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High End München 2013

02.
Jun.
2013

Stimmen Stimmen?

Ein persönlicher Bericht von der High End Messe in München 2013

Nachdem mir im Vorjahr die Zeit zu knapp wurde, um auch nur jene Aussteller abzuklappern, die ich mir vorgenommen hatte, plante ich diesmal großzügiger: einen knappen Nachmittag und den ganzen folgenden Tag hatte ich zur Verfügung. Das sollte reichen – dachte ich.
Aber leider hatte ich nicht damit gerechnet, dass Ohren keine grenzenlos belastbaren Organe sind: nach ein paar Stunden in wechselnden Hörstudios stellen sie zwar ihre Funktion nicht ein, melden dem Großhirn aber eindeutig den Zustand von Überforderung. Dann braucht auch der willigste High Ender eine Pause.

TAD

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Teuer und gut: TAD

Einige Hersteller wollte ich aber auf jeden Fall besuchen, darunter auch die Firma TAD, ein Kürzel für „Technical Audio Devices“. Das ist eine Tochterfirma von Pioneer, die sich vor allem in der Studioszene einen Namen gemacht hat, seit einigen Jahren aber auch das klassische Home Hifi Segment mit hochpreisigen Produkten bedient.
In München hatten sie eine Kette mit dem Teuersten aufgebaut, was der Katalog hergibt. Allein die Lautsprecher Reference One kosten 70.000 €, für die Monoblöcke M600 und die Vorstufe C600 sind zusammen nochmal über 90.000 hinzulegen, und auch der CD-Spieler D600 schlägt mit satten 31.000 zu Buche. Damit ist auch der Anspruch definiert: das sollte Ultra High End sein. Und das ist es auch.
Die Kette spielte ungemein sauber und körperhaft, mit einem auf einnehmende Art unspektakulären Klang, der sich auf einem präzisen wie dezenten Bassbereich aufbaut. Signifikant, dass diese Vorführung – im Vergleich zu den meisten anderen – gar nicht besonders laut war, denn das brauchte sie gar nicht, konnte man doch schon in besserer Zimmerlautstärke jedes Detail hören. Die ersten Hörbeispiele waren Jazz, der wirklich sehr realistisch klang, hoch aufgelöst, impulsstark, mit realistischen Abmesssungen der Instrumente. Wirklich gul.
Hellhörig wurde ich, als dann eine CD von einer meiner Lieblingsjazzsängerinnen, nämlich von Ida Sand, eingelegt wurde. Deren Stimme kenne ich nämlich von diversen Aufnahmen sehr gut, und ich war etwas irritiert, dass diese über die TAD-Kette leicht eng, minimal gequetscht klang und auch die tiefen Frequenzbereiche etwas überbetont waren. Ein Eindruck, der sich bei den darauf zu hörenden Aufnahme mit Männerstimmen bestätigte. Damit deutete sich schon an, was ich im Verlauf der vielen Hörsessions während der Messe noch feststellen würde: nichts ist so schwer realistisch darzustellen wie menschliche Stimmen. Selbst sehr gute Anlagen wie diese von TAD können da mitunter Schwächen offenbaren.

Canton

Bei Canton hörte ich aus Neugier mal rein, denn diese Firma besaß in meiner Jugend einen exzellenten Ruf. Wer es sich damals leisten konnte, kaufte sich Cantonboxen, und mit seinen Reference-Modellen ist der legendäre deutsche Boxenpionier auch heute wieder in den Ranglisten der einschlägigen Magazine ganz oben zu finden. Dass das aber vermutlich weniger mit den Qualitäten der Lautsprecher als mit der Anzahl der dortselbst geschalteten Anzeigen zu tun haben dürfte, zeigte die Vorführung der Reference DC 1.2 leider sehr deutlich. Der Vorführer hob eindringlich die Qualität der eingebauten Mitteltöner hervor und spielte zum Beleg eine Live-Aufnahme mit vier verschiedenen Männerstimmen. Das hätte er mal lieber lassen sollen. Die Stimmen tönten verfärbt und tonal unausgewogen, mit zischigen S-Lauten, bei Instrumentalstücken dann bullerten die Bässe fast wie in Özgürs tiefergelegtem Golf an der Ampel. Ich empfinde das wie Car-Hifi in Großformat. Fehlt nur noch der Wunderbaum.

