Konstantin Wecker im Hegelsaal Stuttgart

17.
Nov.
2014

Alles im Griff

Willy lebt. Der aufrechte Revoluzzer aus Konstantin Weckers bekanntestem Lied wurde offenbar in den 70er Jahren nicht, wie es im Text heißt, in einer Kneipe von Rechtsradikalen erschlagen, sondern verkauft heute bei Weckers Konzerten CDs und Bücher. Dies verkündete Konstantin Wecker bei seinem Konzert im ausverkauften Stuttgarter Hegelsaal und dürfte damit wohl bei einigen Verwunderung ausgelöst haben: Taugte der Willy-Mythos doch trefflich, das Bild des Widerstandskämpfers Wecker auch biografisch zu untermauern. Weckers Eingeständnis, in der Willy-Ballade etwas dramatisiert zu haben, passt aber durchaus zu seinem Auftritt an diesem Abend. Nach diversen Abstürzen hat der 67-Jährige sein Leben, trotz der Trennung von seiner Frau Annik im letzten Jahr, offenbar wieder im Griff und setzt nun auf Ehrlichkeit – auch sich selbst gegenüber. Freimütig erzählt dem Publikum von seiner Zeit im Gefängnis und seinem Drogenkonsum und kann sich dennoch einen Seitenhieb auf den ihn damals verurteilenden Richter nicht verkneifen: der habe sich von Weckers Lied „Der Herr Richter“, indem es um einen Exhibitionisten geht, wohl persönlich angegriffen gefühlt, und – so Weckers Unterstellung – ihn deswegen besonders hart bestraft. Wie auch immer: nötig hätte Wecker derlei späte Abrechnungen nicht. Denn seine Fähigkeiten als Liedermacher- und sänger sind immer noch aller Ehren wert. Der größte Teil seines Programms „40 Jahre Wahnsinn“ besteht aus jenen Lieder aus den 70er und 80er Jahren, die ihn einst berühmt gemacht haben: „Was tat man den Mädchen“, „Der alte Kaiser“, oder eben „Willy“, mit dem er das Konzert eröffnete. Wecker war damals ein Sprachrohr für den kollektiven Wunsch nach einer grundsätzlichen Veränderung der Verhältnisse, für die Sehnsucht nach „echtem“ Leben und tiefen Gefühlen. Dafür fand er treffende Metaphern und Bilder wie kein anderer Liedermacher, wobei seine Selbstgewissheit, auf der richtigen Seite zu stehen, gelegentlich einherging mit einer gewissen Überheblichkeit gegenüber jenen, die das Feindbild markierten: Spießer, Kapitalisten, Militär, die „feine“ Gesellschaft.
Trotz der „Sag nein!“ und „Wehrt Euch!“- Appelle überwogen an diesem Abend eher die leisen, nachdenklichen Töne. Am stärksten ist Wecker als (Liebes-)Lyriker in Songs wie „Was mir der Wind erzählt“ oder „Weil ich Dich liebe“, berührend auch die Ode an seinen verstorbenen Vater und die zärtlichen Lieder, die er seinen beiden Kindern gewidmet hat. Und da Wecker stimmlich immer noch sehr gut in Form ist und zusammen mit seiner dreiköpfigen Band auch musikalisch einiges bot, zog er sein Publikum im Verlauf des Abends immer stärker in den Bann. Zugabe folgte auf Zugabe, bis sich Wecker, nach fast vier Stunden, endlich verabschiedete. Ein starkes Konzert. (StZ)

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