Verdis „Nabucco“ an der Staatsoper Stuttgart

26.
Feb.
2013

Babylon sucht den Superherrscher

Der Gefangenenchor! Es gibt wohl keine andere Oper, die im allgemeinen Bewusstsein derart mit einem einzelnen Satz verbunden ist wie Giuseppe Verdis „Nabucco“ mit „Va, pensiero, sull´ali dorate“. Der einstimmige Chor gilt den Italienern als inoffizielle Nationalhymne, und zugegeben: auch Abgebrühte können, wenn sich nach dem pianissimo-Beginn mit dem Aufbrausen des Orchesters die Emphase immer mehr steigert, schon mal von Rückenschauern ergriffen werden.

Nun dürfte der Gefangenenchor wohl selten derart fein und berührend gesungen worden sein wie bei der Premiere von „Nabucco“ in der Staatsoper Stuttgart. Der vielfach ausgezeichnete Staatsopernchor ist so etwas wie die Stütze des Stuttgarter Ensembles – was besonders dann ins Gewicht fällt, wenn es, wie im Falle des „Nabucco“, um ausgesprochene Choropern geht. Für die Neuinszenierung hat man den 29-jährigen Salzburger Rudolf Frey engagiert, der sich bisher vor allem als Schauspielregisseur einen Namen gemacht hat. Da er der einzige Gastregisseur in der laufenden Saison ist – bekanntlich ist man in Stuttgart dem Ensemblegedanken verpflichtet und holt nur ausnahmsweise externe Regisseure ans Haus – waren die Erwartungen hoch. Umso ernüchternder fällt das Resumee aus: einen derart bemühten und unsinnlichen Opernabend hat man in Stuttgart lange nicht erlebt. Nun ist der Nabucco eine harte Nuss für Regisseure. Verdi hat in seinem ersten großen Erfolgsstück die vier Akte weniger in dramatische Handlungsstränge eingebunden, sondern eher als statische Tableaus komponiert, statt auf psychologische Entwicklung setzt er vor allem auf die affektive Kraft seiner Musik, die nicht immer leicht szenisch zu beglaubigen ist.

Rudolf Frey hat nun versucht, das Stück aus seinem alttestamentarischen Kontext zu lösen, indem er auf konkrete bildnerische Verweise weitgehend verzichtet: außer Nabucco, der in einer Art Militäruniform auftritt, tragen alle Alltagskleidung, der gesamte erste Akt spielt auf komplett leerer Bühne. Es gelingt ihm aber nicht, diese Leerstellen schlüssig zu füllen. Zwar wird der Chor, der in Form von Juden und Assyrern fast ständig auf der Bühne ist, permanent beschäftigt. Schon zur Ouvertüre rennen die Choristen wie aufgescheuchte Hühner über die Bühne (Unheil droht!), dann stellen sich alle mit den Gesichtern zur Wand auf, um darauf Choreografien aufzuführen, deren Sinn sich nicht so recht erschließt. Nein, allzuvieles in dieser Inszenierung wirkt irgendwie papieren, ertüftelt, einschließlich der Gesellschaftskritik: Besiegt werden die Juden nicht mit kriegerischen Mitteln, sondern mittels Bling-Bling – beglückt sammelt das Volk die glitzenden, vom Schnürboden herabsegelnden Pailletten. Und die machthungrige Abigail tritt in einer Art Varietédekoration auf: Babylon sucht den Superherrscher.

Auch das sängerische Niveau ist durchwachsen. Am überzeugendsten, nämlich rund timbriert und belcantistisch phrasierend singt Sebastian Catana (Nabucco), mit Abstrichen gilt das auch für Atalla Ayan (Ismaele) und den etwas knurrigen Liang Li (Zaccaria). Catherine Fosters (Abigaille) Sopran besitzt dramatisches Potential, wird aber in der Höhe schrill und unsauber. Und auch die gehemmt wirkende Diana Haller (Fenena) bleibt an diesem Premierenabend hinter ihren Möglichkeiten zurück. Zum Glück gibt es neben dem grandiosen Chor noch das bestens disponierte Staatsorchester. Giuliano Carella am Pult dirigiert Verdis mitunter formelhafte, aber energetisch ungemein aufgeladene Musik mit Eleganz und Verve und versucht dabei gar nicht erst, die Rohheiten der Partitur zu glätten. Dafür lohnt sich der Abend dann doch. (Südkurier)

Viele weitere Aufführungen ab 01. März

Ein Kommentar vorhanden

  • Lizzy-Belinde Jöckel
    27. Februar 2013 09:31

    danke für diese, auch meine Eindrücke wiederspiegelnde Kritik… Es war wahrliche ein Opernabend, der zu den schlechtesten gehört, die ich je in Stuttgart besucht habe…
    Schade. Nicht unerwähnt bleiben sollte die grandios spielende Cellogruppe. Nur hier hatte ich den Eindruck, im ehemaligen Opernhaus des Jahres zu sitzen. Ansonsten eher in einer Aufführung eines Laientheaters…

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