Öffentliche Entblößung
Oliver Pocher trat im Stuttgarter Beethovensaal auf
Sich über andere lustig zu machen, zählt sozusagen zu den Kernkompetenzen von Comedians. Das gilt in besonderem Maße für Oliver Pocher, der am Mittwochabend im Stuttgarter Beethovensaal seine wegen Corona ausgefallenen Auftritte in der Porsche-Arena und den Wagenhallen nachgeholt hat und sich dabei wieder einmal seine bevorzugte Zielgruppe vorknöpfte. Dazu zählt in erster Linie der Schlagersänger und Verschwörungstheoretiker Michael Wendler, mit dem Pocher ein nachgerade symbiotisches, auf gegenseitige Popularitätssteigerung angelegtes Verhältnis pflegt: Wendlers zugegeben grenzdebile YouTube-Filmchen bilden für Pocher dabei ebenso leicht verwertbare Vorlagen wie der Videomüll, mit dem sogenannte Influencerinnen oder andere publicitygeile Möchtegern-Stars täglich die (a)sozialen Medien fluten. Vieles davon ist, gewürzt durch Pochers Kommentare, dann in der Tat sehr lustig anzusehen.
Ob man freilich die Art und Weise, mit der Pocher zuvor eine junge Frau aus dem Publikum auf der Bühne, ja, entblößt hat, lustig finden muss, ist eine ganz andere Frage – ganz abgesehen davon, wie diese das, von der Situation merklich überfordert, selber empfunden hat. Auf die Frage ins Publikum, wer Tinder hätte, hatte sie die Hand gehoben und wurde dann von Pocher auf die Bühne gebeten. Allerdings hatte sie wohl kaum damit gerechnet, danach ihr Smartphone abgenommen und dessen Inhalt auf die große Leinwand im Saal projiziert zu bekommen. Erst nahm Pocher den Startbildschirm unter die Lupe und ging, die Einträge launig kommentierend („Du bist bei der Jungen Union!“), die Apps durch, um sich endlich durch das Tinderprofil der Frau zu klicken. Nicht nur deren eigene Profilbilder, sondern auch jene der ihr vorgeschlagenen Männer wurden dann zur allgemeinen Betrachtung freigegeben. Zuvor schon meinte Pocher, dass er es besonders lustig fände, wenn einer davon im Publikum sitzen würde – am besten mit seiner Freundin. Persönlichkeitsrechte, Datenschutz? Man kann da schon ins Grübeln kommen, zumal die Chance recht hoch sein dürfte, dass sich Bekannte der auf diese Weise geouteten Männer auch im Publikum befunden haben. Die Demütigung ging aber noch weiter, denn Pocher verfasste an „Jürgen“ aus den Tinder-Vorschlägungen ohne Einwilligung der Frau auf deren Smartphone eine Nachricht. „Hätte Bock, an Dir zu würgen“. Immerhin, am Ende bekam sie ein T-Shirt.