Raidho

Teuer, aber mäßig: Raidho C 4.0

Teuer, aber mäßig: Raidho C 4.0

Dass Dänen gute Lautsprecher bauen können, ist ja bekannt, Dynaudio und Dali beweisen es seit Jahren. Mit Raidho ist seit einiger Zeit ein weiterer Hersteller auf dem Markt, der bereits einige Lorbeeren in Form guter Testberichte einheimsen konnte und in München sein Topmodell C 4.0 präsentierte. Angesichts des Verkaufspreises von 85.000 € bietet sich freilich an dieser Stelle ein kleiner Exkurs an:

Warum muss High End so teuer sein?

Wer sich die Preise für High End betrachtet, der kann den Eindruck gewinnen, dass manche Firmen es geradezu darauf anlegen, die teuersten Produkte im Sortiment zu haben. Klar, auch früher gab es schon sündteures Hifi. Mittlerweile aber sind bei Elektronik fünfstellige Europreise fast schon die Regel, bei Lautsprechern wird es nicht selten gar sechsstellig.
Nach meiner Einschätzung gibt es für diesen Trend vor allem zwei Gründe.
Der eine ist in den neuen, außereuropäischen Märkten zu suchen. Vor allem in Fernost, In Russland und den arabischen Ländern gibt es eine relativ neue, extrem statusorientierte Käuferschicht, für die Geld nur insofern keine Rolle spielt, als sie genug davon haben. Da braucht es nicht günstig zu sein, im Gegenteil: nur wenn es möglichst teuer ist bietet der Kauf einen ausreichenden Distinktionsgewinn. Ein Händler berichtete mir, dass sich auf einer Messe ein Russe nach dem Preis der ausgestellten Kette gefragt habe, immerhin die Spitzenprodukte der Firma. 120 000.- € antwortete der Händler, worauf der Russe gelangweilt abgewunken habe. Zu billig, meinte er. Bei 300 000.- wäre man vielleicht ins Geschäft gekommen.
Darauf haben die Firmen reagiert. Und zwar nicht nur dadurch, dass die Produkte immer teurer, sondern, vor allem was Boxen anbelangt, auch immer größer werden. Denn wo es mehr um Status als um Klang geht, ist mit feinen Zweiwegmonitoren kein Staat zu machen. Da müssen es schon übermannsgroße Monsterkisten sein. Wie die kingen, ist eine andere Frage.
Der andere Grund erschließt sich, wenn man sich die Bestenlisten der Hifimagazine anschaut, wo die Qualität der Lautsprecher quasi in einem direkten Verhältnis zum Verkaufspreis zu stehen scheint, nach dem Motto: teurer ist immer auch besser. Das ist zwar de facto absurd, aus Marketingperspektive aber nachvollziehbar. Denn mal angenommen, die Isophon Berlina RC11, Listenpreis 150.000 €, stünde nicht als teuerste Box des Testspiegels von Stereoplay auch ganz oben, sondern da, wo ich sie klanglich platzieren würde, nämlich auf jeden Fall deutlich hinter die Dynaudio Focus 380 (6200.-): Was wäre das für eine Blamage! Stereoplay hätte da wohl auf absehbare Zeit keine Anzeige von Isophon mehr zu erwarten.
Ich will damit nicht sagen, dass teure Boxen nicht auch sehr gut sein können. Aber gesteigerter technischer Aufwand geht durchaus nicht zwangsläufig auch mit besserem Klang einher.

Damit wären wir jetzt wieder bei

Raidho und der 85.000 Euro teuren C 4.0, von der ich ehrlich gesagt einigermaßen enttäuscht war. Zwar war die Auflösung durchaus ordentlich, aber das Ungetüm hatte den für viele Lautsprecher dieses Kalibers typischen, vorlauten Blubberbass, dazu war das Klangbild insgesamt merkwürdig verhangen: die Anblasgeräusche eines Saxophons waren mehr zu erahnen als zu hören. Hätte ich mehr erwartet.

ADAM AUDIO

Weniger erwartet habe ich dagegen von Adam Audio. Ich bin nicht unbedingt ein Aktivfan, dazu finde ich die Lautsprecher von Adam ausnehmend hässlich, dass ich sie niemals in mein Wohnzimmer stellen würde. Aber klanglich war ich angenehm überrascht: Sehr feine Auflösung, tonal stimmig, differenzierte Bühnendarstellung. Alle Achtung.

