stereoplay auch ganz oben, sondern da, wo ich sie klanglich platzieren würde, nämlich auf jeden Fall deutlich hinter die Dynaudio Focus 380 (6200.-): Was wäre das für eine Blamage! Stereoplay hätte da wohl auf absehbare Zeit keine Anzeige von Isophon mehr zu erwarten.
Ich will damit nicht sagen, dass teure Boxen nicht auch sehr gut sein können. Aber gesteigerter technischer Aufwand geht durchaus nicht zwangsläufig auch mit besserem Klang einher.

Damit wären wir jetzt wieder bei

Raidho und der 85.000 Euro teuren C 4.0, von der ich ehrlich gesagt einigermaßen enttäuscht war. Zwar war die Auflösung durchaus ordentlich, aber das Ungetüm hatte den für viele Lautsprecher dieses Kalibers typischen, vorlauten Blubberbass, dazu war das Klangbild insgesamt merkwürdig verhangen: die Anblasgeräusche eines Saxophons waren mehr zu erahnen als zu hören. Hätte ich mehr erwartet.

ADAM AUDIO

Weniger erwartet habe ich dagegen von Adam Audio. Ich bin nicht unbedingt ein Aktivfan, dazu finde ich die Lautsprecher von Adam ausnehmend hässlich, dass ich sie niemals in mein Wohnzimmer stellen würde. Aber klanglich war ich angenehm überrascht: Sehr feine Auflösung, tonal stimmig, differenzierte Bühnendarstellung. Alle Achtung.

DYNAUDIO

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Giftig: Evidence Platinum

Ein Besuch hier war natürlich Pflicht, zählt die dänische Lautsprecherfirma bekanntermaßen seit vielen Jahren zu meinen Favourites: Gerade die „normalen“ Lautsprechermodelle von Dynaudio wie die aus der Contour- oder der Focus-Reihe finde ich nach wie vor State of the Art, Besseres ist für das Geld schwer zu finden. Etwas schwerer tue ich mich seit einiger Zeit mit den Spitzenprodukten der Firma wie etwa der neuen Evidence Platinum (64.500.-). Die war nicht beim Dynaudiostand selber, sondern gegenüber bei OCTAVE an einer Monsterkette mit riesigen Monoblöcken zu hören. Tja, was soll ich sagen? Auch hier gilt: größer und teurer ist nicht immer besser. Klar, das war ein unglaublich straffes, durchhörbares Klangbild, in seiner unspektakulären Aufgeräumtheit und Diskretion typisch Dynaudio. Aber wieder offenbarte die Stimmwiedergabe Schwächen: Scharfe S-Laute und leicht gequetscht sang da Peter Green,auch so ein klein bisschen harsch, giftig, unrund, in etwa so, wie ich auch die aktuellen Confidence-Modelle im Ohr habe. Woran das liegt? Keine Ahnung. Vielleicht gefällt das ja den Ölscheichs.

 Gauder Akustik

Da wir gerade bei Isophon waren: Isophon heißt jetzt, nach dem Entwickler der Boxen, Gauder. Das ist aber auch die einzige Neuigkeit, denn klanglich finde ich die Kisten immer noch mau, dem Schild „Bester Lautsprecher der Welt“ zum Trotz, das neben der Berlina RC11 hing. Auch hier entlarvte die Stimmwiedergabe tonale Schwächen, in diesem Fall sang Diana Krall etwas quetschig und scharf, dazu wummerte der Bass schier die Ohren zu. Nein, danke, die 150 000 Euro, sofern ich sie hätte, würde ich lieber für was anderes ausgeben.

TIDAL   

Best of show: TIDAL

Best of show: TIDAL

Für Tidal vielleicht. Die Vorführung des deutschen Ultra High End Spezialisten, der hierzulande noch wenig, in den USA dafür schon ziemlich bekannt ist, war für mich eines der Highlights der Messe, in der Gesamtperformance vielleicht sogar „Best of the Show“, weshalb ich mich auch etwas wunderte, dass der TIDAL-Hörraum eher durchschnittlich frequentiert war – High End auf diesem Niveau dürfte man bei kaum einem Händler jemals hören können, was auch daran liegt, dass TIDAL, ahnlich wie TAD, das alleroberste Preissegment bedient: der Wert der hier vorgestellten Anlage dürfte die 300.000 Euro Grenze deutlich übersteigen. Wer aber soviel Kohle ausgeben kann, kriegt dafür auch ordentlich was geboten.
Bei dieser aus einer Analogquelle gespeisten Anlage gab es wirklich gar nichts zu meckern. Egal ob Pop, Klassik oder Jazz, hier klang alles absolut stimmig: das beginnt mit einem vorbildlich sauberen, knochentrockenen Bass (Paukengrollen etwa klang adäquat mächtig, aber ohne dass dabei, wie bei Backes & Müller oder Konsorten, gleich die Wände einzustürzen drohen), dazu kommen eine geradezu explosive Dynamik, feinste Auflösung und eine Bühnenabbildung, die hier, anders als oft behauptet, wirklich realistisch wirkt. Ein großes Klangbild entsteht dabei nicht durch Aufzoomen der Instrumente, sondern durch Auffächern der Klangereignisse und Rauminformation.
Auch optisch sind die Komponenten fabelhaft gemacht, die Lautsprecher (hier war es das zweitgrößte Modell. die Agoria, Gewicht 440 kg, Preis um die 85.000 €) glänzen mit einem wunderbaren Makassarfurnier. Angetrieben wurden sie von gleich vier TIDAL-Monoblöcken, verkabelt war alles mit Argento Audio, ein Stereoset des Flow Master Reference Lautsprecherkabels kostet 9400 Euro. Pro Meter.
Das klang schon toll und zeigt, was heute machbar ist. Freilich kann man sich angesichts des gigantischen materiellen und finanziellen Aufwands, der da getrieben wird schon fragen, ob High End auf diesem Niveau nicht auch mit weniger Material- und Geldeinsatz zu verwirklichen ist. Dass das gehen kann, zeigt beispielsweise

