Gioacchino Rossinis „La Cenerentola“ an der Staatsoper Stuttgart

01.
Jul.
2013

Mehr als eine Farce

Bild: A.T.Schaefer

Bild: A.T.Schaefer

Soviel gelacht wurde selten an der Staatsoper Stuttgart wie bei der Premiere von Rossinis Oper „La Cenerentola“ in der Regie von Andrea Moses. Die Stuttgarter Hausregisseurin hat zwar bereits einige sehr ordentliche Arbeiten vorgelegt, stand bislang aber immer etwas im Schatten des Regieduos Jossi Wieler/Sergio Morabito, die regelmäßig für die herausragenden Premieren sorgten – zuletzt etwa Richard Strauss´ „Ariadne auf Naxos“. Mit dieser Neuinszenierung aber könnte Moses so etwas wie ein Durchbruch in Stuttgart gelungen sein, denn spritziger, witziger, einfallsreicher und liebevoller durchchoreografiert lässt sich eine solche Oper kaum auf die Bühne bringen. Die Regisseurin hat die Geschichte um Angelina, das Aschenbrödel, das nach allerlei Turbulenzen und Verwicklungen am Ende den Prinzen Don Ramiro heiraten kann, behutsam in die Jetztzeit verlegt. Das Personal des adligen Stands rekrutiert sich aus einer soignierten Aufsichtsratsbelegschaft, die quasi am runden Tisch beschließt, dass Don Ramiro zur Aufrechterhaltung der Firmenstruktur zu heiraten hat. Zur Brautsuche begibt sich dieser in die miefige, leicht heruntergekommene Wohnung, wo der verarmte Baron Don Magnifico mit seinen drei Töchtern haust. Zwei gegensätzliche Milieus, deren kontrollierte Kollision ein solches Feuerwerk an Pointen freisetzt, dass man als Zuschauer hellwach sein muss, um auch wirklich alles mitzubekommen.
Dass diese Situationskomik aber bei aller Überdrehtheit nur selten klamottig wirkt, ist Moses Sensibilität für den Pulsschlag der Musik zu verdanken: mit akribischer Genauigkeit sind hier Musik und Szene gestisch aufeinander abgestimmt, wobei die Kalkuliertheit mancher Regiepointe ihre Entsprechung findet in Rossinis ebenfalls bewusst auf Wirkung komponierter Musik.
Freilich begnügt sich Andrea Moses nicht damit, einfach eine durchgedrehte Farce zu inszenieren: Nicht ohne Grund betitelte Rossini diese Oper als „Melodramma giocoso“ – denn auch wenn das Gros der Personals sich in beständiger Verstellung übt, so ist die Figur der Angelina doch von Beginn an wahrhaftig, und auch in den Liebesduetten mit Don Ramiro herrscht durchweg ein aufrichtiger Ton. Auch fühlt sich Angelina, anders als ihre nach Ruhm und Geld schielenden Schwestern, durchaus wohl in ihrer kleinbürgerlichen Welt – und für die Szene, in der sie dort herausgerissen wird, findet Andrea Moses ein berückendes Bild: Das alte Wohnzimmer, an das sie sich verzweifelt klammert, verschwindet erst Richtung Hinterbühne und versinkt schließlich ganz im Boden.
Dass diese Oper auch beim Stuttgarter Publikum, das am Ende völlig aus dem Häuschen war, eine derartige Begeisterung auslöste, lag aber auch an einem wie entfesselt singenden und spielenden Ensemble. Für die Mezzosopranistin Diana Haller (Angelina) ist es die erste große Rolle am Haus, eine Herausforderung, die sie angesichts der Schwierigkeiten der hochvirtuosen Partie mit Bravour bestand: ihre Koloraturensicherheit erinnert nachgerade an Cecilia Bartoli. Catriona Smith (Clorinda) und Maria Theresa Ullrich (Tisbe) bilden ein hinreißend singendes und zankendes Schwesternpaar, und auch die Männerriege ist durchweg erstklassig besetzt. Dass auch Bässe kantabel singen können, zeigten Adam Palka (Alidoro) wie auch Enzo Capuano (Don Magnifico), der zudem ein Humorist von Gnaden ist. André Morsch (Dandini) beglückte mit einer ungemein beweglichen Baritonstimme, Bogdam Mihai ist ein Rossini-Tenor mit leichter Höhe, dem es nur etwas an Farben mangelt. Befeuert wurde die Sängerriege durch ein brillant und schwungvoll spielendes Staatsorchester unter der Leitung von José Luis Gomez. Dass es in den Ensembleszenen noch gelegentlich klapperte zwischen Bühne und Graben – geschenkt. Das dürfte sich mit der Zeit noch einspielen. Selbst wenn Sie nur einen Opernbesuch im Jahr planen sollten: gehen Sie in diese Stuttgarter „La Cenerentola“. (Südkurier)

Weitere Aufführungen am 3., 9., 12., 17., 22. Juli

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