Khatia Buniatishvili spielte in Stuttgart

29.
Apr.
2013

Berauschend intensiv

Khatia Buniatishvili wird oft mit Martha Argerich verglichen und tatsächlich gibt es Parallelen zwischen beiden: auch die junge Argerich war eine attraktive Frau, die das Publikum durch eine Emotionalität entzückte, die gepaart war mit einer überwältigenden Virtuosität. Man muss sich im Falle von Khatia Buniatishvili allerdings erst einmal freimachen von dem Bild des Vamps, das ihre Plattenfirma über sie gestülpt hat. Auf CD-Covern posiert die 25-jährige Georgierin mit offenherzigem Dekolleté, grellrot geschminkten Lippen und laszivem Blick. Doch als sie die Bühne des voll besetzten Mozartsaals betritt, wirkt sie trotz ihres spektakulären Kleids eher wie eine Studentin: etwas unsicher lächelt sie ins Publikum, beim Verbeugen behält sie Blickkontakt mit dem Saal – als habe sie Angst davor, es könne ihr etwas zustoßen, wenn sie den Blick zum Boden wendete.

Die Werke der ersten Programmhälfte entsprechen dem auf der letzten CD: Chopins 2. Sonate b-Moll, die 4. Ballade und die Polonaise As-Dur op. 53 – typisches Virtuosenrepertoire. Natürlich hat sie das drauf, aber es dauert bis zum dritten Stück, der Polonaise As-Dur, bis sich Khatia Buniatishvili wirklich frei gespielt hat. Viele Pianisten scheuen sich, das erregte Pathos des stolzen, herrisch auftrumpfenden Polonaisenthemas wirklich auszuspielen und ziehen sich in Noblesse zurück – nicht so Khatia Buniatishvili: ihre Hingabe erscheint total, sie verzehrt sich regelrecht dabei, spielt mit Haut und Haaren – und das auf einem pianistischen Niveau, das an größte Vorbilder denken lässt. Davor freilich wirkte manches noch etwas gehemmt: als wiederhole sie bloß, was sie geübt hat, erschienen in der b-Moll-Sonate manche Übergänge noch nicht wirklich erfühlt, innerlich nachvollzogen. Ähnliches gilt für die Ballade.

Vorbehalte, die nach der Pause weggefegt wurden durch ein Klavierspiel von berauschender Intensität. Schon mit den drei lisztschen Bearbeitungen von Schubertliedern zog sie das zunehmend faszinierte Publikum nachhaltig in ihren Bann: mit innigem Ausdruck im „Ständchen“ und poetischer Versenkung in „Gretchen am Spinnrade“, um sich dann im „Erlkönig“ in einen regelrechten Rausch zu spielen. Schier unfassbar schließlich, mit welch funkenstiebender Bravour Khatia Buniatishvili drei Sätze aus Strawinskys „Petruschka“ hinlegt. Noch in den aberwitzigsten Repetitionen und Läufen hält sie unerbittlich den rhythmischen Puls – insgesamt ein regelrechter Höllenritt, eine pianistische Tour de force, die das enthusiasmierte Publikum am Ende zu Ovationen hinreißt. Mit einem Bach-Satz aus der Kantate BWV 208 fährt sie die aufgeheizte Stimmung dann etwas herunter, um mit dem 3. Satz aus Prokofievs 7. Sonate erneut den Puls hochzutreiben. Zu guter Letzt ein sanftes georgisches Volkslied, selbst arrangiert. Was für ein Klavierabend! (StZ)

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