DYNAUDIO

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Giftig: Evidence Platinum

Ein Besuch hier war natürlich Pflicht, zählt die dänische Lautsprecherfirma bekanntermaßen seit vielen Jahren zu meinen Favourites: Gerade die „normalen“ Lautsprechermodelle von Dynaudio wie die aus der Contour- oder der Focus-Reihe finde ich nach wie vor State of the Art, Besseres ist für das Geld schwer zu finden. Etwas schwerer tue ich mich seit einiger Zeit mit den Spitzenprodukten der Firma wie etwa der neuen Evidence Platinum (64.500.-). Die war nicht beim Dynaudiostand selber, sondern gegenüber bei OCTAVE an einer Monsterkette mit riesigen Monoblöcken zu hören. Tja, was soll ich sagen? Auch hier gilt: größer und teurer ist nicht immer besser. Klar, das war ein unglaublich straffes, durchhörbares Klangbild, in seiner unspektakulären Aufgeräumtheit und Diskretion typisch Dynaudio. Aber wieder offenbarte die Stimmwiedergabe Schwächen: Scharfe S-Laute und leicht gequetscht sang da Peter Green,auch so ein klein bisschen harsch, giftig, unrund, in etwa so, wie ich auch die aktuellen Confidence-Modelle im Ohr habe. Woran das liegt? Keine Ahnung. Vielleicht gefällt das ja den Ölscheichs.

 Gauder Akustik

Da wir gerade bei Isophon waren: Isophon heißt jetzt, nach dem Entwickler der Boxen, Gauder. Das ist aber auch die einzige Neuigkeit, denn klanglich finde ich die Kisten immer noch mau, dem Schild „Bester Lautsprecher der Welt“ zum Trotz, das neben der Berlina RC11 hing. Auch hier entlarvte die Stimmwiedergabe tonale Schwächen, in diesem Fall sang Diana Krall etwas quetschig und scharf, dazu wummerte der Bass schier die Ohren zu. Nein, danke, die 150 000 Euro, sofern ich sie hätte, würde ich lieber für was anderes ausgeben.

TIDAL   

Best of show: TIDAL

Best of show: TIDAL

Für Tidal vielleicht. Die Vorführung des deutschen Ultra High End Spezialisten, der hierzulande noch wenig, in den USA dafür schon ziemlich bekannt ist, war für mich eines der Highlights der Messe, in der Gesamtperformance vielleicht sogar „Best of the Show“, weshalb ich mich auch etwas wunderte, dass der TIDAL-Hörraum eher durchschnittlich frequentiert war – High End auf diesem Niveau dürfte man bei kaum einem Händler jemals hören können, was auch daran liegt, dass TIDAL, ahnlich wie TAD, das alleroberste Preissegment bedient: der Wert der hier vorgestellten Anlage dürfte die 300.000 Euro Grenze deutlich übersteigen. Wer aber soviel Kohle ausgeben kann, kriegt dafür auch ordentlich was geboten.
Bei dieser aus einer Analogquelle gespeisten Anlage gab es wirklich gar nichts zu meckern. Egal ob Pop, Klassik oder Jazz, hier klang alles absolut stimmig: das beginnt mit einem vorbildlich sauberen, knochentrockenen Bass (Paukengrollen etwa klang adäquat mächtig, aber ohne dass dabei, wie bei Backes & Müller oder Konsorten, gleich die Wände einzustürzen drohen), dazu kommen eine geradezu explosive Dynamik, feinste Auflösung und eine Bühnenabbildung, die hier, anders als oft behauptet, wirklich realistisch wirkt. Ein großes Klangbild entsteht dabei nicht durch Aufzoomen der Instrumente, sondern durch Auffächern der Klangereignisse und Rauminformation.
Auch optisch sind die Komponenten fabelhaft gemacht, die Lautsprecher (hier war es das zweitgrößte Modell. die Agoria, Gewicht 440 kg, Preis um die 85.000 €) glänzen mit einem wunderbaren Makassarfurnier. Angetrieben wurden sie von gleich vier TIDAL-Monoblöcken, verkabelt war alles mit Argento Audio, ein Stereoset des Flow Master Reference Lautsprecherkabels kostet 9400 Euro. Pro Meter.
Das klang schon toll und zeigt, was heute machbar ist. Freilich kann man sich angesichts des gigantischen materiellen und finanziellen Aufwands, der da getrieben wird schon fragen, ob High End auf diesem Niveau nicht auch mit weniger Material- und Geldeinsatz zu verwirklichen ist. Dass das gehen kann, zeigt beispielsweise

Brodmann

Es ist ja kein Geheimnis, dass deren Lautsprecher seit der High End 2012 ganz oben auf meiner persönlichen Liste stehen. Seit ich die fabelhaften VC7 mein eigen nenne, ist für mich das Thema Lautsprecher erst mal erledigt, daran kann auch Tidal nichts ändern. Und da die Wiener Firma ihr komplettes Lautsprecherprogramm dabei hatte, war ein Besuch hier natürlich Pflicht. Brodmanns Spitzenmodell, die JB 205, war allerdings nicht in der Vorführung, sondern stand im Foyer des MUC neben einem Flügel der Firma, die ja auch hochwertige Klaviere baut.

