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High End in München 2012 Besuchsbericht

17.
Mai.
2012

BASS ODER WAS?

Selbst wenn man nicht wissen sollte wo das MUC in München-Freimann genau zu finden ist: man braucht sich einfach an den Plakatwänden mit der Hifi-Werbung orientieren. Wenn dann noch vermehrt unauffällig gekleidete Männer mit bedruckten Plastiktüten auftauchen,  auf denen „Dynaudio“ oder „B&W“ steht, kann man sicher sein: es ist nicht mehr weit sein zur High End. So war es auch an dem regnerisch-kühlen Sonntag, an dem ich nach München kam. Es war mein dritter Besuch bei der Riesenmesse, die wieder einen Rekord verbuchen konnte, was die Zahl der Aussteller anbelangt. Von Accustic Arts bis Zen Sati war wirklich fast alles vertreten, was in der Szene Rang und Namen hat, mit den bekannten, dafür umso bedauerlicheren Ausnahmen: Accuphase etwa sucht man hier schon immer vergebens. Enttäuscht war ich auch, dass Magnepan diesmal nicht vertreten war, zu gerne hätte ich den neuen Flächenstrahler 3.7 gehört.

Da ich nur einen Tag Zeit hatte, war bei über 350 Ausstellern jedenfalls jeder Versuch, hier auch nur alle Aussteller mit Hörstudios abzuklappern, von vornherein obsolet. Ein paar Pflichtbesuche hatte ich auf meiner Liste. Der Rest sollte sich ergeben.

DYNAUDIO

In der Hoffnung, endlich einmal das legendäre Topmodell „Consequence Ultimate Edition“ hören zu können, machte ich mich also zuerst auf zu DYNAUDIO ins Atrium der Halle 3. Und gleich ein langes Gesicht, als ich erfahren musste, dass sie die Consequence gar nicht mitgebracht hatten. Stattdessen wurde die neue drahtlose XEO vorgestellt – eine schöne Sache für designorientierte Zeitgenossen, die sich ihre Lofts nicht mit Kabelsträngen verschandeln lassen wollen (einen Netzanschluss brauchen die Dinger freilich trotzdem noch…aber vielleicht gibt es ja bald eine Akkuversion). Und das klang auch wirklich nicht schlecht – bisschen dünn vielleicht. Aber für den echten High Ender eher uninteressant. Interessanter war dann die Vorführung in der Chord-Box mit der Confidence 4, die ja nun auch schon einige Jahre auf dem Buckel hat und die mir in den bisherigen Vorführungen nie wirklich zusagen wollte. Diesmal aber wurde sie von zwei fetten Monoblöcken angesteuert, und plötzlich legte die Box jene Qualitäten an den Tag, die ich bisher vermisst hatte: Schöne Klangfarben vor allem, aber auch einen wirklich konturierten Bass. Ob die C4 tatsächlich auch so eine Mimose ist, was Verstärker anbelangt, wie meine Confidence 5? Die ich freilich gegen die C4 nicht tauschen würde. Wie aus gut informierten Kreisen bekannt wurde, bastelt DYNAUDIO derzeit an den Confidence-Nachfolgemodellen. Da kann man nur hoffen, dass die neuen nicht mehr das Klammeraffendesign der aktuellen Serie aufweisen.

Irgendwie süß: Dynaudio XEO, drahtlos

 

 

 

 

 

 

 

 

