Beiträge der Kategorie ‘Komik und Kabarett’

Ralf König in der Stadtbücherei Stuttgart

18.
Sep.
2020

Klare Worte

Dass ausgerechnet er einmal ins Visier der Queer-Szene kommen würde und als transphob und rassistisch abgestempelt würde, hat sich Ralf König wohl nicht träumen lassen. Doch im letzten Jahr erhielt König, der mit seinen millionenfach verkauften Schwulencomics beträchtlich zur Emanzipierung homosexueller Männer beigetragen hat, eine Nachricht des Brüsseler LGBTQI-Zentrums Rainbow House. Für diese hatte er 2015 ein Wandgemälde mit seinen typischen Knollennasenfiguren einschließlich einer rotlippigen Dragqueen und einer schwarzen Lesbe erstellt, an dem jahrelang niemand Anstoß genommen hatte. Dann aber wurde sein Bild von Rainbow-Aktivistinnen mit den Worten „transphobia“ und „racism“ besprüht – zusammen mit dem Vorwurf, die Darstellung der beiden Figuren habe „ihren Ursprung in rassistischen und kolonialistischen Bildern“ samt der Aufforderung an König, die entsprechenden Figuren seines Bilds zu übermalen.
Der hatte das vehement abgelehnt – lieber, schrieb er zurück, sollten sie gleich sein ganzes Bild entfernen. Es sei ja ihre Wand.
Doch wenn der mitterweile 60-Jährige bei seiner Lesung in der Stuttgarter Stadtbücherei – gleichzeitig die Eröffnungsveranstaltung der Stuttgarter Comic-Tage – davon erzählt, spürt man, wie sehr er mit dieser Entwicklung hadert, steht sie doch diametral dem entgegen, was einmal das Anliegen vieler war, die sich nicht der heterosexuellen Mehrheit zugehörig fühlen. Früher, so König, sei es in der Szene um Befreiung gegangen, heute würden sich manche Gruppen gegenseitig bekriegen. Aber König wäre nicht König, wenn er sich dem widerstandslos ergeben würde, im Gegenteil: er plane, so erzählt er, einen Comic, von dem sich alle möglichen Randgruppen gleichermaßen beleidigt fühlen könnten.
Angst hat König also keine. Und klare Worte waren ohnehin schon immer sein Ding, das wird während des knapp dreistündigen Abends im coronagemäß dünn besetzten Vortragssaal der Stadtbücherei deutlich. Nach dem Streit um die Mohammed-Karikaturen veröffentlichte er unter dem Titel „Dschinn Dschinn“ islamkritische Cartoons, und schon mit 19 hatte der frühere Schreinergeselle mit seinem Outing manche seiner Kollegen geschockt, als er seine Homosexualität mittels eines an die Hobelbank geheftenen Zettels öffentlich machte: „Schwul zu sein, bedarf es wenig, ich bin schwul und heiß´ Ralf König!“
Man bekommt viel zu sehen an dem Abend, der nichts weniger als eine Werkschau aus vierzig Jahren ist. Aus vielen seiner Bücher und Hefte zeigt König Ausschnitte, darunter auch Teile jenes heute vergriffenen Frühwerks, das er Anfang der 80er Jahre für Schwulenmagazine wie „Rosa Flieder“ gezeichnet hat. Über einen Laptop steuert König die Bildauswahl, die Dialoge liest er mit verstellter Stimme vor, was authentisch wirkt und die Rezeption steuert. So lachen alle gleichzeitig, und zu lachen gibt es viel, selbst wenn manche Zeichnungen auf zart besaitete Büchereibesucher verstörend wirken könnten. Letztlich werden aber auch Schwule älter. In „Herbst in der Hose“ hat sich König auch damit auseinandersetzt. Wenngleich – was ihn selber betrifft, so brauche man sich in dieser Hinsicht keine Sorgen zu machen.

