Mahlers Sinfonien mit Jonathan Nott und den Bamberger Symphonikern

01.
Aug.
2016

Auf Leben und Tod

0812973016700In diesem Sommer verlässt Jonathan Nott die Bamberger Symphoniker, die er 16 Jahre geleitet hat. Eine lange Zeit, in der der Engländer das Orchester zu einem international gefragten Klangkörper geformt und sich dabei vor allem als hoch kompetenter Mahler-Dirigent profiliert hat. 2003 startete mit der Fünften die Einspielung sämtlicher Mahlersinfonien, die 2010 mit der Aufnahme der Sechsten und Achten abgeschlossen wurde; die beim Label Tudor bisher einzeln erschienenen Hybrid-SACDs sind nun als 12er-Box zum günstigen Preis erhältlich.

Die Anzahl der Mahler-Kompletteinspielungen insgesamt ist ja überschaubar – zu groß sind die Anforderungen, nicht nur was die Besetzung anbelangt, als dass sich ein solches Unternehmen im sinfonischen Routinemodus erledigen ließe. Und wenn man die Aufnahmen von Leonard Bernstein, Klaus Tennstedt, Pierre Boulez oder Michael Tilson Thomas gemeinhin zu den Referenzen zählt, so ist diese Neueinspielung geeignet, ihnen diesen Rang streitig zu machen. Die technische Brillanz der Bamberger, die mittlerweile auf Spitzenorchesterniveau spielen, ist dafür Voraussetzung, doch wäre bei Mahler damit allein noch nichts gewonnen. Entscheidend ist, dass es Jonathan Nott gelingt, in jedem Takt deutlich zu machen, dass es in Mahlers Musik immer um alles geht: um Leben und Tod, um Gott, Natur und die Unendlichkeit.

Nott ist ein Partiturdurchleuchter wie Boulez, aber mit dem Herzblut und der Leidenschaft eines Bernstein, ohne dabei zusehr in Pathos zu verfallen – so könnte man seinen Zugang zu Mahler charakterisieren. Dabei vermittelt er eine Unbedingtheit des Ausdrucks, die in Partiturkenntnis gründet: Alles ist hier klar strukturiert, noch die letzte Nebenstimme erscheint bewusst gestaltet. Die Dringlichkeit des Tons findet sich in jeder der neun Sinfonien (auf das Adagio der Zehnten hat Nott verzichtet). Den ersten Satz der Sechsten etwa entwirft Nott als erschütterndes Pandämonium, getragen von einem unerbittlich drängenden Marschrhythmus, den die Holzbläser mit giftigen Einwürfen spicken. Eine existenzielle Erfahrung von Bitternis und Leid, wie der Kopfsatz der Fünften, zu der die Transzendenz der zweiten oder dritten Sinfonie den Kontrapunkt bildet. Gerade im Finale der Dritten beweist Nott auch seine außergewöhnliche Fähigkeit, Phrasierungsbögen über knapp halbstündige Sätze zu spannen: inniger, verklärter metaphysischer hat man dieses Adagio (wie auch das Schlussadagio der Neunten) wohl nie gehört! Die insgesamt hochklassige Sänger- und Chorbesetzung und die exzellente Tontechnik runden das Bild ab.

Gustav Mahler. The 9 Symphonies. Bamberger Symphoniker. Jonathan Nott. TUDOR 1670. 12 CDS.

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