Das Quatuor Ebène in Stuttgart

15.
Feb.
2013

Das muss man sich erst mal trauen: Nein, verkündigte das Quatuor Ebène dem enthusiasmierten Publikum im Mozartsaal, es gebe nun leider keine Zugabe. Und fragte sinngemäß, was man denn Beethovens op. 132 noch spielen solle? Wer Lust auf mehr habe, den erwarte man gerne am CD-Stand im Foyer. Das ist mutig, und künstlerisch konsequent ist es auch. Es gibt Werke – und die späten Beethoven-Quartette gehören sicher dazu – nach denen erst mal alles gesagt ist. Jede Dreingabe wäre da ein unnötiger (und unpassender) Kommentar.
Das Quatuor Ebène ist dasjenige unter den jungen Streichquartetten, das wahrscheinlich die steilste Karriere in den letzten Jahren hingelegt hat. Ihre Konzerte werden ebenso einhellig bejubelt wie ihre Einspielungen, und das ist kein Wunder – denn die jungen Franzosen spielen mit einer technischen Brillanz und emotionalen Hingabe, die mitreißend ist.
Doch das ist nicht alles. Zu Beginn ihres Abends innerhalb des Kammermusikzyklus der SKS Russ musizierte das Quartett Mozarts Divertimento B-Dur KV 137, das Mozart als 16-Jähriger komponiert hat. Ein Stück von eher schlichter Faktur, das, von einem weniger begabten Ensemble gespielt, leicht ins Gefällig-Unverbindliche abgleiten könnte. Nicht so beim Quatuor Ebène. Die Musiker begnügen sich nicht damit, einfach schön zu phrasieren: ihr Mozartspiel ist von einer nachgerade emphatischen Klanglichkeit, mit berückenden Chiaroscuro-Beleuchtungen der harmonischen Verläufe und enormer Ausdrucksintensität.
Ein aufgeladener Tonfall, der nochmals deutlich gesteigert schien in Mendelssohns Streichquartett Nr. 2 a-Moll: welche Vielfalt an klanglichen Abschattierungen allein in der Adagio-Einleitung! Wer verstehen will, was romantisches Sehnen, Drängen ist, muss hier nur dem Singen der ersten Violine lauschen, doch auch die Entwicklung der Fuge gestalten die Franzosen mit großem Atem und Formgefühl. Ja, das ist alles so beängstigend perfekt, dass man fast froh ist, wenn im Intermezzo die ansonsten bestechende Intonation mal ein wenig entgleitet. Das finale Presto huscht dann vorbei wie ein kurzer, intensiver Rausch.
Erst in Beethovens a-Moll-Quartett op. 132 wird dann deutlich, dass auch das Quatuor Ebène (noch) nicht alles kann. An Beethovens Spätwerk arbeiten sich manche Interpreten ein Leben lang ab – zu vielschichtig sind diese Werke, als dass sie mit perfekter Technik und Musikalität allein zu bewältigen wären. Wenn es – wie auch im a-Moll-Quartett – darum geht, motivische Entwicklungen über eine größere Distanz zu gestalten, wenn die Ausdruckscharaktere schwerer fassbar sind, kommt die von Emphase und Expressivität dominierte Spielweise des Quatuor Ebène an ihre Grenzen. Vieles ist auch hier auf fesselnde Weise gelungen, einen kohärenten Gesamteindruck hinterlässt ihr Spiel aber nicht. Noch nicht. (StZ)

Ein Kommentar vorhanden

  • renate backeshoff
    19. November 2018 20:48

    wunderbare beschreibung eines konzerts und der ausnahmeinterpreten –

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