„Die Pochers hier!“ auf dem Kulturwasen

14.
Jun.
2020

Wasendisco mit Olli

Gegen Viertel nach Neun rückt der Servicemann an, eine Autobatterie hat schlappgemacht. Zwei Stunden Radiobetrieb, das kann betagte Akkus schon mal in die Knie zwingen. 106,8 ist die UKW-Frequenz, die man einstellen muss, um auf dem Kulturwasen den Ton von der Bühne hören zu können, auf der Oliver Pocher und seine Frau Amira ihren Podcast aufzeichnen. Mit um die 1000 Autos ist der Wasen ausverkauft. Wer weiter hinten geparkt hat auf dem riesigen Areal, kann das auf einem Sofa sitzende Ehepaar Pocher praktisch nur auf dem riesigen Bildschirm neben der Bühne sehen. Bild vom Monitor, Ton über Lautsprecher – da könnte man fragen, was das Ganze eigentlich noch von einem Fernsehabend unterscheidet. Das weiß auch Pocher, der deshalb zum Warming-up mit einem E-Roller durch die Reihen kurvt und sich auf einem Autodach stehend knipsen lässt.
Seine Beliebtheit verdankt Pocher vor allem seiner Präsenz in sozialen Medien, die Zahl seiner Follower auf Instagram geht in die Millionen. Besonders beliebt sind die Clips, auf denen er Influencer- und Promibashing betreibt, und so bestreitet er auch einen Großteil dieses Abends damit, über Ex-Bacheloretten wie Yeliz Koc oder sogenannte Instragram-Muttis wie Janine Wiggert herzuziehen. Allerdings ähneln sich deren Online-Inszenierungen letztlich so sehr wie die mögliche Kritik daran, was auch Pocher auffällt: „Das ist doch immer dieselbe Kacke!“ Amira fragt sich, was „die Lebensleistung“ dieser Leute sei, die doch den ganzen Tag nichts täten als schminken und posieren. Im Gegensatz zu ihnen: „Wir machen ja noch Sendungen auf RTL“.
Die Eheleute Pocher, das merkt man, sind ein eingespieltes Team, Dispute über Geschmacksfragen („Immer musst Du was rauspicken bei meinem Outfit!“) wirken ebenso souverän inszeniert wie das gemeinsame Ablästern über Pochers Lieblingsfeind Michael Wendler. Als dann der Überraschungsgast auf die Bühne kommt, die Tänzerin und Jurorin der RTL-Show „Let´s dance“, Motsi Mabuse, redet man aus aktuellem Anlass etwas über Rassismus, bevor es zum Finale Musik aus der Konserve gibt. Die Wasendisco mit Olli startet mit „Lambada“. Motsi Mabuse schwingt die Hüften, noch batteriestarke Autos klinken sich warnblinkleuchtend mit ein. Oliver Pocher erklimmt abermals ein Dach. „Baby One more Time“ singt Britney Spears zum Abschied, das passt: am 15. August sind die Pochers wieder auf dem Kulturwasen.

Wigald Boning im Renitenztheater

13.
Mrz.
2020

Ski Heul

Diaabend. Die älteren unter den Lesern wissen noch, was das ist, und wer einmal einen erlebt hat, dem dürfte sich dessen Atmosphäre eingebrannt haben. Das Einrastgeräusch des Magazins, wenn per – kabelgesteuerter – Fernbedienung ein neues Dia in den Lichtstrahl geschoben wurde. Das Summen der Projektorkühlung im verdunkelten Zimmer. Und natürlich die typischen Kommentare wie „Das rechts hinten ist Onkel Ebbi“, wenn wieder ein Urlaubsbild in grisseligen Farben auf der Raufaserwand erschien – sofern es nicht auf dem Kopf stand, weil Tante Hildegard es mal wieder falsch herum einsortiert hatte.
Einiges an dem Gastspiel von Wigald Boning im Renitenztheater erinnert an dieses ausgestorbene Ritual der vordigitalen Ära. „Worum geht’s hier heute abend? Sport!“ macht Boning zur Begrüßung klar, die Leidenschaft dafür habe er von „seinen Eltern in die Wiege gelegt“ bekommen. Als Beleg habe er „ein paar Bilddokumente“ dabei, doch als er diese auf die rechts oben am Bühnenhintergrund aufgebaute Leinwand projizieren will, streikt erst mal die Technik. Boning drückt vergeblich auf der Fernbedienung herum, „das ist die Coronakrise“. Ein Techniker kann helfen, und man sieht: Kinderbilder. Wigand als Baby, kopfunter an der Hand der Mutter hängend. So, feixt Boning, habe er die ersten Monate zugebracht. Dann Bilder des Knirpses im Kopfstand am Ostseestrand, in der Grundschule in Oldenburg, im Schwimmbad, beim Wandern mit Papa. Boning kommentiert das äußerst launig. Und auch wenn er mitunter vom Hölzchen aufs Stöckchen kommt, fühlt man sich gut unterhalten.
Ohne seinen Promistatus aber wären viele von Bonings biografischen Anekdoten deutlich weniger interessant. Etwa, dass sein Opa Eiergroßhändler war („er hat mit zwei Eiern angefangen und daraus ein großes Imperium gemacht“) und die Ernährung der Familie deshalb hauptsächlich aus „Knickei“, also beschädigten Eiern, bestanden habe. Irgendwann biegt Boning thematisch ab, schließlich soll sich der Abend, wie angekündigt, um Sport drehen. Er schildert seine kurze, erfolglos gebliebene Karriere als Diskuswerfer in der Schulzeit, nach der Sport einige Jahre keine Rolle spielte. Und wie sich das im Jahr 2000 auf einen Schlag geändert hat: als er im Fernsehen verfolgte, wie die zwei Jahre ältere Heike Drechsler bei der Olympiade in Sydney die Goldmedaille im Weitsprung gewann. Da, so Boning, sei es vorbei gewesen mit der Lethargie. Er begann mit Laufen. Zunächst kleine Runden um das Müllkraftwerk im heimischen Oldenburg, dann eine Stunde am Stück. Auf der Leinwand zeigt er dazu die Eintragungen in seinem Trainingstagebuch. Auch die täglich gerauchten Zigaretten sind darin vermerkt.
Richtig spannend wird der Abend, als Wigald Boning erzählt, wie sich der wachsende sportliche Ehrgeiz mit seinem Hand zu Skurrilität gepaart hat. Nach der mehrfachen erfolgreichen Bewältigung der Marathondistanz etwa kam er auf die Idee, die gut 42 Kilometer mal in Holzschuhen zu laufen. Oder die Alpen nicht mehr mit dem Fahrrad – das kann ja jeder -, sondern mit einem Tretroller zu überqueren. Ein anderes Mal joggte er 100 Kilometer im Dauerregen, wobei er sechs seiner Fußnägel einbüßte. Körperliche Strapazen, so scheint es, können ihn aber ohnehin nicht mehr schrecken. Im Gegenteil: Boning erfand neue Wettkämpfe wie den 24-Stunden-Skilanglauf „Skiheul“ – zu dem sich aber nur zwei Teilnehmer angemeldet hatten. Und selbst eine ihm ursprünglich verhasste Disziplin wie das Schwimmen trieb ihn zu kuriosen Rekordjagden an, kulminierend in der denkwürdigen Durchquerung des Bodensees, die dem Programm ihren Namen gab: „Wie ich Weltmeister im Langsamschwimmen wurde“. Von der ursprünglich avisieren Durchquerung des Ärmelkanals hat Boning abgesehen. Zunächst.

