Beiträge im Archiv März 2018

Holger Falk singt Lieder von Hanns Eisler

26.
Mrz.
2018

Im Dienst der Revolution

 

Selbst musikalisch Interessierten fällt zu Hanns Eisler auf die Schnelle meist nur das „Solidaritätslied“ ein, das dieser Ende der 20er Jahre für den Film „Kuhle Wampe“ komponiert hatte. Dabei hat der 1962 in Ostberlin gestorbene Eisler ein umfangreiches Werk hinterlassen, Klavier- und Orchesterwerke, Kammermusik, vor allem aber: Lieder. Fast so viele wie Schubert hat Eisler geschrieben – über 500 insgesamt – wobei er ein ziemlich einzigartiges Talent für hymnentaugliche Melodien besaß. Kein Zufall, dass neben dem Solidaritätslied und der DDR-Nationalhymne „Auferstanden aus Ruinen“ jene „Kinderhymne“ besonders bekannt geworden ist, die nach der deutschen Wiedervereinigung als gesamtdeutsche Nationalhymne immerhin diskutiert wurde.
Was es aber alles zu entdecken gibt in Eislers reichem Liedschaffen, das zeigten nun der Bariton Holger Falk und der Pianist Steffen Schleiermacher mit ihrem von der Hugo-Wolf-Akademie veranstalteten Konzert im Hospitalhof, bei dem ihnen von der FAZ-Musikredakteurin Eleonore Büning der Preis der Deutschen Schallplattenkritik für die erste CD ihrer Gesamtaufnahme von Eislers Liedern überreicht wurde.
Dabei war der von Schleiermacher launig moderierte Abend nicht nur musikalisch insofern ein Genuss, da Holger Falk mit seiner wandlungsfähigen Stimme souverän zwischen den Modi Moritatensprechgesang, Balladenton und Kunstlied changierte. Die aus verschiedenen Schaffensphasen Eislers gewählten Liedblöcke erlaubten auch erhellende Einblicke in Eislers Biografie: Zeit seines Lebens verstand sich Eisler als politischer Komponist, der in den frühen, meist in Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht entstandenen proletarischen Kampfliedern und Theaterliedern die Revolution befördern wollte und sich dann in den „Neuen Deutschen Volkslieder“ nach Texten des DDR-Staatsdichters Johannes R. Becher auf fragwürdige Art staatstragend gab. Schleiermachers Verdikt, Eisler sei eine „unbekannte Berühmtheit“ – am Ende des Konzerts galt es zumindest für das Publikum nicht mehr.

 

Rudolf Buchbinder spielte Beethovens späte Sonaten

07.
Mrz.
2018

Unbeteiligt

Es zählt zu den Mysterien der Musik, dass das, worauf es ankommt, nicht ganz leicht zu haben ist. „Das Wichtigste in der Musik steht nicht in den Noten“, wusste Gustav Mahler, und so kann der Notentext als Chiffre gelten: eine Hilfe für den Interpreten bei der Suche nach jenem Ausdruck, den der Komponist im Sinn hatte. Auch wenn das Ergebnis naturgemäß unterschiedlich ausfällt, so bedarf es dazu vor allem: Einfühlung. Ohne die Fähigkeit des Musikers zur Imagination bleibt auch beschlagenstes Virtuosentum bloßes Handwerk. Die späten Klaviersonaten Beethovens verlangen gar noch mehr – hier sollte der Musiker in der Lage ist, das Manuelle gleichsam zu transzendieren, und das nicht erst in der sphärischen Trillerapotheose, mit der Beethovens seine letzte Sonate op.111 beschließt. Auf jeden Fall verlangt diese Musik ein fühlendes Herz – im Finale der E-Dur Sonate op. 109 weist schon die Satzüberschrift auf die geforderte Haltung hin: „Gesangvoll, mit innigster Empfindung.“
Wenn alles passt, kann der Eindruck gerade dieser Werke gewaltig sein. Man erinnert sich an Abende mit Alfred Brendel oder Grigory Sokolov, nach denen man beglückt, bewegt, nach Hause ging. Umso ernüchternder erschien am Dienstagabend im schwach besetzten Beethovensaal die mechanistisch-kalte Manier, mit der Rudolf Buchbinder Beethovens letzte drei Klaviersonaten herunterspulte. Auch wenn er nie als Charismatiker galt, so hat man ihn doch kaum einmal derart uninspiriert gehört wie an diesem Abend. Ohne spürbare innere Beteiligung absolvierte Buchbinder, der als Beethovenspezialist gilt, diese Gipfelwerke der Klavierliteratur. Keine Aura, nirgends nur ein Hauch von Poesie, Entrücktheit gar. Nicht in den Variationen von op. 109, wo das Thema am Ende profan wiederkehrte, als sei dazwischen nichts passiert, nicht in der grandiosen Fuge von op.110, die etüdenhaft dahinschnurrte und schon gar nicht in den Arietta-Variationen von op.111, die endeten, als würde das Licht ausgeknipst. Der Beifall war höflich, aber endenwollend.