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Robert Kreis mit seinem Programm“ Ach, du liebe Zeit“ im Stuttgarter Varieté-Theater

11.
Aug.
2010

Wenig Neues vom Altmeister

Ein Glück, er ist wieder da! Noch ein bisschen schmaler als sonst, ein bisschen blasser vielleicht auch (oder ist´s bloß die Schminke?), aber nach wie vor die Eleganz in Person – so steht er nun wieder bis einschließlich 21. August auf der Bühne des Stuttgarter Varieté-Theaters: Robert Kreis.

Man hat sich ja schon Sorgen gemacht um ihn. Am 27. Juli hätte die Premiere sein sollen, dann kam die Nachricht, er läge im Krankenhaus. Eine Brustmuskelentzündung, hieß es zuerst, dann war die Rede von einer Herzoperation, tatsächlich bekam er eine neue Herzklappe eingesetzt. Nun sei alles wieder in Ordnung, betont der 60-jährige Entertainer gegen Ende seines Soloprogramms im nahezu ausverkauften Theater – und die andere Klappe, die unter der Nase, die funktioniere ja nach wie vor bestens.

Wohl wahr. Kreis ist ein Conférencier der alten Schule, wie es heute kaum noch welche gibt. Wie ein Relikt aus einer vergangenen Zeit steht er da, tadellos befrackt, mit messerscharf gezogenem Menjou-Bärtchen über den feinen Lippen. Kaum einer beherrscht die Kunst des anspielungsreich zweideutigen Parlierens so gut wie er, der auch grenzwertige Zoten mit einem nachgeschobenen „Herrlich, herrlich..“ und gepflegtem holländischen Akzent genießbar machen kann. Dazu verfügt er über eine zwerchfellerschütternde Virtuosität im singenden Charakterisieren, die man als phonetisches Grimassieren bezeichnen könnte: alle Tonlagen hat er dabei drauf, ob Tussi, Affe im Zoo oder gehörnter Ehemann, dabei sind Brauen, Lippen, Stirn in ständiger Bewegung.

Schade bloß, dass es bei seinem „Brandneues von Robert Kreis“ untertitelten Programm „Ach, du liebe Zeit“ wenig Neues zu hören gibt. Das Meiste kennt man nämlich schon: ob sprachakrobatische Gedichte wie „Heut‘ ist heut‘ für einen Tag“, Anekdotisches wie über „Ella vom Heißen Eck“, die jüdischen Witze über Samy und Moshe, oder auch Sprüche wie die über den Papst, der jetzt Griechisch lerne, weil er mit seinem Latein am Ende sei – solches hat er lange schon im Repertoire. Das wäre allein nicht weiter schlimm, kann man doch gerade viele seiner Chansons mit Vergnügen auch mehrmals hören. Doch zum einen ist der Abend sehr wortlastig – irgendwann verliert das Witzevorlesen aus Zwanzigerjahremagazinen dann doch an Reiz, und ein wirklicher Kabarettist ist Kreis nicht. Zum anderen geht das Konzept, bei dem er die Krisenstimmung der ausgehenden Zwanzigerjahre mit unseren aktuellen Wirtschafts- und Bankenturbulenzen kurzschließen wollte, trotz einiger Analogien nicht schlüssig auf. Zwar lassen sich einige Lieder und Couplets wie das des Kabarettisten Armin Berg, der im Jahr 1931 die Frage stellte: „Wovon leben die Leut?“ auch auf die Hartz 4-Diskussion beziehen. Und wenn Willy Rosen textete „Miese Zeiten, miese Zeiten, wo man hinschaut, lauter Pleiten“, dann denkt man natürlich an den Bankrott der Lehman Brothers und dessen Folgen. Aber der Abgesang auf wertlose Aktien wirkt ebenso überholt in einer Zeit, wo der Dax schon wieder auf Rekordkurs ist wie manche Anspielungen auf die Bundespolitik: wenn Kreis einem Vorkriegsschlager mit Merkel und Müntefering ein personales Update verpasst.

Nein, man wird das Gefühl eines irgendwie zusammengestoppelten Programm nicht ganz los. Zu viel Füllstoff – auch Denglisch-Parodien hat man zur Genüge gesehen – zuviele Sprüche, die in ihrer augenzwinkernd-provokanten Anzüglichkeit („Wenn die Frauen verblühen, verduften die Männer“) auf die Dauer etwas altherrenhaft-Verstaubtes haben. Vielleicht, so überlegt man, geht Robert Kreis mittlerweile einfach das Material aus? Lässt sich vielleicht irgendwann einfach nichts Zündendes mehr finden aus den Golden Twenties?

Die Stimmung im Saal ist gut, doch echte Begeisterung kommt erst auf, als Robert Kreis bei den Zugaben auf zwei seiner Paradestücke zurückgreift. Der Lachfoxtrott ist ebenso ein Stück, das nie seine Wirkung verfehlt wie „Wo, wo, wo, ham wir uns schon gesehn?“ Da ist der begnadete Grimasseur und Charmeur Robert Kreis wieder ganz bei sich. Und wir bei ihm. (Stuttgarter Zeitung)