Das Dänische Nationalorchester mit Tzimon Barto unter Thomas Dausgaard in Stuttgart

21.
Apr.
2012

Tzimon Barto

Etwas lau begann das Konzert des Dänischen Nationalorchesters unter ihrem langjährigen Chefdirigenten Thomas Dausgaard im Beethovensaal. Schumanns dritte Sinfonie, die „Rheinische“ hatte Dausgaard schon vor einigen Jahren mit dem Schwedischen Kammerorchester aufgenommen – klein besetzt und, was Phrasierung und Tempowahl anbelangt, durchaus an den Maximen historischer Aufführungspraxis orientiert. Zwar wählte Dausgaard auch mit den Dänen durchweg zügige Tempi und bemühte sich vor allem in den Ecksätzen um organische Durchformung und tänzerischen Schwung, aber die klangliche Übermacht der groß besetzen Streicher machte alle Bemühungen um Durchhörbarkeit und Klanggestaltung weitgehend zunichte. Die Holzbläser hatten kaum eine Chance, gehört zu werden, selbst das Blech musste sich mächtig ins Zeug legen. Dazu kam, dass auch der Streicherklang selbst eine deutliche Tendenz zum Pastosen offenbarte, was nicht zuletzt daran lag, dass offenbar jeder Musiker selber über den Einsatz von Vibrato bestimmen konnte. Das setzte vor allem dem langsameren Mittelsätzen schwer zu: deren fragile Linien verschwammen wie hinter einer Nebelbank.
Zwei Tage zuvor hatte das Orchester Griegs Klavierkonzert a-Moll in Essen noch mit der Pianistin Alice Sara Ott aufgeführt, an diesem Abend übernahm der Amerikaner Tzimon Barto den Solopart. Nicht nur optisch ist der kraftstrotzende Hüne Barto der größte denkbare Kontrast zu der zarten Klavierfee Ott, auch pianistisch trennen die beiden Welten.  Barto setzte an diesem Abend auf die Wirkung extremer Kontraste: reizte die Agogik in den lyrischen Passagen bis an die Grenze zum Überphrasieren aus, um kurz darauf den Steinway wieder mit massiven Bassattacken zu traktieren. Zwar lebt Griegs Konzert von abrupten  Stimmungswechseln und  Kontrasten – die sollten aber nicht, wie hier, als abrufbare Register einfach gezogen, sondern als Haltungen einer zerrissenen romantischen Seele erlebbar werden. Exemplarisch wurde Bartos Vorstellung von musikalischer Tiefe dann in seiner Zugabe: dem agogisch zerfaserten, prätentiös hingetupften chopinschen Nocturne cis-Moll op. posthum.
Welch großartigen Eindruck hinterließ im Vergleich dazu Richard Strauss´ musikalische Posse „Till Eulenspiegels lustige Streiche“! Hier, wo es um musikalische Deskription geht, um das Ausformulieren von Charakteren und Situationen, brillierten die Dänen mit meisterlicher instrumentaler Virtuosität und einem kompakten, ausbalancierten Klang, bei dem sogar die Streicher jene Konsistenz bewiesen, die man bei Schumann noch so schmerzlich vermisst hatte. Nämliches galt für  die Zugaben: zuerst das kontemplativ zelebrierte „Nimrod“ aus Edward Elgars Enigma-Variationen, dann das schmissig hingelegte wagnersche Lohengrin-Vorspiel zum 3. Akt. (Stuttgarter Zeitung)

 

 

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