Alice Sara Otts Klavierabend in Stuttgart

21.
Nov.
2013

Mehr als ein hübsches Gesicht

Alice-Sara-OttDass es gutaussehende Frauen auch in der E-Musik-Szene leichter haben, steht außer Frage: Mit einem hübschen Gesicht auf dem Cover lässt sich eine CD eben besser verkaufen.
Auch die deutsch-japanische Pianistin Alice Sara Ott sieht bezaubernd aus, was ihre Plattenfirma, die Deutsche Grammophon, denn auch nach Kräften nutzt. Gleichwohl führt aber der naheliegende Verdacht, ihr Erfolg könnte mehr auf äußerer Attraktivität denn auf künstlerischer Qualität beruhen, in die Irre: als Beleg kann der Klavierabend gelten, den Alice Sara Ott nun innerhalb der Meisterpianistenreihe im Beethovensaal gegeben hat.
Sie spielte das Programm ihrer letzten CD, Schuberts Sonate D-Dur D 850 und Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“, davor hatte sie noch Mozarts Variationen über ein Thema von Duport KV 573 gestellt. In den eher unspektakulären Mozartstücken zeigte die Pianistin schon viel von dem, was ihre Kunst auszeichnet: ein transparentes Spiel von betonter Leichtigkeit und Grazie, einen silbrigen, oberstimmenbetonten Klang, eine ausgeprägte Leggierokultur. Berückend. Doch war das erst der Anfang.
Denn mit der späten D-Dur-Sonate Schuberts öffnete Alice Sara Ott noch weitaus tiefer gehende  Perspektiven. Dass diese Sonate eher selten zu hören ist, könnte mit der irritierenden Vielzahl von  musikalischen Haltungen zusammenhängen, die Schubert hier wie als Psychogramm einer  romantischen Seele anklingen lässt. Emphatische Aufbruchsstimmung, reines Walzerglück, melancholisches Schweifen in Akkordflächen – ständig und unvermittelt wechselt da der Tonfall. Musik, die sowohl  Einfühlung und emotionale Hingabe erfordert wie auch ein klares Bewusstsein darüber, wie sich ihr Facettenreichtum in Klang setzen lässt. Alice Sara Ott vereint all das auf kongeniale Weise, spielte mit heißem Herzen und imponierender Technik. Doch auch das war noch längst nicht alles.
Denn nachgerade überwältigend war, mit welcher Bravour und überlegener Gestaltungskraft Alice Sara Ott nach der Pause die berühmten „Bilder einer Ausstellung“ zu einer Demonstration großer Klavierkunst machte. Dass man ein bekanntes Stück quasi „wie zum ersten Mal“ höre, ist eine gern verwendete Phrase – doch hier hatte sie ihre Berechtigung. Natürlich weiß man, wie abrupt „Der Gnom“ in die gemessene Promenade einfährt, wie der Ochsenkarren in „Bydlo“ durch den Acker rumpelt, man kennt die unheimlich dräuende Atmosphäre in den „Katakomben“ und das Pathos im „Großen Tor von Kiew“ – aber hat man das alles jemals derart farbenreich beleuchtet, bis ins Detail plastisch ausgeformt und pianistisch derart brillant umgesetzt gehört wie bei Alice Sara Ott? Zarte 25 Jahre alt ist Alice Sara Ott. Aber man kann sie getrost schon zu den Großen ihrer Zunft zählen.       (StZ)

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