BACKES & MÜLLER

Und weil ich schon mal da war, schaute ich gegenüber mal bei BACKES & MÜLLER rein. Nein, das ist keine Firma für Bäckereibedarf, sondern der deutsche Aktivboxenpionier, aber das wissen Sie ja schon längst. Vielleicht weiß aber nicht jeder, dass B&M zusätzlich zu seinen riesigen Standboxen wie der BM 35 oder BM 50 seit einiger Zeit auch noch Subwoofer anbietet, die ebenfalls Übermannsgröße haben. Solche wurden dann im Verbund mit der BM 35 vorgeführt, dabei kam eine Perkussionsaufnahme zum Einsatz, auf der auch – wie der Vorführer betonte – eine Pauke mit einem Durchmesser von 1,5 m zu hören war. Was man aber hörte, klang eher wie das Umstürzen eines erlegten Tryannosaurus Rex in einer Dolbyversion von Jurassic Park. Oder ein veritables Erdbeben der Stärke 7,5. Die Besucher im gut gefüllten Studio jedenfalls schienen sehr beeindruckt, und das war dann auch eine Erfahrung, die ich im weiteren Verlauf des Tages immer wieder machen sollte: nichts kommt so gut (an) wie Bass. Je mehr Bass, desto besser, bis die Trommelfelle wackeln und die Magenwände vibrieren.
Abschließend noch zu B & M: Nicht, dass diese Boxen schlecht klingen, weder die präsentierte BM 35 noch die größere BM 50, die früher schon mal gehört habe, aber irgendwie werd ich mit den Kisten auch nicht wirklich warm. Wie die allermeisten dieser sogenannten Superlautsprecher finde ich auch hier den Klang etwas zu sehr auf Effekt und Wirkung getrimmt. Stimmen erscheinen wie aufgezoomt, ein spektakulärer Breitwandsound ohne wirkliche Feinauflösung. Wie bei überwürztem Essen, das auf den ersten Bissen toll schmeckt, entwickle ich da schnell einen gewissen Überdruss und war nach einer Viertelstunde Hören froh, wieder draußen zu sein. Aber wem´s gefällt…….

 

 

 

 

 

 

 

 

AUDIONEC

Ganz anders als bei AUDIONEC. Dessen Entwickler Jörg Klein hatte diesmal nicht seine ganz große „Answer“, sondern die etwas abgespeckte Version seines außergewöhnlichen Schallwandlers mit konventionellem Basstreiber anstelle des Dipolstrahlers mitgebracht. Die Mittel- und Hochtontreiber allerdings sind die selben wie bei jenem Modell, das einige Fachmagazine im letzten Jahr als die beste Vorführung der gesamten Messe ausgezeichnet haben, angesteuert wird die auch optisch ungewöhnliche Box von einem digitalen Musikserver mit integriertem DSP-System zur Raumanpassung. Ganz anders als bei B & M verführt dieser Lautsprecher sofort zum Hinhören. Stimmen werden in natürlichen Dimensionen und absolut sauber abgebildet, man nimmt auch sehr feine Strukturen wahr, auch die Raumabbildung erscheint stimmig. Einzig eine ganz leichte Überbetonung, vielleicht auch leichte Unpräzision im oberen Bassbereich trübte das insgesamt sehr schöne Klangbild – möglicherweise macht das ja den Unterschied zur deutlich teureren „großen“ Version.

Klingt harmonisch: AUDIONEC

 

 

 

 

 

 

 

 

 

NOLA SPEAKERS

Den Vogel abgeschossen, was Aufwand und schiere Größe anbelangt, hatte in diesem Jahr wohl die Firma NOLA SPEAKERS. Vielleicht lag es an der schieren, einschüchternden Abmessungen des GRAND REFERENCE IV SYSTEMS, dass sich immer nur eine Handvoll Mutiger trauten, sich in die zwei Reihen vor den riesigen vier Türmen zu setzen. Dabei war die Performance durchaus eine Erfahrung wert. Ich habe jedenfalls noch keine elektroakustische Simulation erlebt, die die Dimensionen einer Kirchenorgel derart glaubhaft wiederzugeben vermochte wie diese Lautsprechermonster. Das war schon toll. Was die anderen Musikbeispiele angelangt: da gilt dasselbe wie für B & M . Falls sich unter den werten Lesern Ölscheichs oder russische Oligarchen befinden sollten: das wäre ein Spielzeug für Ihre Paläste, günstig dazu. Das Pärchen kostet, ohne Elektronik, 238000 Dollar. Für die Nordost Odin-Verkabelung kommen leicht noch mal 100 000 dazu. Dafür ist sie aus Silber.

