Kann ein Roboter Gefühle haben?
Das Stuttgarter Kammerorchester experimentiert mit KI
KI ist ja schwer angesagt derzeit. Manche blicken hoffnungsfroh, andere besorgt auf die Möglichkeiten künstlicher Intelligenz, und auch in der Musik wurden schon allerhand Versuche damit gestartet. Simple Songs und andere Gebrauchsmusiken lassen sich längst via KI erstellen, aber wie ist es in der klassischen Musik? Ergeben sich durch KI-Einsatz möglicherweise neue Perspektiven für das etablierte Konzertformat?
Das Stuttgarter Kammerorchester (SKO) hat dazu nun ein Experiment gewagt. Dazu wurde der Beethovensaal schwer aufgerüstet: drei riesige Leinwände rahmen die Bühne ein, rechts und links stehen sogenannte IKO-Lautsprecher, die den Schall in verschiedene Richtungen abstrahlen, eine ganze Gruppe von Tontechnikern steuert das Ganze von ihren Pulten in der Saalmitte. Der Aufwand ist gigantisch, aber das Programmheft verspricht ja auch ein „immersives audiovisuelles Hörerlebnis“. Zu dem gehört auch „Spot“, ein Roboterhund. Der mechanische, mit Frontscheinwerfer ausgestattete Vierbeiner stakst zu Konzertbeginnt zunächst die Empore des Stuttgarter Beethovensaals hinunter und dann über ein Treppchen hinauf auf die Bühne zu den dort sitzenden Musikern des Stuttgarter Kammerorchesters. Die zum Kraulen ausgestreckte Hand eines Geigers lässt er links liegen und trottet weiter zum rechten Bühnenrand, um dort KUKA, einen einarmigen Industrieroboter, zu begrüßen. Der wird im Verlauf des Abends noch eine Rolle spielen – im Gegensatz zu Spot, der nach seinem kurzen Auftritt im Seitenausgang verschwindet. Musikalisch geht es erst mal sehr klassisch los: Bobby Mitchell am Flügel spielt die Aria aus Bachs „Goldberg-Variationen“, in den folgenden Variationen gesellt sich dann das Orchester hinzu. Das klingt sehr schön – bis zur letzten, von KI komponierten Variation, die sich anhört, als hätten die Musiker ihre Einsätze verpasst und fiedelten nun irgendwelche Phrasen durcheinander. Das kann die künstliche Intelligenz also (noch) nicht. Aber was kann sie dann?
In Gerriet K. Sharmas „This is Water“, einer Auftragskomposition des SKO, soll ein entsprechend programmierter Roboter, in diesem Fall KUKA, mittels seiner visuellen und auditiven Assoziationen und seiner „Gefühle“ die vom Orchester gespielten Klänge kommentieren. Nun sind solche Verbindungen von Elektronik mit Orchestermusik schon ein ziemlich alter Hut, und auch der Einbezug visueller Medien ist grundsätzlich nichts Neues. Was aber „fühlt“ ein Roboter? Kann ein Apparat überhaupt Gefühle haben? Als Hörer jedenfalls fühlt man sich nach einiger Zeit zumindest gelangweilt, wenn nicht genervt von dem keinerlei nachvollziehbaren Struktur folgenden, durch Orchestergeräusche nur wenig aufgelockerten elektronischen Gewaber, Gefiepse und Geknister und den bunten, digital generierten visuellen Metamorphosen einer Ansicht des Beethovensaals auf den Monitoren. Und das wird auch beim letzten Stück des Abends, Terry Rileys „In C“ nicht besser, an dessen Ende sich Orchester und KI-Sound ein lärmendes, ins Kakophonische abdriftendes Improvisationsduell liefern. Immerhin: KUKA hat dabei seinen Job, nämlich auf dem Flügel unablässig ein C zu repetieren, sehr gut gemacht. Wenigstens dafür kann man Roboter also brauchen.