Das neue Programm „Tollhouse“ im Stuttgarter Varieté

08.
Mrz.
2020

Pas de deux mit Skelett

Das kann ja heiter werden. „Preußisches Entertainment“ kündigt der Moderator namens Hieronymus bei der Premiere des neuen Programms „Tollhouse“ im Stuttgarter Varieté an. Und das, so begreift man rasch, ist keine leere Drohung. „Haben Sie das verstanden?“ bellt er ins Publikum, wenn dessen Auffassungsgabe seiner Meinung nach mal wieder nicht schnell genug ist, der Lacher eines Besuchers wird mit „Weiß das der Heimleiter, dass Sie heute abend hier sind?“ quittiert. Wenn es so etwas wie impertinenten Charme gibt, dann beherrscht ihn dieser Herr mit dem übergroßen Zylinder jedenfalls ziemlich gut. Und dass Hieronymus´ fein dosierte Unverschämtheiten vom Publikum im Laufe des Abends mit wachsendem Vergnügen goutiert werden, hat wohl auch damit zu tun, dass sich der Zuchtmeister bei seinen Einlagen mit allerlei Spielkarten und Würfeln auch als begabter Taschenspieler erweist.
Zauberei ist eine Zutat eines typisches Varietemenus. Die anderen sind Comedy und Artistik, und gerade was letzere anbelangt bietet dieses Programm Spektakuläres. Wie der Auftritt von „The Amazing Other“, wie sich das Artistenduo aus dem Norweger Eivind Øverland und der Dänin Lalla La Cour nennt. Die kamen auf die Idee, eine Trapeznummer mit einer Wrestlingshow zu verbinden, bei der sich in beträchtlicher Höhe ein bärtiger Grobian im Wikingerlook und eine Kampfamazone abwechselnd in die Weichteile treten und sich im Duett durch die Luft schwingen.
Fliegen können, der ewige Traum. Tatsächlich besteht ein großer Teil der Anziehungskraft von Zirkus und Artistik schon immer darin, die dem Menschenkörper gesetzten Grenzen zu überschreiten und die Gesetze der Schwerkraft zumindest in der Illusion aufheben zu können. Helena Jans heißt da die muskelbepackte Lady, die sich scheinbar schwerelos mit Hilfe zweier Stoffbänder um die eigene Achse drehen kann und dabei so anmutig wirkt. Im zweiten Teil des Programms hat sie sich einen Kompagnon auf die Bühne geholt, ein klappriges Skelett namens Oscar. Nach einem Präludium auf dem Sofa schwingt sie sich mit dem Knochenmann in die Höhe und die beiden tanzen, begleitet von romantischer Musik, einen Pas de deux der Lüfte.
Ob man das nun poetisch oder kitschig findet, dürfte Geschmackssache sein. Spätestens hier zeigt sich aber ein grundsätzliches Problem, vor dem ein Regisseur wie Ralph Sun bei der Planung eines solchen Abends steht. Denn die Artisten sind ja nicht am Haus engagiert, sondern touren mit ihren Programmen um die Welt. Um den Eindruck eines bloßen Potpourris zu vermeiden gilt es also, die meist fest konzipierten Acts in einen thematischen Rahmen einzubinden. Auftretende Ecken und Kanten können gegebenfalls moderativ geglättet werden. Für „Tollhouse“ hatte Ralph Sun die Idee, die zehn Künstler als Mitglieder einer Wohngemeinschaft in ein dezent heruntergekommenes Wohnungsambiente zwischen Sofa und Küche zu stellen – was mal besser, mal weniger gut funktioniert. Wenn Hieronymus die gänzlich ironiefreie Luftnummer von Helena und Oscar mit den Worten abmoderiert, das Skelett sei ein „ehemaliger WG-Bewohner“, ohne dessen Rente „man sich das alles nicht leisten könnte“, knirscht es vernehmlich im dramaturgischen Getriebe.
Was dann aber insofern nicht nachhaltig stört, als die meisten Künstler allein für sich überzeugen. Kai Hou, der 2018 auch in der RTL-Show „Supertalent“ zu sehen war, ist ein Meister in der Disziplin des Hoop Diving: mit einem Anlauf springt der Chinese wie eine Art menschlicher Gummiball rückwärts durch einen in zwei Meter Höhe gehaltenen Reifen – und wer das nicht gesehen hat, kann es kaum glauben, zumal Hou, anders als die Hochspringer der Leichtathletik, von eher kleiner Statur ist. Man mag sich lieber nicht vorstellen, was passieren würde, wenn Hou – der auch den Guinessrekord im Rückwärtssalto hält: fünfzig in einer Minute – mal den Reifen verfehlen würde.
Da bewegt sich Taras Nadtochii, ebenfalls ein ehemaliger „Supertalent“-Kandidat, in sichereren Gefilden, wenn er die Beine derart hinterm Kopf verschränkt, dass er sich mit dem Schuhabsatz am Ohr kratzen könnte. So spektakulär das ist, Ähnliches hat man doch schon etliche Male gesehen, ebenso wie die Jonglagen mit Hüten und Keulen, die Guillermo León neben einigen durchwachsenen Comedyeinlagen zeigt. Wirklich lustig zu sein, das zeigen auch die etwas platten Auftritte von Faeble Kievman als dickem Quatschkopf, ist eben gar nicht so einfach. Am besten gelingt es an diesem insgesamt unterhaltsamen Abend dem fabelhaften Duo „Strange Comedy“. Shelly Kastner und Jason McPherson, die auch privat ein Paar sind, ironisieren dabei das klassische Duo „Artist und Assistentin“ auf so poetische wie witzige Weise, dass man aus dem Glucksen gar nicht mehr herauskommt. Das ist großes Können, gepaart mit dezentem Understatement. Die beiden würde man in jeder WG gerne als Mitbewohner haben.

