Dan Ettingers Antrittskonzert als Chefdirigent der Stuttgarter Philharmoniker

07.
Okt.
2015

Der oder keiner

Derart vollzählig wie beim Antrittskonzert des neuen Stuttgarter Generalmusikdirektors Dan Ettinger waren die Vertreter der lokalen Kulturinstitutionen wohl noch selten versammelt. Schon vor den Grußworten gab es ein großes Hallo im Beethovensaal, ehe dann der Intendant der Stuttgarter Philharmoniker Michael Stille und der Stuttgarter OB Fritz Kuhn ihre Freude darüber kundtaten, dass man Ettinger für den Posten hatte gewinnen können. „Stolz“ sei man, bekannte Kuhn, dass er nach Stuttgart komme, und man hörte da fast Verwunderung heraus: warum übernimmt ein Dirigentenjetsetter, der zwischen Tokyo, London, Wien und New York pendelt, dieses Orchester? Zwar haben sich die Stuttgarter Philharmoniker nach langen kargen Jahren, in denen sie neben dem Staatsorchester und dem Radiosinfonieorchester Stuttgart des SWR das Schlusslicht innerhalb der Stuttgarter Orchestertrias bildeten, unter Ettingers Vorgänger Gabriel Feltz rasant entwickelt: an guten Abenden kann ein Philharmonikerkonzert schon mal beglückender sein als bei der Konkurrenz vom Funk. Und auch wenn zahlreiche Neubesetzungen das Orchester technisch weit nach vorne gebracht haben – zu den Toporchestern zählt es (noch) nicht. So kann es manchem vorkommen, als hätte Pep Guardiola den Trainerposten beim VfB Stuttgart übernommen.
Andererseits ist Ettinger ja auch noch GMD in Mannheim, das ja auch keine Weltstadt ist, aber vielleicht war ihm ja auch die Zustimmung von seiten des Orchesters wichtig, das sich früh auf ihn als Kandidaten für die Feltz-Nachfolge festgelegt hat. „Den oder keinen“ war wohl der Tenor unter den Musikern nach Ettingers erstem Gastdirigat. Sowas schmeichelt.
Seit einigen Wochen jedenfalls lächelt Ettinger bübisch keck von den städtischen Plakatwänden. „Meine Musik“ steht darunter, was erst mal eine sehr allgemeine Ankündigung ist, und so war man auf dieses erste Konzert als Chef gespannt, für das er sich mit Mahlers fünfter Sinfonie und Mozarts Violinkonzert Nr. 3 schon vom Umfang her einiges vorgenommen hatte. Leider war das Mozartkonzert ein veritabler Flop. Das lag weniger an Ettingers Dirigat als daran, dass man zum einen wohl wenig geprobt hatte und zum anderen der Solist Nemanja Radulovic nicht nur wie zu einer Halloweenparty gekleidet war, sondern auch so spielte: ständig auf Effekte schielend und oft mehr neben dem Orchester als mit ihm.
Ganz anders Mahler. Man spürte, dass Ettinger sich in dieser Musik zuhause fühlt, die er in bester Bernsteinscher Tradition dirigierte: affektgeladen und mit sicherem Instinkt für ihre heiklen Temporelationen, dabei die Kulminationen schonungslos grell zuspitzend. Das Adagietto ein unsentimentales Gedicht größter Zärtlichkeit, und die ganze Sinfonie ein Versprechen auf die Zukunft, bei dem ihm die Philharmoniker ihm mit großem Einsatz folgten. Den Applaus des Publikums, das nach 2 1/2 Stunden in weiten Teilen etwas ermattet war, nahm Ettinger klaren Blicks entgegen. Und vielleicht auch ein bisschen stolz. (Mannheimer Morgen)

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