Oligarchenspielzeug: Nola Grand Reference

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

ISOPHON

Etwas billiger wird es da bei ISOPHON: deren Spitzenmodell Berlina RC 11 gibt es schon für 150 000 Euro, das ist dann schon etwas für den Musikliebhaber mit schmalerem Geldbeutel. Nein, im Ernst: ich frage mich wirklich, wie Stereoplay-Chefredakteur Holger Biermann dieses Monstrum als „besten Lautsprecher der Welt“ bezeichnen konnte. Dass das Ungetüm hässlich ist, spielt dabei eine untergeordnete Rolle – wenngleich es ja auch möglich sein sollte, Riesenlautsprecher zu bauen, die nicht das Wohnzimmer verschandeln. Nun mögen die akustischen Bedingungen auf der Messe vielleicht nicht optimal gewesen sein (aber welcher Hörraum ist schon perfekt?), dass aber die Tonalität dieser Box nicht stimmt, das hört man eigentlich sofort. Denn dieser Lautsprecher bringt vor allem eines: Bass. Stimmen klingen darüber, als hätte man beim Equalizer den Bassbereich gleich um mehrer Dezibel angehoben, was das Klangbild komplett aus dem Lot bringt. Holger Biermann beschwörte in seinem euphorischen Testbericht als Qualität dieser Box, sie eröffne die „Welt unter 20 Hertz„,die „Welt der subsonischen Details und der kleinen Aufnahme-Unfälle“, was ich nicht im Entferntesten nachvollziehen kann. Musikalisch spielt sich in diesem Bereich kaum etwas Relevantes ab, und es gibt nicht ohne Grund bei manchen Verstärkern einen Subsonic-Filter, um genau diese störenden Aufnahmefehler auszublenden. Des weiteren beschrieb Biermann eine „Klarheit über das gesamte Spektrum“, wie er sie noch nie gehört habe. Na ja. Ich habe da schon weitaus Besseres gehört.

Isophon Berlina

 

 

 

 

 

 

 

 

 

BRODMANN ACOUSTICS

Zum Beispiel die Lautsprecher der Wiener Firma BRODMANN, für mich die Entdeckung dieser Messe. Es war schon später Nachmittag und ich war einigermaßen erschöpft, als ich eher aus Zufall in den Hörraum geriet, aus dem doch tatsächlich klassische Musik zu hören war. Die Musik war eher leise, man befand sich gerade in einem Gespräch, aber ich nahm sofort eine Qualität wahr, die ich bis dahin nur in Ansätzen erleben durfte: Authentizität. Da klang eine Geige nach Geige und nicht, wie sonst, nach Lautsprecher. Eben nach Original und nicht nach Reproduktion, was ja doch das eigentliche Ziel von High End sein sollte. Ich hörte einige Stücke, Orchestermusik, auch eine Bluesband, doch der Eindruck blieb derselbe: eine absolut realistische Klanglichkeit ohne jede Verfärbung, stimmige Größenverhältnisse, dazu Dynamik und Impulsschnelligkeit. Fantastisch.

Schaut man sich die Boxen genauer an, fällt einiges auf. Nicht nur, dass die Mitteltöner auf der Seite angebracht sind – es gibt keinen, zumindest keinen sichtbaren, Basstöner. Tatsächlich ist das Prinzip dieser Lautsprecher einigermaßen ungewöhnlich. Entwickelt wurde es von dem Akustiker Hans Deutsch für die Firma Bösendorfer, jenem legendären Klavierhersteller, dessen Lautsprechersparte 2008 von Brodmann übernommen wurde. Statt auf konventionelle Basschassis und eine Dämmung der Box setzt Deutsch auf sogenannte Hornresonatoren und Acoustic Boards – das heißt,  die Luft zwischen dem steifen Gehäuse und den Soundboards wird zum phasenkorrekten Schwingen angeregt. Wer sich genauer dafür interessiert, findet die technischen Details auf der Brodmann-Website.

