Portrait Kai Kluge

30.
Jan.
2018

Kai Kluge singt den Tamino in Mozarts „Die Zauberflöte“

Manchmal sind es Zufälle, die den Lebensweg bestimmen. Wer weiß, ob Kai Kluge eine professionelle Sängerlaufbahn eingeschlagen hätte, wären seine Eltern damals, als sie von Argentinien ausgewandert sind, nicht ausgerechnet in die Nähe von Calw gezogen. In dem Schwarzwaldstädtchen ist nämlich nicht nur Hermann Hesse geboren, dort sind auch die Aurelius Sängerknaben beheimatet, bei denen Kai Kluge mit sechs Jahren eingetreten ist – was wiederum kein Zufall war, trat er damit doch in die Fußstapfen seines acht Jahre älteren Bruders Daniel, der Kais großes Vorbild und schon lange Mitglied bei den Aurelius Sängerknaben war. Die sind hierarchisch straff organisiert. Nur die besten der Buben singen im Konzertchor, aus dem wiederum wenige Solisten rekrutiert werden. Die werden dann von internationalen Opernhäusern gebucht, speziell wenn es um die Besetzung der drei Knaben in Mozarts „Die Zauberflöte“ geht. Kai Kluge gehörte dazu. Und so war er schon als Schüler ziemlich viel unterwegs. Amsterdam, Edinborough, sogar nach Madrid ging einmal die Reise, wo er insgesamt sieben Wochen weilte. Ein Stimmbildner war dabei ebenso mitgereist wie ein Privatlehrer, schließlich durfte die Schule wegen des Singens nicht auf der Strecke bleiben. Bezahlt wurde der Aufwand vom Madrider Opernhaus, etwas Geld gab es für die Familie obendrein. „Die Eltern bekommen eine Pauschale für jede Aufführung,“ sagt Kluge, „die meisten legen es für die Kinder auf einem Konto an.“ Und das kann sich läppern, wenn man so viel unterwegs ist wie er. „Davon habe ich später meinen Führerschein bezahlt.“
An die achtzig Mal hat Kai Kluge den Knaben in der Zauberflöte gesungen. Mit 13, kurz vor seinem Stimmbruch, war er sogar bei der Uraufführung jener Inszenierung von Peter Konwitschny mit von der Partie, die am vergangenen Montag am Stuttgarter Opernhaus wiederaufgenommen wurde. Aber anstatt des Knaben singt der mittlerweile 28-Jährige Kai Kluge – dessen sängerisches Vorbild übrigens Fritz Wunderlich ist – darin jetzt den Tamino, eine der Hauptrollen der Oper. Für ihn geht damit ein Traum in Erfüllung. „Tamino ist eine der ersten großen Rollen, die als Ziel vor Augen hatte.“ Gelernt hat er seine Partie ziemlich rasch, was angesichts seiner Erfahrung kein Wunder ist. „Irgendwann habe ich die Oper komplett auswendig gekonnt. Alle Rollen, alle Dialoge, auch die Frauenpartien“. Konwitschnys Inszenierung mag er sehr. Dass es darin nie langweilig wird und auch der Humor nicht zu kurz kommt, das passt, findet Kai Kluge. Auch Mozart und Schikaneder seien schließlich keine Kinder von Traurigkeit gewesen.
Was auch für Kai Kluge gilt, der sich durchaus bewusst ist, dass seine Sängerkarriere bisher außergewöhnlich glatt verlaufen ist. Studium in Karlsruhe, dann ein Jahr Opernschule in Stuttgart und jetzt Ensemblemitglied. Davon können andere nur träumen. „Ich kann mich sehr glücklich schätzen“. Wobei die Zeit nach dem Stimmbruch erst mal hart war. „Man hat plötzlich eine komplett andere Stimme. Die Gesangstechnik musste ich wieder neu erlernen“.
Was die Erfahrungen aus seiner Zeit als Aurelianer anbelangt, so sind sie für Kai Kluge vor allem deshalb enorm wichtig, als der Umgang mit der Bühnensituation, anders als für viele andere junge Sänger, für ihn nie ein Problem war. Wer
schon als Knirps über hundert Mal auf einer großen Opernbühne gestanden hat, den kann später wenig schrecken.
Auch den Entschluss Profisänger zu werden hatte er noch in seiner Zeit als Sängerknabe gefasst. In Frankfurt sang er den Hirtenknaben in Puccinis „Tosca“. Danach war er sich sicher: das will er sein Leben lang machen. Seitdem ist Cavaradossi seine Traumrolle als Tenor. „Ein Mann, der sich hinstellt, vor nichts Angst hat. Es dauert noch ´ne Weile, aber irgendwann möchte ich den singen.“
Den Umstand, dass sein Bruder Daniel ebenfalls als Tenor an der Oper Stuttgart engagiert ist – seit 2010 ist er Ensemblemitglied – hält Kai Kluge für „einen Riesenzufall und ein Riesenglück“. Äußerlich sind sich beide recht ähnlich – Kai trägt die Haare etwas wuscheliger als Daniel – stimmlich hat der Ältere etwas mehr Metall und Kraft in der Stimme als Kai, der eine eher lyrische Stimmfarbe besitzt, die damit ideal für Mozart ist. Was die Rollenbesetzung anbelangt, dürften sie sich so kaum in die Quere kommen, und auch sonst hat ihr Verhältnis nicht
dadurch gelitten, dass sie nun denselben Arbeitgeber haben. Ganz leicht ist Kai Kluge die Entscheidung dennoch nicht gefallen, an dasselbe Haus wie sein Bruder zu gehen, zumal er auch ein Angebot der Karlsruher Oper hatte. Aber sein Gesangsprofessor habe ihm zugeraten. „Kai“, habe er gesagt. „Türen gehen auf und wieder zu. Wenn Du jetzt nicht durchgehst und es läuft später nicht gut, denkst Du vielleicht: Ich bin da nicht hin, weil mein Bruder da war. Und ich hab mich geopfert für ihn.“ (STZN)

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