Das Freiburger Barockorchester spielt in Stuttgart Werke von Beethoven

23.
Okt.
2012

Ohne Dirigenten geht es nicht

18 Jahre ist es jetzt her, dass John Eliot Gardiner seine Gesamtaufnahme aller Beethoven-Sinfonien mit dem Orchestre Révolutionaire et Romantique herausbrachte und damit in der Musikwelt ein Erdbeben auslöste: derart zugespitzt, klanglich entschlackt und von spätromantischem Ballast befreit hatte man diese Stücke noch nie zuvor gehört – es war, als ob man den grenzsprengenden, revolutionären Gestus der beethovenschen Musik zweihundert Jahre nach ihrer Uraufführung noch einmal neu erlebt hätte.

Seitdem gehören Beethoven-Sinfonien zwar zum Standardrepertoire der historischen Aufführungspraxis, im Konzertsaal hört man sie gleichwohl immer noch überwiegend von konventionellen Sinfonieorchestern – und so war man durchaus gespannt auf die Fünfte mit dem Freiburger Barockorchester im Beethovensaal, zumal auch noch das fünfte Klavierkonzert und das Tripelkonzert op.56 auf dem Programm standen. Nun hatte der Konzertmeister des FBO, Gottfried von der Goltz, in einem Interview kürzlich erklärt, dass er im Gegensatz zu denen Haydns die Sinfonien Beethovens nicht ohne Dirigenten aufführen würde – vom ersten Pult aus würde er sich in dieser Rolle „ohnmächtig fühlen“. Was die Beethoven-Konzerte anbelangt, sieht er das offenbar anders: denn das fünfte Klavierkonzert wie auch das Tripelkonzert leitete er aus seiner Funktion als Konzertmeister – mit wenig Erfolg.

Das Bemühen um markante Phrasierung und rhythmische Stringenz seitens des Orchesters war im Klavierkonzert zwar zu merken, doch vor allem bei Tempoübergängen konnte man auch die latente Unsicherheit, wie denn nun verbindlich zu gestalten sei, nicht überhören. Oft mogelte man sich auf dem kleinsten agogischen Nenner irgendwie durch, Routine und Technik verhinderte Schlimmeres. Immer wieder aber irritierten unpräzise Paukeneinsätze, und auch der Solist Kristian Bezuidenhout schien merkwürdig gehemmt: so richtig wollten er und das Orchester nicht zusammenfinden. Bezuidenhout hatte freilich noch mit einem ganz anderen Problem zu kämpfen, denn sein Hammerklavier war schlichtweg zu leise für den Riesensaal. Schon in der zehnten Reihe klang es, als hätte man Watte in den Ohren, der im Vergleich zum modernen Flügel weitaus größere Farbenreichtum des historischen Instruments kam kaum zur Geltung: aus den hohen Lagen hörte man kaum mehr als ein „Pling“. An Legatogestaltung, in langsamem Tempo zumal, war so kaum zu denken.

Beim Tripelkonzert mit Bezuidenhout, Anne Katharina Schreiber (Violine) und Jean-Guihen Queyras (Cello) wurde das nicht grundsätzlich anders: gegenüber dem dominanten Cello und der forschen Geigerin rückte der Pianist sogar noch weiter in den Hintergrund, und auch die Unsicherheiten im Zusammenspiel mit dem Orchester setzten sich fort, einigen hinreißend ausgespielten Unisonopassagen im Schlussrondo zum Trotz.

Als dann aber Gottfried von der Goltz bei der Fünften als Dirigent vor das Orchester trat, spielte das auch besetzungsmäßig aufgerüstete FBO wieder so, wie man es kennt und schätzt: aus einem Guss, zupackend in der Phrasierung und engagiert bis ins hinterste Pult. In den furiosen Tempi und dem triumphalen Zug des Finales besaß diese Fünfte auch wirklich Format – gleichwohl blieb vieles im Ungefähren: die klangliche Abstimmung vor allem, speziell in der Holzbläsergruppe. Dazu kam diese Fünfte über das brillant Musikantische einfach zu selten wirklich hinaus. Hier haben, Aufführungspraxis hin oder her, Dirigenten schon ganz andere Dimensionen freigelegt.

