Ute Lemper im Theater am Forum in Ludwigsburg

21.
Feb.
2017

Natürlich sieht sie fabelhaft aus. Ute Lemper trägt ein langes schwarzes Kleid, ärmellos und unten geschlitzt, das rotbraune Haar fällt ihr über die schmalen Schultern. Ein bisschen Vamp, ein bisschen Diva, elegant und formvollendet. „Stadtkind“ heißt das Programm, mit dem sie im voll besetzten Ludwigsburger Forum auftritt, und das passt – denn tatsächlich ist die 53-Jährige gebürtige Münsteranerin in den Metropolen der Welt groß geworden. In Paris spielte sie im Musical „Cats“, in London in „Chicago“, am Broadway in New York wurde sie gefeiert, nebenbei hat sie mit berühmten Regisseuren gedreht. Eine vergleichbare Karriere hat als Deutsche vielleicht nur noch Marlene Dietrich gemacht.
Paris ist ihre erste Station an diesem Abend, und das gleich mit „Milord“, einem der berühmtesten Piaf-Lieder über ein armes, aber im Herzen reiches Hafenmädchen, das dem feinen, aber unglücklichen Herrn Trost anbietet und sich dabei doch vorkommt wie ein „ombre de la rue“ – ein Schatten auf der Straße. Nicht leicht, aus dem Stand die passende Stimmung dafür zu schaffen, doch Ute Lemper legt sich ins Zeug, fächelt Rauch in die Vokale, geht an ihre stimmlichen Grenzen fast bis zum Krächzen. Das wirkt leicht forciert, doch das Kalkül geht auf. Das Publikum ist elektrisiert, der Bann gebrochen und das bleibt so bis zum Ende. Aber zunächst geht es nach Berlin. Mit den Liedern von Kurt Weill und Hanns Eisler wurde Ute Lemper bekannt, und den Diseusenton, das Changieren zwischen Singen und Deklamieren hat sie perfektioniert. Bei „Mackie Messer“ lässt die „R“ genüsslich über die Gurgel rollen, nicht ohne zuvor ein paar Bemerkungen über Donald Trump gemacht zu haben, der, was man kaum abstreiten kann, für das aktuelle Ganoventum stehe. Vor jedem Stück macht Ute Lemper eine kleine Einführung, was auch angebracht ist: Potpourriprogramm wie dieses können, dramaturgisch nur notdürftig zusammengehalten, leicht ins Beliebige abdriften. Auf Weills „Song von Mandeley“ folgt Eislers düsteres Chanson „Graben“ mit Tucholskys Text über das Sterben der Soldaten, und die Eindringlichkeit, mit der sie das singt, geht durch Mark und Bein. Der Applaus brandet wieder auf nach „Cabaret“, das sie mit ihrer ganzen Routine und Bühnenpräsenz hinlegt. 1987 sang sie die Rolle der Sally Bowles im Pariser Theater Mogador, das Abend für Abend ausverkauft war, „tout Paris“ lag der damals 23-Jährigen zu Füßen, selbst Liza Minelli, die eine Vorstellung besuchte, soll begeistert gewesen sein. Sie „fegt, tanzt und röhrt“ schrieb damals Hellmuth Karasek im Spiegel, und das tut sie heute noch immer, wobei ihr entgegenkommt, dass sie mit der Kammerakademie Potsdam ein Orchester im Hintergrund hat, das vom Kammerorchester bis zur Big Band alle gewünschten Rollen übernehmen kann. Mit einem Gershwin-Medley geht es nach New York und es ist verblüffend, mit welcher Leichtigkeit Ute Lemper vom Musical- in den Jazzmodus wechseln kann. Nun kann sie plötzlich scatten und setzt mit ihre Stimme zu improvisatorischen Höhenflügen an, die den Vergleich mit etablierten Vertretern des Genres nicht zu scheuen braucht.
Was fehlt? Klar, Tango. So legt man nach der Pause einen kleinen Zwischenstopp in Buenos Aires ein, wo Astor Piazzolla mit „Yo Soy Maria“ wartet, bevor man zum Finale dorthin zurückkehrt, wo der Abend begonnen hat, nach Paris. Mit „Avec le temps“ von Léo Ferré kann man etwas über die Vergänglichkeit sinnieren, und in den folgenden drei Chansons von Jacques Brel wird deutlich, was eine große Künstlerin wie Ute Lemper neben ihren vokalen und darstellerischen Qualitäten auch auszeichnet: Persönlichkeit. Lieder wie „Ne me quitte pas“ macht sich sich völlig zu eigen, und auch in „Padam, Padam“ ist sie weit davon entfernt, eine bloße Piaf-Imitatatorin zu sein. Standing Ovations am Ende und „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ als Zugabe, das als Duett mit dem Pianisten beginnt und in einer Jam-Session endet. Großartig.

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