Ich gebe aber gerne zu, dass mich diese schlanken, eleganten Lautsprecher nicht nur akustisch fasziniert haben. Auch optisch sind sie eine Wucht: Es sind Möbelstücke mit einer derartig überragenden Verarbeitung, wie ich sie bei Lautsprecherboxen nie zuvor gesehen habe. Die Klavierlackoberflächen der sensationell schönen Furniere (hier war das Modell Vienna Classic VC7 ausgestellt) bilden einen wohltuenden Kontrast zum Gros der konfektionierten MDF-Kisten, die man sonst zu sehen bekommt.

Siehe auch meinen neuen Bericht!

Brodmann VC7

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

EN PASSANT

In einige Hörstudios habe ich noch mehr oder weniger kurz reingehört. Beeindruckt hat mich dabei die Vorführung des dänischen Herstellers Vitus Audio, die ihre Monoendstufen SS-101 der Signature Reihe an einer Focal Maestro Utopia präsentierte. Sehr erfreulich die Dezenz dieser Kette, die ungemein präzise und sauber spielte, tonal etwas kühl, aber nicht harsch, knochentrockener Bass. Alle Achtung.

Im Gegensatz zu der amerikanischen Firma LAWRENCE, deren Boxen im Violinen- bzw. Cellodesign mir, Bassüberhöhung inklusive, einfach zu sehr nach Lautsprecher klangen. Über das Design kann man auch sehr unterschiedlicher Meinung sein. Warum in aller Welt soll ein Lautsprecher wie ein Streichinstrument aussehen? Das Motto „Beauty is only the beginning“ lässt sich da auch als unfreiwillige Ironie lesen. Freilich: ein ganzes Orchester aus lauter Lautsprechern! Das wäre doch ein Traum für manchen klammen Stadtkämmerer.

Interessant der Besuch bei FÖRSTER AUDIOTECHNIK. Die Vorführanlage des bayerischen Herstellers bestach durch eine selten zu hörende, sehr anspringende Natürlichkeit und trocken-luftigen Bass. Die Höhen recht weich, insgesamt eher grundtönig abgestimmt, wobei mir die letzte tonale Stimmigkeit im Mitteltonbereich noch fehlte. Sollte man weiter im Auge behalten.

Lustig der Besuch bei KHARMA, einem Hersteller, der seine Zielgruppe der Jaguarfahrer und Golfspieler fest im Visier hat: das Studio sah aus wie eine Luxury Business Lounge, mit Plüschsesseln, Leder und Fotos von hübschen Hostessen. Die Lautsprecher klangen auch nicht schlecht. Bisschen zischige S-Laute, etwas Loudness. Aber sonst…

Eine ähnliche Zielgruppe dürfte auch die amerikanische Firma ABSOLARE anpeilen: Verstärker mit Lederverkleidung!! Darauf muss man erst mal kommen.

Versäumt habe ich leider die Vorführung der Signature Lautsprecher von T & A, die mich interessiert hätte, aber nach meinem ausgiebigen Besuch bei BRODMANN blieb einfach keine Zeit mehr.

Meine letzte Vorführung, und die darf nicht unerwähnt bleiben, war die der KEF Blade. Ich gebe ja zu, dass ich ein Faible für Traditionshersteller wie KEF habe, und mit der Blade habe die einen echten Knaller gelandet – selbst wenn ich die ebenfalls ziemlich basslastige Boxenskulptur wohl nicht gegen meine Dynaudios tauschen würde. Wer die Abbildungsgenauigkeit und Dynamik dieser Box aber gehört hat, versteht, warum manche das Koaxprinzip so nachhaltig verfechten. Für Pop und Rock ganz sicher ein Hammer.

Edel, edel. KHARMA

KEF BLADE

Lautsprechendes Streichorchester: LAWRENCE