 

4 Kommentare vorhanden

  • Dr. Stephan Koranyi
    25. Oktober 2012 13:58

    Sehr geehrter Herr Armbruster, meine Frau und ich haben diesen Abend in ganz anderer Erinnerung: nicht geprägt von „Unsicherheit“ oder „Gemogel“, sondern als spannende Anstrengung, diesen Werken ein Stück näher zu kommen, und da konnten wir eine Menge auch über den Kompositionsstil Beethoven lernen, wie er nämlich Rücksicht nimmt in der Komposition auf die Möglichkeiten des Hammerklaviers (beim Klavierkonzert). Der Klavierpart im Tripelkonzert hat in der Präsentation des Werkes nicht die Bedeutung des Geigen- oder des Celloparts (das werden Sie zugeben), in sofern standen die letzteren mit Recht im Mittelpunkt. Gardiner – wir haben uns diese Aufnahme seinerzeit auch gekauft, und ich fand darin viel überschätzt, vieles auch eher langweilig (anders übrigens bei Immerseels Einspielung, die Sie nicht erwähnen), gerne und wirklich oft haben wir diese CDs nicht gehört. Dieses Konzert vom vergangenen Montag hingegen war vom Anfang bis zum Ende eine aufregende, vieles riskierende Präsentation, so schlank und frisch geputzt haben wir diese Musik noch nie gehört (das mit dem „Pling“ ist schon ein wenig billig, wo immer Sie gesessen sind, Sie haben weit mehr als das gehört!). Und es ging uns nicht allein so, und das ist etwas, was ich Ihrer Rezension übel nehme, dass Sie die Begeisterung des Publikums verschweigen, und so den Abend zu einem drittklassigen Ereignis stempeln, bloß weil Ihnen persönlich das Ganze unzureichend erschien. Die Freiburger haben nicht nur für Sie gespielt.
    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Stephan Koranyi

  • Frank Armbruster
    25. Oktober 2012 19:23

    Sehr geehrter Herr Koranyi

    danke für Ihren Kommentar, der nur deswegen nicht gleich online war, da ich alle Postings erst genehmigen muss. Es gab einfach zu viele Spam-Kommentare in letzter Zeit.
    Es ist so, dass ich eigentlich ein großer Fan des FBO bin und auch viele Konzerte schon, überwiegend positiv, rezensiert habe. Von dem letzten war ich aber wirklich enttäuscht, und ich bin der festen
    Überzeugung, dass das im Falle des Klavier-, bzw. Tripelkonzerts mit dem nicht vorhandenen Dirigenten zu tun hatte. Ich bin mir auch nicht sicher, ob Gottfried von der Goltz wirklich ein sehr guter Dirigent ist – und das braucht das FBO nach meiner Meinung, wenn es seine Stärken ausspielen will.
    Was die Klanglichkeit anbelangt, finde ich, dass man, wenn man es ernst meint mit historischer Aufführungspraxis, dann auch den Raum mit einbeziehen muss. Für Säle wie den Beethovensaal sind Hammerflügel einfach nicht gebaut, und aus den Diskantlagen des Flügels war von meinem Platz aus manchmal wirklich kaum mehr zu vernehmen als „Pling“. Die Begeisterung des Publikums hätte ich erwähnen können, da haben Sie recht. Aber dass viele im Publikum ein Konzert anders empfinden als man selbst, damit muss man als Kritiker leben. Deswegen sollten Sie sich Ihren positiven Eindruck nicht trüben lassen.
    Die Immerseel-Einspielung kenne ich nicht, werde Sie mir bei Gelegenheit aber gerne mal anhören. Danke für den Tipp.

    Mit freundlichem Gruß

    Frank Armbruster

  • Dr. Stephan Koranyi
    25. Oktober 2012 17:28

    Sehr geehrter Herr Armbruster, schade, dass mein Kommentar schon wieder verschwunden ist, eigentlich hatte ich mir eine Äußerung im Blog von Ihnen dazu erhofft.
    Mit freundlichem Gruß
    Dr. Stephan Koranyi

  • Dr. Stephan Koranyi
    25. Oktober 2012 20:14

    Sehr geehrter Herr Armbruster,

    danke, dass Sie geantwortet haben.

    Hier noch ein Link, der illustriert, warum auch wir dieses Konzert so spannend und schön fanden:

    http://www.swr.de/nachtkultur/-/id=200218/sdpgid=717050/did=10501246/pv=video/nid=200218/1a3vtw1/index.html

    Mit freundlichen Grüßen
    Anita und Stephan Koranyi

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