Brodmann JB 205 mit Flügel

Brodmann JB 205 mit Flügel

Nun war der Brodmann-Raum, anders als der etwa von TIDAL, wohl nicht in erster Linie als Hör-, sonder eher als Ausstellungsraum konzipiert. Zwar konnte man drei komplette Anlagen hören – darunter auch die VC7 – allein die räumlichen Verhältnisse verhinderten aber, dass die Lautsprecher ihr wirkliches Potential zeigen konnten. Der Andrang bei Brodmann war trotzdem groß, allmählich scheint sich herumgesprochen zu haben, dass hier Außergewöhnliches geboten wird. Beispielhaft konnte man das am kleinsten Lautsprecher von Brodmann, der FS aus der Festival-Reihe hören. Die grade mal schuhkartongroße Box – Gewicht je 10kg, Preis pro Paar unter 3000 € –  dürfte, was Dynamik und tonale Stimmigkeit anbelangt, das Gros der auf der Messe vorgestellten Boxen an die Wand spielen, ganz egal welcher Preisklasse, und das, obwohl man keine Tiefbassorgien von ihr erwarten kann. Bei vielen Besuchern sorgten die Minis denn auch für Ahs und Ohs – manche konnten zunächst gar nicht glauben, dass hier wirklich die kleinsten Lautsprecher spielten. Angesteuert wurden sie von einer sehr hochwertigen Kette von Electrocompaniet mit 2 Monoblöcken, was mit zu der überzeugenden Vorstellung beigetragen haben dürfte.

Brodmann mit den kleinen FS

Brodmann mit den kleinen FS im Vordergrund

Wilson Audio

Rappelvoll war die Bude bei Wilson, was wohl vor allem an dem gigantischen Werbeaufwand der Amerikaner liegen dürfte. Optisch erinnern mich die Kisten immer etwas an Müllcontainer, was nicht nur an der Plastikrollen liegt, auf denen sie stehen. Klanglich? Nun ja, für mich ist das irgendwie Brachial-Hifi: alles ist etwas zu dick aufgetragen, dazu klingen Stimmen – wieder einmal – deutlich verfärbt. Bei der Vorführung des Modells „Sasha“ wurde einem ein Bassgitarrengewitter um die Ohren gehauen, gefolgt von einem Show-Orchesterstück, ganz gut aufgelöst und räumlich, aber auf Dauer nervig. Wie bei überwürztem Essen hat man schnell genug davon.

En passant 

Kurz reingeschaut und reingehört habe ich bei diversen Ausstellern, hier zusammengefasst noch einige  Eindrücke.

(Schlecht) klingende Hundeknochen: Kharma

(Schlecht) klingende Hundeknochen: Kharma

Einen Besuch bei Kharma konnte ich mir einfach nicht verkneifen, obwohl das schon im Vorjahr nicht erquicklich war. Aber die im Hundeknochendesign aufwartenden und nach wirklich gar nichts klingenden Monsterboxen sind einfach zu schräg, als dass man sie igorieren könnte.

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AYON: Wer will an den Marterpfahl?

Die Tendenz zu immer größeren Boxen zeigte sich auch bei der Firma Ayon: Riesige Pfähle im Baumstammdesign nach dem Motto „big is beautiful“, klanglich Richtung Wilson mit einer Tendenz zum Boosten. Auf den ersten Höreindruck klingt das ganz gut, auf den zweiten vermisst man aber eine nachvollziehbare Bühnenabbildung, Instrumente wie Stimmen waren trotz SItzen im Sweet Spot kaum zu orten.

Dan d´Agostino präsentierte seine Verstärker im Personenwaagendesign mit Lautsprechern von Sonus Faber – warum das nun derart matt und langweilig klang, ob´s an der Elektronik oder den Lautsprechern oder dem Raum lag – keine Ahnung.

Spacy, spacy...Göbel

Spacy, spacy…Göbel

Gute Chance auf den Titel des hässlichsten Lautsprechers könnte man dem Modell Epoque Reference von Göbel zugestehen, die so ein bisschen nach Raumschiff Enterprise aussehen. Über den Klang will ich mich nicht weiter auslassen….

Zum Schluss aber noch ein Tipp: die Koax-Lautsprecher der Firma  KAOS mögen vielleicht etwas antroposophisch aussehen, klingen aber dafür richtig gut.

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