Beiträge im Archiv März 2022

Rolando Villazon und Xavier de Maistre im Beethovensaal

30.
Mrz.
2022

Soviel gute Laune muss man erst mal haben. Nach jedem Lied strahlt Rolando Villazon bis über beide Ohren, schüttelt seinen Wuschelkopf und vermittelt dabei eine derartige Grundfreude am eigenen Tun, dass es auch noch die Zuhörer in der letzten Reihe spüren: hier steht ein Leib-und-Seele-Musiker, der seine Kunst nicht einfach reproduziert, sondern lebt. „Serenata Latina“ lautet der Titel seines Programms, das er mit dem Harfenisten Xavier de Maistre am Dienstagabend im Beethovensaal vorgestellt hat, und dass der Saal allenfalls zur Hälfte gefüllt war, tat der Begeisterung keinen Abbruch: Erst nach drei Zugaben ließ das Publikum die beiden von der Bühne.

Dabei könnte der 50-jährige Mexikaner ja durchaus Gründe zur Betrübtheit haben. Diverse gesundheitliche Krisen und eine Stimmbandoperation warfen den hochsensiblen Sänger vor einigen Jahren erst mal aus der Erfolgskurve. Einige Zeit war unklar, ob er überhaupt wieder würde singen können. Doch Villazon erholte sich. Und selbst wenn jene tenoralen Kavaliersrollen, mit denen er einst berühmt wurde, dauerhaft passé sein dürften, so hat er mittlerweile Wege gefunden, die Qualitäten seiner Stimme zu kultivieren, ohne sie zu überfordern.

Dabei kommt ihm das lateinamerikanische, zwischen Kunstlied und Folklore angesiedelte und keine extremen sängerischen Ansprüche stellende Liedrepertoire von Komponisten wie Alberto Ginastera oder Carlos Guastavino ebenso entgegen wie die Harfe als Begleitinstrument: anders als bei einem Konzertflügel besteht keine Gefahr, zugedeckt zu werden.

Villazons Stimme mag an Strahlkraft eingebüßt haben, ihr verführerisch samtiges Timbre hat sie sich bewahrt, und was an stimmfarblicher Nuancierung hie und da fehlt, macht der Tenor mittels seiner Körpersprache allemal wett. Ein bisschen schade kann man es ja finden, dass die Texte nicht im Programmheft abgedruckt und übersetzt sind, aber dafür erklärt Villazon vor jedem Lied wortreich, worum es geht – um unglückliche Liebe meist – und agiert diesen Inhalt dann derart gestenreich aus, dass man eigentlich kaum anders kann, als hingerissen zu sein.

Und da ist ja auch noch Xavier de Maistre. Der smarte Franzose, der das Instrument Harfe zumindest etwas der weiblichen Dominanz entrissen hat, gibt Villazon mit einigen nonchalant hingelegten Solostücken die Gelegenheit zu stimmlicher Erholung. Dazu zählen der Spanische Tanz aus Manuel de Fallas Oper „La Vida Breve“ und de Abreus Brasil-Gassenhauer „Tico-Tico“, garniert von etwas harmloser Andenfolklore. Aber in erster Linie ist de Maistre ein sensibler Begleiter für Villazon – der übrigens dann am besten ist, wenn er wie ein Tangosänger Sangliches und Deklamatorisches verbinden kann. Wie in „En estos días“, einem Lied des Kubaners Silvio Rodriguez, dessen letzte Zeilen, vermutlich gänzlich ungewollt, die aktuelle Weltlage beschreiben: „Ay! de estos días terribles/Asesinos del mundo – Oh! dieser schrecklichen Tage/Killer der Welt!“. Immerhin – Musik kann trösten. StZ