Brodmann

Es ist ja kein Geheimnis, dass deren Lautsprecher seit der High End 2012 ganz oben auf meiner persönlichen Liste stehen. Seit ich die fabelhaften VC7 mein eigen nenne, ist für mich das Thema Lautsprecher erst mal erledigt, daran kann auch Tidal nichts ändern. Und da die Wiener Firma ihr komplettes Lautsprecherprogramm dabei hatte, war ein Besuch hier natürlich Pflicht. Brodmanns Spitzenmodell, die JB 205, war allerdings nicht in der Vorführung, sondern stand im Foyer des MUC neben einem Flügel der Firma, die ja auch hochwertige Klaviere baut.

Brodmann JB 205 mit Flügel

Brodmann JB 205 mit Flügel

Nun war der Brodmann-Raum, anders als der etwa von TIDAL, wohl nicht in erster Linie als Hör-, sonder eher als Ausstellungsraum konzipiert. Zwar konnte man drei komplette Anlagen hören – darunter auch die VC7 – allein die räumlichen Verhältnisse verhinderten aber, dass die Lautsprecher ihr wirkliches Potential zeigen konnten. Der Andrang bei Brodmann war trotzdem groß, allmählich scheint sich herumgesprochen zu haben, dass hier Außergewöhnliches geboten wird. Beispielhaft konnte man das am kleinsten Lautsprecher von Brodmann, der FS aus der Festival-Reihe hören. Die grade mal schuhkartongroße Box – Gewicht je 10kg, Preis pro Paar unter 3000 € –  dürfte, was Dynamik und tonale Stimmigkeit anbelangt, das Gros der auf der Messe vorgestellten Boxen an die Wand spielen, ganz egal welcher Preisklasse, und das, obwohl man keine Tiefbassorgien von ihr erwarten kann. Bei vielen Besuchern sorgten die Minis denn auch für Ahs und Ohs – manche konnten zunächst gar nicht glauben, dass hier wirklich die kleinsten Lautsprecher spielten. Angesteuert wurden sie von einer sehr hochwertigen Kette von Electrocompaniet mit 2 Monoblöcken, was mit zu der überzeugenden Vorstellung beigetragen haben dürfte.

Brodmann mit den kleinen FS

Brodmann mit den kleinen FS im Vordergrund

Wilson Audio

Rappelvoll war die Bude bei Wilson, was wohl vor allem an dem gigantischen Werbeaufwand der Amerikaner liegen dürfte. Optisch erinnern mich die Kisten immer etwas an Müllcontainer, was nicht nur an der Plastikrollen liegt, auf denen sie stehen. Klanglich? Nun ja, für mich ist das irgendwie Brachial-Hifi: alles ist etwas zu dick aufgetragen, dazu klingen Stimmen – wieder einmal – deutlich verfärbt. Bei der Vorführung des Modells „Sasha“ wurde einem ein Bassgitarrengewitter um die Ohren gehauen, gefolgt von einem Show-Orchesterstück, ganz gut aufgelöst und räumlich, aber auf Dauer nervig. Wie bei überwürztem Essen hat man schnell genug davon.

En passant 

Kurz reingeschaut und reingehört habe ich bei diversen Ausstellern, hier zusammengefasst noch einige  Eindrücke.

(Schlecht) klingende Hundeknochen: Kharma

(Schlecht) klingende Hundeknochen: Kharma

Einen Besuch bei Kharma konnte ich mir einfach nicht verkneifen, obwohl das schon im Vorjahr nicht erquicklich war. Aber die im Hundeknochendesign aufwartenden und nach wirklich gar nichts klingenden Monsterboxen sind einfach zu schräg, als dass man sie igorieren könnte.

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AYON: Wer will an den Marterpfahl?

Die Tendenz zu immer größeren Boxen zeigte sich auch bei der Firma Ayon: Riesige Pfähle im Baumstammdesign nach dem Motto „big is beautiful“, klanglich Richtung Wilson mit einer Tendenz zum Boosten. Auf den ersten Höreindruck klingt das ganz gut, auf den zweiten vermisst man aber eine nachvollziehbare Bühnenabbildung, Instrumente wie Stimmen waren trotz SItzen im Sweet Spot kaum zu orten.

Dan d´Agostino präsentierte seine Verstärker im Personenwaagendesign mit Lautsprechern von Sonus Faber – warum das nun derart matt und langweilig klang, ob´s an der Elektronik oder den Lautsprechern oder dem Raum lag – keine Ahnung.

Spacy, spacy...Göbel

Spacy, spacy…Göbel

Gute Chance auf den Titel des hässlichsten Lautsprechers könnte man dem Modell Epoque Reference von Göbel zugestehen, die so ein bisschen nach Raumschiff Enterprise aussehen. Über den Klang will ich mich nicht weiter auslassen….

Zum Schluss aber noch ein Tipp: die Koax-Lautsprecher der Firma  KAOS mögen vielleicht etwas antroposophisch aussehen, klingen aber dafür richtig gut.

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