„Pornosüchtig“ in der Rosenau

17.
Feb.
2020

Kekse, Milch und Vaseline

„Mal ehrlich“, fragt Boris Rosenberger ins Publikum, „wer schaut regelmäßig Pornos?“ Eine Hand hebt sich zaghaft in der voll besetzten Rosenau. Das, so Rosenberger, sei ja verständlich, vor allem, wenn man mit einem Mädchen da sei, und fordert die Männer auf, ihm im Zustimmungsfall diskret zuzuwinkern – was dann offenbar viele tun. Pornografie, Statistiken belegen es, ist ein Massenphänomen. Mehr als die Hälfte aller männlicher Jugendlichen konsumiert mindestens einmal in der Woche Pornofilme. Sind sie aber damit auch pornosüchtig?
Der 11-jährige Michael ist es auf jeden Fall, seitdem er im Keller die 96 Videokassetten seines Vaters entdeckt hat, der nach der Scheidung ausgezogen ist. In dem Ein-Personen-Stück „Pornosüchtig“, das seit einigen Jahren erfolgreich im Hamburger Schmidt Theater läuft und nun in der Rosenau Premiere hatte, spielt Boris Rosenberger diesen Michael, für den das Pornogucken rasch zu einem Ritual wird. Mit einem Glas Milch, Keksen und Vaseline ausgestattet, setzt er sich nach der Schule vor den Videorekorder und sieht sich Sexfilme an. Stundenlang. Dass dies, vor allem, was sein Verhältnis zu Frauen anbelangt, nicht ohne Folgen bleibt, liegt auf der Hand. Sex, so Michaels feste Überzeugung, kann man jederzeit und mit allen Frauen haben, egal ob es Krankenschwestern, Lehrerinnen oder Bauerntöchter sind. Folgerichtig versucht er als 12-Jähriger, Frau Rodriguez, seine spanische Putzfrau, zu verführen – nach der Methode, die er durch seine Filme gelernt hat. Er räkelt sich entkleidet auf dem Sessel und ruft der staubsaugenden Putzfrau zu, bitte nicht hereinzukommen: „Ich bin nackt!“. In den Pornofilmen, so der permanent die Rolle wechselnde Rosenberger, seien sie die derart gewarnten Damen dann immer eingetreten, mit lustvollen Konsequenzen. Frau Rodriguez aber widersteht den erotischen Avancen des Knaben. Und putzt das Zimmer halt später.
Rosenberger spielt diese Szene zum Schreien komisch, und es gibt viele dieser Art an diesem Abend, dessen Thema zwar ernst ist, bei dem aber – der Titel „Comedy-Show“ unterstreicht es – die Unterhaltung im Vordergrund steht. Zum Beleg seiner These, dass niemand „als Perverser zur Welt kommt“, liefert Rosenberger reichlich Anschauungsmaterial, wobei es der Widerspruch zwischen Pornofiktion und (Beziehungs-)realität ist, aus dem das Stück die meisten Pointen schlägt.
Der gereifte Michael jedenfalls findet, nach einigen missglückten Versuchen, in einer freizügigen Austauschstudentin aus Schweden dann doch noch das geeignete Pendant, um seine aufgestauten Fantasien endlich in die Realität umzusetzen. Dass er dann irgendwann alle Videokassetten wegschmeißt, liegt auch an einer Frau: mit Nuria, die er schließlich heiratet, wird ihm angeblich klar, dass Frauen nicht Sexobjekte, sondern Menschen sind. Dann wird Nuria schwanger, Michael verliert die Lust am Sex und schaut am Ende mit dem Töchterlein Pippi Langstrumpf- Filme. Dass diese überraschende Volte aber vielleicht doch nicht ganz ernst gemeint ist, zeigt der Videonachspann. Tami Erin, die einstige US-Darstellerin von Pippi, hat einen Sexfilm gedreht. Man findet ihn: im Internet.

