Das erste Konzert des SWR Symphonieorchesters

24.
Sep.
2016

Wortloser Einstand

Seit Wochen schon prangt der neue Name in Stuttgart großlettrig auf städtischen Plakatwänden, an Bushaltestellen und Litfasssäulen: „SWR Symphonieorchester“- so heißt der neue Klangkörper des Südwestrundfunks, gebildet aus den beiden zwangsfusionierten Funkorchestern aus Baden-Baden/Freiburg und Stuttgart. Und da die umständlichen Ortsbezeichnungen nun wegfallen, so mag man sich beim SWR gedacht haben, kann man dem neuen Orchesternamen durch die altmodische Schreibweise auch einen zusätzlichen Buchstaben gönnen.

Wobei es eine vergleichweise leichte Aufgabe gewesen sein dürfte, aus einer Sinfonie eine Symphonie gemacht zu haben. Denn die Widerstände waren bekanntlich riesig, als der SWR-Intendant Peter Boudgoust vor fünf Jahren verkündete, dass er aus Spargründen die beiden Rundfunkorchester zusammenlegen wollte. Eine Welle der Empörung ging durch die Republik, von kukturellem Kahlschlag war die Rede, es gab Demonstrationen und Unterschriftenaktionen. 148 Komponisten richteten einen offenen Brief an Boudgoust, und als es schließlich nur noch darum ging, wo der zukünftige Sitz des neuen Orchesters sein sollte, flogen Giftpfeile von Stuttgart nach Freiburg und zurück. Dabei wurde leicht vergessen, dass Boudgoust durchaus gute Gründe für sein Vorhaben hatte: 166 Millionen muss der SWR bis 2020 einsparen, speziell beim Kultursender SWR2 wurde und wird massiv gestrichen. Angesichts dessen war es auch innerhalb des SWR schwer vermittelbar, dass ausgerechnet die gut bestallten Orchester ungeschoren davon kommen sollten – zumal der ureigene Auftrag eines Rundfunksenders darin besteht, Programm zu machen und nicht Orchester zu unterhalten.

Trotz aller Anfeindungen, denen Boudgoust ausgesetzt war – er wankte nicht, verteidigte sein Vorhaben und zog es bis zuletzt eisern durch. Mit Johannes Bultmann installierte er 2013 einen Manager, der die Fusion intern abwickelte. Da der SWR vertraglich zusicherte, dass es keine Kündigungen geben würde, sind beim neuen Orchester nun viele Positionen über das übliche Maß hinaus mehrfach besetzt. Statt wie bisher zwei, hat das neue Orchester vier alternierende Konzertmeister, ähnlich sieht es bei den Bläsern aus. Mit 175 Mitgliedern ist das neue SWR Symphonieorchester derzeit gar das größte Orchester Deutschlands, bis zum Ende der Fusionsphase soll es auf 119 Stellen abgeschmolzen sein.

Bei einer solch üppigen Personalausstattung darf auch bei den Programmen geklotzt werden – und so war es nicht verwunderlich, dass man für das erste Konzert des neuen Orchesters im Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle Gewichtiges aufs Programm setzte. Opernadaptionen der finnischen Komponistin Kaaija Saariaho und das Adagio aus Mahlers zehnter Sinfonie bildeten die erste Hälfte, danach gab es das Violinkonzert DoReMi von Peter Eötvös, der auch das Konzert dirigierte, am Ende noch Belá Bartóks „Der Wunderbare Mandarin“. Ein so ambitioniertes wie anstrengendes Programm, mit dem wohl das Leistungsvermögen des neuen Orchesters bewiesen werden sollte. Dazu wurde der Beethovensaal lichttechnisch mächtig aufgerüstet. Die Hallendecke war gesprenkelt mit Scheinwerfern, die die Bühne in ein grünrot changierendes Licht tauchten, offenbar wollte man auch jenen was bieten, die das Konzert zuhause im Fernsehen oder gestreamt im Internet verfolgten – und was vermittelt sich schon rein akustisch über PC-oder Fernsehlautsprecher von dem, was im Saal zu hören ist? Der Aufwand war insgesamt also beträchtlich, und umso merkwürdiger erschien der Umstand, dass sich offenbar kein SWR-Verantwortlicher berufen fühlte, zu Beginn des Abends wenigstens ein kleines Begrüßungswort ans Publikum zu richten. Auch das Programmheft ging mit keiner Silbe darauf ein, man schien fest entschlossen so zu tun, als sei dies irgendein Abokonzert und nicht die Feuertaufe eines neuen Klangkörpers.

Die freilich hat das neue Orchester weitgehend bestanden. Technisch war das Konzert auf dem erwartbar hohen Niveau, dass es klanglich noch ebenso Entwicklungspotential gibt wie was die Flexibilität des Zusammenspiels betrifft, liegt auf der Hand. Da muss noch zusammenwachsen, was (zumindest ab jetzt) zusammengehört. Was Agogik anbelangt, riskierte deshalb Peter Eötvös klugerweise nicht allzuviel und hielt das Orchester lieber an der kurzen Leine, was nur beim etwas belanglos dahingespielten Mahler negativ ins Gewicht fiel. Es war dann die moldawische Geigerin Patricia Kopatchinskaja, die mit ihrem mitreißenden Auftritt bei Eötvös´ Violinkonzert nicht nur das bei Mahler schon teilweise leicht eingenickte Publikum von den Sitzen riss, sondern auch schlagartig deutlich machte, was noch fehlt beim neuen SWR Symphonieorchester: Herzblut und Leidenschaft über bloße Dienstausfüllung hinaus. Es wäre am neuen Chefdirigenten, so er irgendwann gefunden sein wird, hier das Feuer zu entfachen. (Südkurier)

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