Meshell Ndegeocello und das Terence Blanchard E-Collective im BIX

02.
Nov.
2014

Freche Keyboardsounds und knurrender Bass

Diese Frau passt sich nicht an. Allein der Name – Meshell Ndegeocello – ist ja marketingmäßig ein Desaster – wie spricht man das aus? Und dann der Kurzhaarschnitt und das betont unweibliche Outfit….nein, das will so gar nicht passen zum Bild der sexy Singer-Songwriterinnen vom Schlag einer Norah Jones oder Katie Melua, die mit ihren Konzerten große Hallen füllen. Und dann spielt sie auch noch E-Bass, eigentlich eine klassische Männerdomäne.
Dennoch: das Konzert von im Jazzclub Bix am Samstag war gut besucht, was an Meshell Ndegeocellos Ruf als einer innovativen Musikerin liegen dürfte, die sich nicht ins Raster der Musikindustrie fügen will, sondern ihren eigenen Weg geht. Mitgebracht hatte sie mit Earl Harvin (drums), Jebin Bruni Keyboard) und Chris Bruce (Gitarre) jene Band, mit der sie auch ihr aktuelles Album „Comet, Come to me“ eingespielt hat. Nun ist das stilistische Spektrum von Meshell Ndegeocello groß: Funk, Rhythm ´n´ Blues, Jazz, Soul – sie hat eigentlich alles drauf, und so ist es immer ein bisschen überraschend, worauf sie gerade den Fokus legt. Bei ihrem aktuellen Projekt sind es eher die ruhigeren Töne: weniger jazzig, sondern eher im Stil klassischer Singer-Songwriter sind die meisten Stücke gehalten, wobei sie bei Titeln wie „Friends“ auch schon mal eine Prise Rap ins Spiel bringt. Einige der neuen Songs sind melodisch stark und interessant instrumentiert, andere eher simpel angelegt: recht monoton wiederholen sich da die Gesangslinien über eingängigen Akkordwechseln. Mit Leonard Cohens „Suzanne“ und „Don´t let me be misunderstood“ von Nina Simone bürstet sie auch zwei Klassiker geschmackvoll gegen den Strich, doch insgesamt wirkt vor allem der Schlagzeuger über weite Strecken unterbeschäftigt. Und obwohl der Keyboarder einige freche Sounds beisteuert, plätschert der Abend über weite Strecken etwas lau dahin. Spannend wird es, wenn Meshella zeigt, was als Bassistin drauf hat: da ist sie Weltklasse. Leider war das an diesem Abend selten der Fall.

Terence Blanchard

Terence Blanchard

Hoch dosierten Topklasse-Jazz gab es dafür am Abend zuvor im Bix beim Gastspiel des Terence Blanchard E-Collective. In den USA ist der Trompeter und fünffache Grammy-Gewinner längst eine Institution, hierzulande aber noch eher ein Geheimtipp, wie das längst nicht ausverkaufte Bix zeigte. Dieses Konzert war eine eindrucksvolle Demonstration des technischen und musikalischen Niveaus, das der zeitgenössische Jazz heute erreicht hat – zumindest in den USA. Mit seinem E-Collective etabliert Blanchard eine Qualität kollektiven Musizierens, das sich mit Begriffen wie „Solo“ oder „Begleitung“ nicht mehr adäquat beschreiben lässt. “Dichte“ oder „Spannungszustände“ wären Begriffe, die dem näher kommen, was während der ausgedehnten musikalischen Höhenflüge dieser Band passiert. Fast wie bei klassischen Kompositionen werden, in ständiger Kommunikation der Musiker, rhythmische und melodische Motive zunächst etabliert, dann aufgenommen und spielerisch variiert und verarbeitet, was aber zum Glück überhaupt nichts Akademisches hat – im Gegenteil. Denn mit spürbarer Lust am Zitieren würzt die Band ihr sehr avanciertes Spiel immer wieder mit augenzwinkernden Retroanklängen: da jault dann der Synthesizer wie einst bei Emerson, Lake & Palmer, groovt und knurrt der Bass wie der von Marcus Miller auf Miles Davis´ „Tutu“. Die fabelhafte Rhythmusgruppe mit Donald Ramsey (b) und Oscar Seaton (drums) wäre allein schon den Eintritt wert, doch wann hat man einen Gitarristen wie Charles Altura gehört, dessen harmonisch komplexe und melodisch ungewöhnliche Strukturen so gar nichts mit dem Skalengenudel zu tun haben, das die meisten Gitarristen gewöhnlich liefern? Auch der Keyboarder Fabian Almazan ist ein stilistischer Tausendsassa, der erst gegen Ende des Konzerts, bei dem Hendrix-Stück „Power of Soul“ seine kubanischen Wurzeln dezent einfließen lässt. Und frappierend die souveräne Coolness, mit der die Band hier auftritt, ohne im Mindesten arrogant zu wirken. Ach Amerika – zumindest beim Jazz hast du´s besser. (StZ)

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