Christoph Sonntags Programm „Wörldwaid“ im Theaterhaus

17.
Jan.
2020

Nochmal der Karl-Heinz

Was macht der Schwabe, wenn er im Ausland weilt? Kehrwoche. „Bekannt wie ein bunter Hund“ sei der nach Portugal ausgewanderte Ex-Tuttlinger, so erzählt Christoph Sonntag zu Beginn seines neuen Programms „Wörldwaid“ im Theaterhaus. Habe der dort doch zum größten Erstaunen der Einheimischen die Straße gekehrt – und das, obwohl es doch gar nicht seine eigene ist! Tja, der Schwabe kann halt nicht aus seiner Haut, ebenso wenig wie Sonntag, der auf seiner zweistündigen Tour seine Pointen mit Vorliebe aus solch klischeehaften Zuspitzungen nationaler Eigenheiten zieht. Dass er dabei konsequent die Schwabenperspektive wahrt, vermittelt schon die Bühne im T1. Die ziert ein Flughafenterminal, dessen Schriftzug man eher von Stadtbahnstationen kennt: Bad Cannstatt. Vom imaginierten Neckarairport aus jedenfalls startet Sonntag seine Exkursion in die Kulturgeschichte des Reisens, und blickt dabei zunächst auf die Anfänge der Massenmobilität in den sechziger Jahren zurück. Damals sei es vor allem darum gegangen, dass einen die Verwandtschaft nach der Rückkehr staunend mit „Boah, seid ihr braun geworden“ begrüße. Heute sage man das nur noch zu den Verwandten aus Ostdeutschland.
Da johlt das Publikum, von dem sich die meisten auch noch an das mittlerweile ausgestorbene Ritual des Diaabends erinnern dürften: „Das ist wie eine Fotostory auf dem I-Phone. Bloß ohne Musik und Display, dafür auf dem Bettlaken vor der Wohnwand Eiche rustikal“. Bei diesem „stundenlangen optischen Waterboarding“ sei auch ein Satz entstanden, der „damals in Deutschland millionenfach wiederholt wurde: Und des isch nochmal der Karl-Heinz.“
So witzelt sich Sonntag durch die Epochen und Kontinente. Dass er dabei reichlich Vorurteile bedient und die Gürtellinie prinzipiell kein Stoppzeichen darstellt, wenn es darum geht, einen Pointenkracher zu setzen, weiß in der Regel jeder, der eine Veranstaltung mit Christoph Sonntag besucht. Despektierliche Auslassungen über Politiker wie Volker Bouffier („sieht aus wie einer von den Flippers nach dem Entzug“) bieten dennoch Anlass zum Fremdschämen, zumal Sonntag interessanterweise dann am stärksten ist, wenn er (selten) mal politisch wird: die Szene mit dem afrikanischen Tomatenpflücker, der aufgrund der Billigimporte aus Europa arbeitslos wird und daraufhin mit dem Schlauchboot nach Spanien paddelt, um dort wieder Tomaten zu ernten, wäre auch in der Heute-Show ein Highlight.

 

