Ralf König in der Stadtbücherei Stuttgart
Klare Worte
Dass ausgerechnet er einmal ins Visier der Queer-Szene kommen würde und als transphob und rassistisch abgestempelt würde, hat sich Ralf König wohl nicht träumen lassen. Doch im letzten Jahr erhielt König, der mit seinen millionenfach verkauften Schwulencomics beträchtlich zur Emanzipierung homosexueller Männer beigetragen hat, eine Nachricht des Brüsseler LGBTQI-Zentrums Rainbow House. Für diese hatte er 2015 ein Wandgemälde mit seinen typischen Knollennasenfiguren einschließlich einer rotlippigen Dragqueen und einer schwarzen Lesbe erstellt, an dem jahrelang niemand Anstoß genommen hatte. Dann aber wurde sein Bild von Rainbow-Aktivistinnen mit den Worten „transphobia“ und „racism“ besprüht – zusammen mit dem Vorwurf, die Darstellung der beiden Figuren habe „ihren Ursprung in rassistischen und kolonialistischen Bildern“ samt der Aufforderung an König, die entsprechenden Figuren seines Bilds zu übermalen.
Der hatte das vehement abgelehnt – lieber, schrieb er zurück, sollten sie gleich sein ganzes Bild entfernen. Es sei ja ihre Wand.
Doch wenn der mitterweile 60-Jährige bei seiner Lesung in der Stuttgarter Stadtbücherei – gleichzeitig die Eröffnungsveranstaltung der Stuttgarter Comic-Tage – davon erzählt, spürt man, wie sehr er mit dieser Entwicklung hadert, steht sie doch diametral dem entgegen, was einmal das Anliegen vieler war, die sich nicht der heterosexuellen Mehrheit zugehörig fühlen. Früher, so König, sei es in der Szene um Befreiung gegangen, heute würden sich manche Gruppen gegenseitig bekriegen. Aber König wäre nicht König, wenn er sich dem widerstandslos ergeben würde, im Gegenteil: er plane, so erzählt er, einen Comic, von dem sich alle möglichen Randgruppen gleichermaßen beleidigt fühlen könnten.
Angst hat König also keine. Und klare Worte waren ohnehin schon immer sein Ding, das wird während des knapp dreistündigen Abends im coronagemäß dünn besetzten Vortragssaal der Stadtbücherei deutlich. Nach dem Streit um die Mohammed-Karikaturen veröffentlichte er unter dem Titel „Dschinn Dschinn“ islamkritische Cartoons, und schon mit 19 hatte der frühere Schreinergeselle mit seinem Outing manche seiner Kollegen geschockt, als er seine Homosexualität mittels eines an die Hobelbank geheftenen Zettels öffentlich machte: „Schwul zu sein, bedarf es wenig, ich bin schwul und heiß´ Ralf König!“
Man bekommt viel zu sehen an dem Abend, der nichts weniger als eine Werkschau aus vierzig Jahren ist. Aus vielen seiner Bücher und Hefte zeigt König Ausschnitte, darunter auch Teile jenes heute vergriffenen Frühwerks, das er Anfang der 80er Jahre für Schwulenmagazine wie „Rosa Flieder“ gezeichnet hat. Über einen Laptop steuert König die Bildauswahl, die Dialoge liest er mit verstellter Stimme vor, was authentisch wirkt und die Rezeption steuert. So lachen alle gleichzeitig, und zu lachen gibt es viel, selbst wenn manche Zeichnungen auf zart besaitete Büchereibesucher verstörend wirken könnten. Letztlich werden aber auch Schwule älter. In „Herbst in der Hose“ hat sich König auch damit auseinandersetzt. Wenngleich – was ihn selber betrifft, so brauche man sich in dieser Hinsicht keine Sorgen zu machen.