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Helen Schneider, Götz Alsmann und die SWR-Bigband

09.
Jan.
2011

Ach du lieber Gott, was ist denn das? „Ich hab mich so an Dich gewöhnt“ singt Götz Alsmann, schreitet durch die Stuhlreihen des gut besuchten Beethovensaals und wirft den Damen dabei kesse Blicke zu wie einst Bully Buhlan in den 60er Jahren in Heinz Schenks Blauem Bock, begleitet von der SWR-Bigband und präsentiert vom Hausfrauensender SWR 4 („Da sind wir daheim“). Muss das nicht die Höchststrafe sein für jeden ambitionierten Jazzer, zumal wenn es sich um solch hochkarätige Instrumentalisten handelt wie die der SWR-Bigband?

Freilich: Die SWR-Bigband, die in diesem Jahr ihr 60-jähriges Bestehen feiert, durfte auch einige originäre Bigbandnummern spielen, bei denen sie zeigen konnte, was ihn ihr steckt. Im Übrigen hieß sie einst Südfunk-Tanzorchester und spielte damals alles, was ihr langjähriger Leiter Erwin Lehn auf die Notenpulte legte. Und in den 50er- und 60er-Jahren machte man hierzulande noch nicht viel Unterschied zwischen Schlager, Jazz und Tanzmusik: wer gut war, konnte (und musste, wenn er davon leben wollte) alles spielen, egal ob er Paul Kuhn oder Erwin Lehn hieß (der für seinen Freund Bully Buhlan Hits komponierte wie „Gib mir einen Kuss durchs Telefon“).

Vor diesem Hintergrund gesehen setzt die SWR-Bigband also nur ihre eigene Tradition fort – und man muss, bei Lichte betrachtet, froh sein, dass es überhaupt noch Ensembles wie diese gibt, die an jene Zeit erinnern, als auch Unterhaltungsmusik noch von Könnern gemacht wurde.

Wer von dieser Band begleitet wird, darf sich also glücklich schätzen, und das ist an diesem Abend nicht nur Götz Alsmann, der auch durch das „Beswingt ins neue Jahr“ titulierte Programm führt, sondern vor allem Helen Schneider. Die 58-jährige Sängerin hat unlängst zusammen mit derSWR- Bigband eine Bert Kaempfert gewidmete CD aufgenommen, aus der sie einige Stücke präsentiert. Nun sind Klassiker wie „It´s only a Paper Moon“ (das Kaempfert allerdings nur arrangiert hat) oder „Strangers in the night“ bereits unzählige Male gecovert worden, was die Aufgabe nicht leichter macht. Doch Helen Schneider gelingt es, auch solchen Nummern noch neue Facetten abzutrotzen, selbst wenn ihre Stimme zu Beginn des Abends noch wenig präsent ist. Bei Kaempferts „L.O.V.E.“ sucht sie noch etwas den richtigen Sitz in der Höhe, doch nach der Pause ist der typische Schneider-Sound dann wieder da: die irisierende Höhe, das volle Brustregister und das ausgeprägte Tremolieren.

Da darf man Götz Alsmann schon Mut attestieren, mit ihr im Duett zu singen. Der fernseherfahrene Westfale mit der Geltolle ist ein smarter Conferencier und eloquenter Plauderer, aber ein Sänger ist er nicht. Für „Danke schön“ reicht sein Sprechgesang grade noch, aber schon durch die Schlager von Buhlan oder Eddie Constantine mogelt er sich mehr oder weniger durch. Ziemlich charmant, immerhin. (Stuttgarter Zeitung)