Ingolf Lücks Soloprogramm im Theaterhaus

12.
Jan.
2020

Nur Wiesen und Nazis

Mit 61, sagt Ingolf Lück, ist man nicht alt. Man ist höchstens Vintage. Und tatsächlich sieht man dem strubbeligen Schlaks in Jeans, Pulli und Turnschuhen nicht unbedingt an, dass er bereits seit über 40 Jahren auf der Bühne steht. Begonnen hatte alles in Bielefeld, wo Lück zu seinen Studentenzeiten als Schauspieler beim Frapp-Theater aufgetreten ist. Sein Durchbruch gelang ihm mit der Rolle des Anchorman in der SAT1-Sendung „Die Wochenshow“, wo er von 1996 bis 2002 zusammen mit Anke Engelke und Bastian Pastewka er das Zeitgeschehen parodierte. Man kann diese Jahre – parallel dazu lief in Pro Sieben Michael Herbigs „Bullyparade“ – als die goldene Ära der Fernsehcomedy bezeichnen. Viele von deren Protagonisten zehren wie Lück bis heute davon, und auch die meisten der Besucher im gut besuchten T2 des Theaterhauses dürften Lück noch aus dieser Zeit kennen – und sich mit angesprochen fühlen, als er auf die Begleiterscheinungen fortschreitenden Alters zu sprechen kommt. Etwa im Restaurant: da könne er jetzt zwischen Senioren- und Pinocchioteller wählen. Und beim Einkauf im REWE nehme ihm die Verkäuferin das Portemonnaie aus der Hand und zähle ihm die Groschen aufs Band. Aber alt? Nein, das ist man erst, „wenn man auf der Straße einem Mädel nachpfeift und die Passanten versuchen, dir die Atemwege freizuräumen.“
Lücks humoristische Methode ist die der gnadenlosen Übertreibung. Das funktioniert vor allem dann, wenn er archetypische Situationen aus dem Leben von Stadtbewohnern zuspitzt. Etwa die Anfrage von Bekannten, ob man nicht beim Umzug „am Sonntagmorgen zwei, drei Kistchen mittragen könne“. Bei 20-Jährigen ohne Kohle, so Lück, habe er dafür Verständnis. Aber bei 40-Jährigen, die einen dicken BMW fahren? „Du gehst arbeiten, bestell´ Dir ein Umzugsunternehmen!“, ruft er, und der brausende Applaus macht klar, dass vielen der Anwesenden die Situation bekannt vorkommt. Dann legt er nach. „Du kommst an, und außer Dir sind da zwei Leute. Der eine hat nur einen Arm, der andere sitzt im Rollstuhl, weil er beim letzten Umzug versucht hat, den Flügel ganz alleine zu tragen. Dann guckst du dich um, und merkst: die haben ja noch gar nichts eingepackt!“
Lustig sind auch Lücks Analysen über die Eigenheiten des männlichen Körpers, speziell dem merkwürdigen Phänomen der Dislokation von Haaren, die von erwünschten Stellen – Schädel – verschwinden, um an weniger erwünschten – Schulter, Ohren – wieder aufzutauchen.
Ob man es dagegen spaßig finden muss, wenn Lück ein Bundesland wie Brandenburg mit „Da gibt es nur Wiesen und Nazis“ tituliert, oder den ehrenwerten Rudi Carrell stellvertretend für die Niederländer als Ursache für den europaweit sinkenden IQ verantwortlich macht? Ein Update würde dem Programm „Sehr erfreut!“, mit dem Lück schon seit letztem Jahr unterwegs ist, ja vielleicht nicht schaden. Denn auch die fidget spinner, die laut Lück „vor 2 Tagen zum Spielzeug des Jahres 2018“ gewählt worden seien, sind schon geraume Zeit nicht mehr angesagt. Oder befolgt Lück hier vielleicht einfach sein dem Zeitgeist widersprechendes Prinzip der„Selbstsuboptimierung“? „Je weniger die Leute glauben, dass man etwas kann, umso geringer sind die Erwartungen an einen“. Hm.

Das neue Programm von Mathias Richling #2019

08.
Dez.
2019

Denken ist keine Sünde

Warum hat eine Blondine genau eine Gehirnzelle mehr als ein Pferd? Damit sie beim Aufwischen nicht aus dem Eimer trinkt. Für einen solchen Witz droht heutzutage akute Shitstormgefahr, und darum legt Mathias Richling diese Zote lieber einem Promi in den Mund: Boris Becker. Dem Ex-Tennisstar nimmt man derlei Anzüglichkeiten ab und Richling testet damit auch gleich mal die Toleranzgrenzen des Publikums, bevor er über Sprach-und Denkverbote im Zeitalter umfassender political correctness räsoniert. Den gelben Sack, so Richling, dürfe man ja auch nicht mehr so nennen, weil sich die Chinesen sonst beleidigt fühlten.
90 Minuten nonstop dauert Richlings neues Programm #2019, das er nun im gut besuchten, wenn auch nicht ausverkauften T1 im Theaterhaus vorgestellt hat. Ein satirischer Jahresrückblick, bei dem so ziemlich alles abgehandelt wird, was 2019 von öffentlichem Interesse war und den Richling ihn in seiner gewohnten Art präsentiert, als sprachliche Volten schlagender Zappelphilipp, der dem Publikum (und sich selbst) bei seinem Parforceritt keine Ruhepause gönnt.
Los geht es mit der SPD, die gleich zwei neue Parteichefs gefunden hat und sich, Kevin Kühnert sei Dank, nun von den „unübersichtlichen Wählermassen“ abgewendet habe. Dann nimmt sich Richling die Grünen vor. Die hätten vor 40 Jahren „die Umwelt erfunden“ – aber, zum Teufel, das Wetter sei nicht einen Deut besser geworden! Mentale Kurzschlüsse dieser Art kann man ja durchaus bei Passantenbefragungen hören, aber richtig brillant ist Richling da, wo er Aspekte der Realität so aufeinanderprallen lässt, dass sich daraus Erkenntnisfunken schlagen lassen. Beispiel Feinstaub. 40 Mikrogramm pro Kubikmeter beträgt der gesetzliche Grenzwert für Straßen, 950 Mikrogramm für die Luft am Arbeitsplatz. Richlings Lösung: einfach alle Straßen zu Baustellen umwandeln, dann werden die Grenzwerte eingehalten.
‚Bekannt geworden ist Richling in den 70er Jahren als Parodist. Kohl, Genscher, Schmidt, Strauß, Richling hatte alle drauf, und auch an diesem Abend lässt er die versammelten Medienmarionetten auf seine virtuelle Bühne treten, einige davon in berühmte Gemälde einmontiert und auf die Bühne projiziert: Angela Merkel samt blauem Haarband (Rezo!) in Vermeers „Mädchen mit dem Perlenohrring“ , Jens Spahn in Rembrandts „Die Anatomie des Dr. Tulp“ und, böse, böse, Ursula von der Leyen in Caravaggios „Medusa“.
Richlings Paraderolle ist, neben Oettinger, die des Landesvaters Kretschmann, dessen mahlendes Schwäbisch er perfekt beherrscht. Nach dem Krieg, so lässt er ihn philosophieren, sei die Bevölkerung freigiebiger gewesen. „Wenn man nix hat, kann man des halt leichter teilen wie wenn mer was hat. Um mit Flüchtlingen zu teilen, geht es uns nicht schlecht genug.“ Richling schont keinen, am wenigsten Trump und schon gar nicht Alice Weidel, die in bewährter AfD-Manier das Dritte Reich relativiert: nur weil es Auschwitz und den 2. Weltkrieg gegeben habe, sei doch der Nationalsozialismus als solcher keine schlechte Idee!
Mit Leonardo da Vinci schwenkt Richling auf die Zielgerade ein, nicht ohne vorher noch die Kurve zu Stuttgart 21 zu kriegen. Denken ist keine Sünde, lautet das Schlusswort. Dem ist nichts hinzuzufügen.

