Das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR mit Jörg Widmann und Dima Slobodeniouk

13.
Dez.
2013

Orchestrales Farbenspiel

Ewig dankbar müssen die Klarinettisten Mozart sein, dass er ihnen dieses Konzert geschrieben hat. Es mag noch andere Klarinettenkonzerte geben – Stamitz, von Weber – aber keines reicht an jenes A-Dur-Meisterwerk heran, an dem eben keine Note zuviel ist und keine zu wenig.
Dass dieses Konzert zum Kernrepertoire jedes Klarinettisten zählt, macht die Interpretation insofern nicht leichter, als eigentlich alles dazu gesagt ist. Der Klarinettist Jörg Widmann nun spielte bei seinem Auftritt mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR im Stuttgarter Beethovensaal auf unprätentiöse Art einfach alles so, wie es sein sollte: mit Geschmack, Stilbewusstsein und instrumentaler Kompetenz. Auffällig war die Liebe zum Detail. Jedes noch so kleine Motiv war sorgfältigst ausprasiert, alles besaß Kontur und Form, und vor allem in dem berühmten Adagio verzückte Widmann mit einem konzentrierten, substanzreichen Ton, der ihn auch in die Lage versetzte, sich jederzeit gegenüber dem Orchester durchzusetzen. Dass ihm dies leicht gemacht wurde, lag aber auch am Dirigenten Dima Slobodeniouk. Der hatte das RSO zum einen recht klein besetzt, bemühte sich zum anderen vorbildlich um ein ausgewogenes Kräfteverhältnis und hielt das Orchester dynamisch immer im Zaum. Und wie Widmann kann auch Slobodeniouk in Strukturen denken, besitzt er ein Gefühl für Phrasierung und rhythmische Innenspannung. Das Orchester dankte es ihm mit einem leichten, kompakten, federnden Klang, sodass es eine einzige Freude war, dieses wohlbekannte Klarinettenkonzert zu hören. Das Publikum im fast voll besetzten Saal empfand es wohl genauso und feierte den Solisten am Ende mit Ovationen.
Die hatten aber vermutlich nicht nur dem Klarinettisten, sondern auch dem Komponisten Jörg Widmann gegolten. Denn begonnen hatte das Konzert mit Widmanns 2006 geschriebenem „Armonica“ für Glasharmonika, Akkordeon und Orchester. Christa Schönfeldinger spielte die auf Konzertbühnen heute eher selten anzutreffende Glasharmonika, die sich bis zur Romantik einiger Beliebtheit erfreute und für die schon Mozart zwei Werke komponiert hatte. Ihr sphärischer, quasi aus dem Nichts anschwellender Ton bildet dabei so etwas wie die Grundidee für Widmanns Konzert: ein schillerndes orchestrales Farbenspiel, ein beständiges  Zerfließen der Klänge in organischer Bewegung, das in seinem irisierenden Ohrenreiz etwas sehr Französisches hat. Das von Teodoro Anzellotti gespielte Akkordeon bringt mit seinem atemähnlichen Duktus ein weiteres organisches Element hinein, und auch wenn man sich bei einigen Stellen an Filmmusik erinnert fühlte, besitzt das Stück ingesamt doch eine starke suggestive Kraft.
Gab es bis dahin wenig auszusetzen, was Präzision und Klanggestaltung anbelangt, so blieben bei Prokofjews siebter Sinfonie einige Wünsche offen – was insofern schade war, als Slobodeniouk den Charakter der vier Sätze, ihre divergenten Haltungen, sehr präzise auf den Punkt brachte. Großartig ausgespielt der an Schostakowitsch gemahnende Sarkasmus, der sich hinter dem salonesken Walzertreiben im zweiten Satz versteckt, auch das Finale besaß Drive und Wucht. Wer weiß – ein paar Probentage mehr, dann hätte da vielleicht etwas Großes entstehen können.   (StZ)

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