Beiträge im Archiv Januar 2017

Einakter von Carter und Puccini im Wilhelma Theater

29.
Jan.
2017

Rocky Horror Puccini Show

Wie schön, dass es das Wilhelma Theater gibt. Ein schnuckeliges Opernhaus im Bonsaiformat, mit Bühnentechnik und was sonst noch dazugehört und im Gegensatz zum Haus am Eckensee von keinerlei altersbedingtem Verfall gezeichnet. Damit ist es ein Glücksfall für die Studenten der Musikhochschule, die hier Bühnenerfahrung sammeln können, und dass man sich um den Opernnachwuchs keine Sorgen zu machen braucht, zeigt die aktuelle Produktion mit zwei Einaktern von Elliott Carter und Giacomo Puccini. Eine Vielzahl brillanter junge Sängerinnen und Sänger sind hier zu hören, (alle namentlich zu erwähnen fehlt hier der Platz), die neben vielversprechenden Stimmen auch über erstaunliche darstellerische Qualitäten verfügen – ja, künstlerisch ist die Produktion nicht zuletzt wegen Bernhard Epsteins souveräner musikalischer Leitung auf einem Niveau, das manchem Opernhaus gut anstehen würde. Das gilt vor allem für Puccinis Buffooper Gianni Schicchi. Die Posse um den Erbschwindler, der das Testament des verstorbenen Buoso Donati zu seinen eigenen Gunsten ändern lässt und dabei dessen Verwandtschaft an der Nase herumführt, hat Bernd Schmitt als fulminante Trashrevue auf die Bühne gebracht, mit einem Arsenal herrlich schräger Typen und szenisch angesiedelt irgendwo zwischen Calixto Bieito und der Rocky Horror Picture Show. Alle sind hier völlig fertig, alle denken nur an die Kohle, und mit Sentimentalitäten halten sie sich schon gar nicht auf: bei Laurettas Arie „O mio babbino caro“ müssen sie sich übergeben. Das ist derart temporeich und witzig inszeniert dass das Publikum am Ende vor Entzücken johlt, und dann hat man auch den ersten Teil des Abends mit Elliott Carters „What next?“ schon fast wieder vergessen, der in einer Art Pathologie spielt, wo alle auf englisch atonal durcheinander singen. Trotz Kenntnis des Programmhefts kann man da allenfalls vermuten, worum es gerade geht, irgendwie um Identität und die Unbehaustheit des modernen Menschen. Muss man mögen, sowas.

Weitere Aufführungen heute bis zum 16.02.

Tzimon Barto spielte mit dem SWR Symphonieorchester

20.
Jan.
2017

Mozart mit Zuckerguss

Der SWR unternimmt viel für sein neues Symphonieorchester. „ESCHENBACH BARTO“ liest man seit Wochen auf Plakatwänden, nicht zuletzt auch im Web ist der Sender aktiv, und entsprechend gut besucht war dann auch das Abokonzert am Donnerstag im Beethovensaal. Dass im Publikum auffällig viele Jüngere waren, dürfte die Verantwortlichen umso mehr freuen. So groß der Enthusiasmus aber derzeit noch ist – dieses Konzert gab Anlass zur Sorge, dass die Begeisterung auch schnell wieder verfliegen könnte, denn künstlerisch wurden die geschürten Erwartungen nicht eingelöst. Am erfreulichsten war noch die nach der Pause gespielte achte Sinfonie Beethovens, die Christoph Eschenbach mit großem rhythmischem Drive dirigierte, dramatisch geschärft und gestisch derart animierend, dass sich auch das Orchester von seinem Elan anstecken ließ. Ja, man meinte gar eine Art Befreiung spüren zu können nach den Strapazen der ersten Hälfte, in der Tzimon Barto gleich drei Stücke für Klavier und Orchester gespielt hatte und dabei Eschenbach Meinung, der Amerikaner sei der „großartigste Pianist von allen“ nicht unbedingt belegen konnte. Schon in Mozarts Rondo KV 368 irritierte Barto mit einem sich in Einzelheiten verlierenden, rubatoverliebten Spiel an der Grenze zur Manieriertheit. In Verbund mit dem von Eschenbach angeschlagenen getragenen Tempo ergab das einen Mozart mit Zuckerguss, wie man ihn in solcher Verzopftheit lange nicht gehört hat. Wolfgang Rihms Klavierkonzert Nr. 2 hatte Barto einst uraufgeführt, doch so reich das Stück auch an beredten Interaktionen zwischen Solist und Orchester ist, so ausufernd erscheint es in seiner unerschöpflich wuchernden melodischen Fülle, sodass am Ende nicht nur der Solist von Erschöpfung gezeichnet war. Richard Strauss´ geniales Jugendwerk, die Burleske d-Moll schließlich zerfiel unter Bartos hantelgestählten Händen in lauter beziehungslose Einzelteile – dabei traktierte er den Flügel mitunter derart massiv, dass man um dessen Wohlergehen fürchten musste. Und dieser Pianist ist „artist in residence“ in dieser Saison!