Max Goldt liest im Theaterhaus Stuttgart

04.
Feb.
2013

Empfindlicher Einmischer

Dann wollen wir mal abwarten, ob er recht hat – falls wir dann noch leben. In zwanzig Jahren, so prophezeite Max Goldt bei seiner Lesung im voll besetzten T2 des Theaterhauses, werde sie nämlich verschwunden sein, die Jeans. Und über ihn, also Goldt, würde man dann sagen: der hat´s gewusst! Goldt, der selber in dunkler Stoffhose, mit weißem, offenem Hemd und Jackett auf die Bühne kommt, mag also keine Jeans – vor allem dann nicht, wenn sie ausgebeult sind, was man ja durchaus verstehen kann. Wie Goldt überhaupt vieles nicht mag: Weinconnaisseure, Frauen mit Jennifer-Aniston-Frisuren, Menschen mit Sonnenbrillen, die auch noch schlechte Zähne haben. Besonders aufregen kann er sich aber über Winters im Freien rauchende, vor Kälte bibbernde Frauen. Dieses Verhalten nämlich, so Goldt, sei der eigentliche Grund dafür, dass diese Frauen keine Karriere machten – schließlich sehe man niemals im Freien rauchende Chefinnen, und bibbernde schon gar nicht. Ob das wirklich stimmt?

Ungefähr im Jahresabstand bringt Max Goldt ein frisches Bändchen mit kulturkritischen Betrachtungen heraus: „Die Chefin verzichtet“ heißt das aktuelle, aus dem er im Theaterhaus vorwiegend liest. Unter den Texten ist auch ein kurzer, böser über jene Person, die Goldt offenbar am allerwenigsten mag: Günter Grass. Dem sei er schon mehrmals im ICE zwischen Hamburg und Berlin begegnet, und er sehe genauso aus wie auf den Fotos, wenn er mal wieder eine „Einmischung“ vollbracht habe – ein „one face guy“, grantig und selbstgerecht. Überhaupt sei Grass einer der schamlosesten Menschen, die jemals gelebt haben – außer für die Leser der ZEIT, für die sei er ein Idol. Diese im Allgemeinen wohlangesehene Wochenzeitung beschimpft er als „indezenten Papierhaufen“, und spätestens an dieser Stelle kommt man ins Grübeln. Denn ist nicht auch Max Goldt ein berufsmäßiger Einmischer, der sich in seinen Texten über allerlei Missstände unserer Gesellschaft echauffiert – angefangen von inkompetenten Hotelangestellten über verwechselbare Talkshowformate bis zu jener sprachlichen Verwahrlosung, die er überall aufstöbert? Freilich finden Grass´ „Einmischungen“ ein weitaus größeres publizistisches Echo. Ob das Goldts völlig unangemessene Wut auf den Schriftsteller zumindest teilweise erklärt? Und vielleicht hängt ja auch die Herabsetzung der ZEIT damit zusammen, dass dieser „Papierhaufen“, immerhin eine journalistische Instanz des Bildungsbürgertums, gerade ihm, dem Essayisten, Kultur- und Sprachkritiker Goldt kein Forum bietet. Selbst wenn immer mal wieder im Zeitmagazin „Katz und Goldt“-Comics erscheinen.

Aus Sicht der ZEIT könnte man das durchaus nachvollziehen. Zugegeben, manche von Goldts Sottisen über weibliche Kreischstimmen, ungezogene Jugendliche und charmefreie Zeitgenossen sind treffend. Aber man kann seine verzwirbelte, gespreizte Sprache und die sich in Abschweifungen verlierenden Sentenzen auch nervig finden – spezielle jene altstudienrathaften, gestelzten Formulierungen, die an Loriot erinnern. Was bei diesem sprachlicher Ausdruck einer konzisen ironischen Haltung ist, wird bei Goldt durch eine latente Dauerflapsigkeit konterkariert, die das Ganze leicht etwas schwurbelig erscheinen lässt.

Als Vorleser beginnt Max Goldt zunächst eher zurückhaltend. Nach der Pause, als auch das Publikum allmählich auftaut, kommt er aber mehr und mehr in Fahrt, moduliert seinen Tonfall stärker und unterstreicht die Pointen – so es sie gibt. Denn, auch das kann man beklagen: viele seiner Texte haben keinen zündenden Schluss, versanden einfach. Harald Martenstein oder Harry Rowohlt machen das besser. Vielleicht schreiben sie deshalb auch für die ZEIT. (StZ)

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