 

Das neue Programm der Fünf hatte im Theaterhaus Premiere

21.
Okt.
2018

Mir send mir

Eigentlich sind die Zeiten generationenübergreifender Unterhaltung ja vorbei. Früher hatte sich die ganze Familie am Samstagabend vor dem Fernseher versammelt, um die Rudi Carrell-Show zu gucken. Aber was gibt es heute noch, das Instagram-Kids und Senioren gemeinsam goutieren können? Nun, bei der Premiere des neuen Programms „005 – Im Dienste ihrer Mayonnaise“ des Vokalquintetts „Die Fünf“ saßen im Theaterhaus Schulkinder neben Vertretern der Generation 70plus, um einträchtig den Refrain von „Mir im Süden“ zu trällern. Das mit den „hochwertigeren Kraftfahrzeugen“ mag einem zwar angesichts von Schummelsoftware bei Daimler nicht mehr ganz so leicht über die Lippen gehen, von „wir spielen auch nicht so´n merkwürdigen Fußball wie die Hessen“ ganz zu schweigen – Leadsänger Little Joe brachte den Satz denn auch mit einem „ach egal…“ gar nicht erst zu Ende. Aber auch wenn der Song eigentlich zu den schwächeren der Fünf zählt, ist er so etwas wie die Schwabenhymne geworden, geeignet – analog zur Parole unseres bayerischen Nachbarvolks – eine Art „Mir send mir“-Stimmung zu erzeugen.
Von der können sich dank ihrer selbstironischen Grundierung durchaus auch Reingeschmeckte angesprochen fühlen, wie es ohnehin zum Markenkern der Fünf zählt, sich selbst nicht gar zu ernst zu nehmen. Dies gilt auch für die Songs des neuen Programms, von denen sich nur der erste auf den Titel, sprich: James Bond, bezieht – der es allerdings in sich hat, kontrapunktiert er doch auf raffinierte Art die berühmte Bond-Titelmelodie mit populärem Liedgut. Ansonsten pflücken die Fünf ihre Themen, wo sie sie eben finden. Es geht um Schwiegermütter und Selbstmotivierer, dazu eine feine Dosis Sozialkritik („Wir sind die Guten“), musikalisch durchweg auf gleichermaßen erlesenem wie goutierbarem Niveau. Am meisten beklatscht wurde die Sommerhitpersiflage „Aeropuerto securidad“ samt Stewardessenflugeinweisungschoreografie, bei dem das Publikum im ausverkauften T1 geschlossen mitmachte. Jung und alt. Wie schön.

