Ivo Pogorelich spielte mit den Stuttgarter Philharmonikern Chopins 1. Klavierkonzert

18.
Okt.
2011

Feltz in der Brandung

Ivo Pogorelich

Als Ivo Pogorelich Anfang der 80er Jahre die Pianistenbühne betrat, spaltete er die Fachwelt. Den einen galt er als pianistisches Genie,den anderen als manieristischer, auf Effekt schielender Blender. Im Gegensatz zu damals trägt Pogorelich heute sein Haar millimeterkurz: fast asketisch wirkt der 52-Jährige, wenn er im Beethovensaal am Flügel sitzt, freundlich, aber ungemein konzentriert. Schon zum zweiten Mal spielt er mit den Stuttgarter Philharmonikern, die das als Auszeichnung begreifen dürfen: Pogorelichs Vorbehalte gegen den Gastspielbetrieb sind legendär,  und wenn er mit einem Orchester auftritt, dann meist mit renommierten Klangkörpern wie dem Philharmonia Orchestra.  Gabriel Feltz weiß das und bemüht sich um seinen berühmten Gast nach Kräften. Pogorelichs Rubati können ein begleitendes Orchester leicht in die Verzweiflung treiben, und auch in Chopins erstem Klavierkonzert gibt es Stellen, an denen er die musikalische Zeit bis zum Zerreißen dehnt. Doch Feltz hat sein Orchester im Griff. Pogorelich bekommt die Zeit, die er braucht, um vor allem im Larghetto sein nach wie vor bezwingendes Espressivo weit ausschwingen zu lassen. Ansonsten aber überrascht sein betont männlicher Zugriff: als wolle er anspielen gegen jeden Anflug salonesker Parfümiertheit, legt er beunruhigende, verstörende Tiefenschichten in dem Konzert frei. Setzt einzelne Töne wie Nadelstiche, martellato, und steigert sich im dritten Satz in eine vor innerem Feuer und Energie berstende Tour de force. Ganz große Kunst.

Schwer für das Orchester, nach der Pause mit Mendelssohns Ouvertüre zu „Ein Sommernachtstraum“an diese Intensität anzuknüpfen. Aber sogar der heikle Bläserbeginn gelang weitgehend sauber, und im Verlauf arbeitete Feltz das Wunderliche, duftig Atmosphärische dieser Märchenmusik kongenial heraus.

Und sogar die Orchestermassen in Bartóks schreckenssatt-martialischer Konzertsuite „Der wunderbare Mandarin“ hielt der Dirigent auf souveräne Manier zusammen, seinem blendend disponierten Orchester immer die richtigen Impulse gebend: ein echter Feltz in der Brandung. (Stuttgarter Zeitung)

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