Das Neujahrskonzert der Staatsoper mit Werken von Kurt Weill

02.
Jan.
2015

Ganz ohne Belehrung geht es nicht

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Nathalie Thiede

„Lost in the stars“ lautete der Titel des Neujahrskonzerts der Staatsoper, und zunächst stand das Konzert unter keinem guten Stern. Denn der vorgesehene Dirigent Simon Hewett musste seinen Auftritt noch in der Silvesternacht absagen, war er doch (zum dritten Mal) Vater geworden und wollte – durchaus verständlich – Frau und Kinder nicht alleine lassen. Verloren war man bei der Staatsoper dennoch nicht, war doch die Hauskorrepetitorin Kristina Sibenik bereit, für Hewett einzuspringen, dazu übernahm der Dramaturg Patrick Hahn, der auch das Programm konzipiert hatte, die ursprünglich ebenfalls Hewett zugedachte Rolle des Moderators.
Nun ist das Neujahrskonzert eine schöne Tradition, selbst wenn man sich an der Oper gerade mit dem Leichteren oft schwer tut. Liegt es an aufklärerischen Grundhaltung des Hauses, dass ein so champagnerleicht prickelnder, beschwingter Abend wie das Neujahrskonzert von 2011 mit dem Sängerehepaar Natalie Karl und Matthias Klink eine Ausnahme geblieben ist? Stattdessen erinnert man sich eher ungern an Konzerte wie das von 2013, als Lothar Zagrosek unter anderem Messiaen dirigierte. Und auch im letzten Jahr musste es zu Bernstein und Gershwin noch Beethovens Große Fuge sein.
In diesem Jahr nun war man einerseits erwartungsfroh, standen doch Stücke von Kurt Weill auf dem Programm, der während seiner Zeit in den USA am Broadway große Erfolge feierte und Lieder wie den „September Song“ komponierte, die zu Jazzklassikern avancierten. Andererseits konnte man ob des Umstands, dass zu dem Abend eine Einführungsveranstaltung (!) angesetzt wurde, wieder nachdenklich werden – ganz ohne Belehrung geht es in der Oper offenbar nicht. Doch auch wer diese Einführung verpasste, bekam von Patrick Hahn auf durchaus charmante Weise zwischen den Stücken einiges über Geschichte und Hintergrund der Stücke mitgeteilt – was vielleicht lehrreich war, aber verhinderte, dass der Abend eine eigene Dynamik entwickelte.
Stattdessen gab es gut vorgekaute Häppchen. Motti Kastón begann mit „Berlin im Licht“ und war spürbar unsicher, mit welcher Haltung er das nun singen sollte – opernhaft? Chansonmäßig? – zumal das Orchester zu Beginn rhythmisch noch reichlich hüftsteif agierte. Doch dann kamen mit Nathalie Thiede und Hanna Plass zwei Mitglieder vom benachbarten Schauspielensemble auf die Bühne, um das Eifersuchtsduett aus der (dort aktuell auf dem Programm stehenden) Brechtschen „Dreigroschenoper“ zu singen. Und man begann zu ahnen, wie dieser frühe Neujahrsabend hätte gelingen können.
Denn auch wenn die Schauspielerinnen stimmlich limitiert sind, so brachten sie doch etwas auf die Bühne, was das Publikum sofort spürte und mit befreitem Applaus quittierte: Theaterhaltung und körperliche Präsenz. Hinreißend Nathalie Thiedes „Lost in the stars“, schüchtern ans Mikrofon geschmiegt und mit einem Blick, der Wände durchdrang. Nun könnte man natürlich fragen, ob es im Ensemble der Staatsoper niemanden gibt, der Musicals singen kann. Wie auch immer: diese drei Schauspielladies (später kam noch Caroline Junghanns dazu) retteten diesen gut gemeinten Abend, der noch viel besser hätte sein können, wenn ein Regisseur das Song-Potpourri mittels eines dramaturgischen Fadens verbunden hätte. Das Largo für Orchester aus Weills 2. Sinfonie wäre dann ebenso verzichtbar gewesen wie die beiden von Ashley David Prewett prima gesungenen Walt Whitman-Songs in Kunstliedmanier. Zum guten Ende jedenfalls brachte das Sängerensemble das Publikum mit Weills „Youkali“und dem „Bilbao Song“ doch noch in die rechte Neujahrsfeierlaune. Einigermaßen zumindest. (StZ)

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