Der 20. Stuttgarter Besen im Renitenz-Theater

22.
Mrz.
2017

Man hat´s nicht leicht als Lehrerkind. Immer wissen die Eltern alles besser, doch am schlimmsten ist es, wenn Papi an derselben Schule unterrichtet. „Ich hab´ne 5 in Mathe“, gesteht Bastian zuhause. „Ich weiß“, antwortet der Vater. Unter welchem Druck Lehrerkinder wie Bastian Bielendorfer stehen können, der nun beim 20. Stuttgarter Besen im Renitenz-Theater mit dem Hölzernen Besen ausgezeichnet wurde, erfuhr eine größere Öffentlichkeit im Jahr 2010 in der Sendung „Wer wird Millionär“, als Bielendorfer seinen Vater als Telefonjoker anrief, der ihn mit der Bemerkung abkanzelte „Wie kannst du nur die 8.000 Euro-Frage nicht wissen, das weiß doch jeder!“ und nach – selbstredend korrekter – Antwort kommentarlos auflegte. Bielendorfer jedenfalls schlug aus seinem Leid Kapital. Schrieb drei Bücher, die allesamt Bestseller wurden, wurde Assistent von Harald Schmidt in dessen Show auf Sky und ist mittlerweile regelmäßig im Fernsehen präsent. Den 3. Preis beim Besen wird er gerne mitnehmen – brauchen dürfte er ihn nicht, sein Terminkalender ist auch so prall gefüllt. Verdient hat er ihn gleichwohl, schon allein für seine Nummer mit den Waldorflehrern Cordula und Torben und deren Kind Ludger, das eine Mütze aus „Lama-Schamhaar“ trägt und beim Ausflug mit Bastian zu McDonalds bekennt, dass er Veganer ist. Worauf die Servicekraft hinter der Theke auf die Frage, was es für Veganer gibt, antwortet: „Servietten“.

Doch, Bielendorfer ist lustig, doch auch wenn man bei ihm einiges über die Befindlichkeiten einer bildungsorientierten Mittelschicht erfährt – die neben Lehrern durchaus auch andere Berufsgruppen einschließt – tendiert sein Programm in der Fixierung auf die schnelle Pointe stark in Richtung jener fernsehkompatiblen Comedy, die derzeit hoch im Kurs steht. Irritierendes, Gesellschaftskritisches gar ist seine Sache nicht, anders als bei Lisa Catena, die mit dem Silbernen Besen ausgezeichnet wurde. Auch die Schweizerin nimmt das Selbstverständnis jener Schicht ins Visier, die sich für aufgeklärt hält, schaut jedoch genauer hin – solange, bis sich Widersprüche auftun. So nimmt sie den Wunsch vieler Konsumenten nach jenen Unbedenklichkeitszertifikaten aufs Korn, die Genuss mit gutem Gewissen versprechen, etwa wenn wir Fisch kaufen, der aus „nachhaltiger“ Fischerei stammt. Bald, so vermutet Catena, würde auch bestätigt, dass der Fisch aus freiem Willen angebissen und der Verarbeitung seines Filets zu Fischstäbchen vorab zugestimmt habe. Da kommt man selber ins Grübeln – keine unerwünschte Begleiterscheinung bei einem Kabarettprogramm.

Nur ihre etwas steife Vortragsart dürfte Lisa Catena, die auch für Satiremagazine schreibt, den Sieg gekostet haben. Und wie sie ihre Herkunft, in diesem Fall ihre Nationalität als Schweizerin thematisiert, bildet auch für Martin Frank, den Gewinner des Goldenen Besens, die Biografie den Humus, aus dem er seine humoristischen Früchte zieht. „Junge vom Land zieht in die Großstadt und erlebt dort Überraschungen“ könnte man den Auftritt des im Bayerischen Wald auf einem Bauernhof aufgewachsenen Jungspunds überschreiben, der seinen Sieg letzlich der professionellen Art verdanken dürfte, mit der seine Pointen setzt. Ein echtes Bühnentalent – sehr bildhaft etwa die Szene, wo er mit einem gut gemeinten „Grüß Gott“ die U-Bahn entert, worauf ihn die Mitfahrenden als Kontrolleur missverstehen und sich flugs auf die Bänke verziehen. Aus dem erst 24-Jährigen könnte noch was werden, falls er an Bissigkeit und Relevanz zulegt. Vorbilder gibt es genug: wie Frank ist auch Sigi Zimmerschied in Passau geboren.

Auffällig insgesamt, wie harmlos und freundlich die meisten Auftritte daherkamen. Matthias Jung reihte im Stil eines Büttenredners („Neulich war ich mal…“) einen Witz an den anderen, überhaupt dominierte die Beschreibung von Alltäglichem mit kleinen Ausflügen in die aktuelle Politik. Wenigstens teilte der Deutschtürke Özgür Cebe, der den Gerhard Woyda-Publikumspreis gewann, einige Seitenhiebe auf Erdogan und Trump („Perücke des Grauens“) aus. Michael Elsener nahm, auch nicht unbedingt brandaktuell, die FIFA aufs Korn, während Roberto Capitoni vergeblich versuchte, aus abgehangenen Klischees über Deutsche und Italiener neue Funken zu schlagen. Zum Fremdschämen der Auftritt von „Suchtpotenzial“, zwei aufgedrehten Girlies, die spätpubertär auf das Provokationspotential des F-Wortes setzten: in „Ficken für das Vaterland“ warben sie, das Publikum zum Mitklatschen animierend, für Geschlechtsverkehr mit Diktatoren und Menschenschindern, um diese von ihrem üblen Tun abzubringen. Au weia.

Das Urteil der Juryvorsitzenden Lisa Fitz bei der Preisverleihung, man habe an dem Abend viel gelacht, was bedeute, dass das Niveau gut war, kann man so durchaus kritisch sehen. An Schlagfertigkeit, Esprit und Wortwitz war jedenfalls Florian Schroeder, der Moderator des Abends, allen Teilnehmern weit überlegen. Das kann schon nachdenklich stimmen.