Reinhard Goebel dirigierte Werke von Jommelli und Händel bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen

17.
Mai.
2013

Kantabilität, Eleganz und royaler Pomp

„Festspielniveau“ wird von den Veranstaltern oft reklamiert, von der Kritik aber nicht immer zugestanden. Und wenn man definieren müsste, was damit eigentlich gemeint ist, dann käme man schnell auf den Begriff des über den üblichen Kulturbetrieb Hinausragenden – auf das Besondere eben. Den Hausensembles der Ludwigsburger Schlossfestspiele, Orchester und Chor, wurde freilich Festspielniveau schon öfter abgesprochen – nicht immer ohne Grund. Insofern darf man das, was am Donnerstag abend in der Ludwigsburger Friedenskirche geschah, durchaus als Zäsur betrachten, denn unter der Leitung von Reinhard Goebel musizierten Chor und Orchester der Festspiele Niccolò Jommelis Requiem und das Dettinger Te Deum von Georg Friedrich Händel auf einem Niveau, das wirklich keinen Vergleich zu scheuen braucht.
Es war ein Konzert, an das man sich lange erinnern wird, und dass dieses nun ausgerechnet mit Werken alter Musik geglückt ist, ist kein Zufall: Michael Hofstetter, der letzte Chefdirigent, hatte das Festspielorchester seit einigen Jahren verstärkt auf historische Aufführungspraxis ausgerichtet, sodass Reinhard Goebel in dieser Hinsicht auf ein bereits gut bestelltes Feld zurückgreifen konnte. Dass er damit eine derart reiche Ernte einfahren konnte, überraschte dennoch.
Angeblich hatte Jommelli für die Komposition seines Requiems (eine Auftragskomposition von Herzog Carl Eugen aus Anlass des Tods seiner Mutter) nur ganze drei Tage Zeit, sodass er –  was damals üblich war – auch auf früher komponierte Werke zurückgriff. Zwar bediente sich der versierte Opernkomponist für das kantable, nur mit Streichern besetzte Werk auch traditioneller kontrapunktischer Techniken, gleichwohl atmet es Kantabilität und Eleganz. Selbst das Dies Irae kommt vergleichsweise versöhnlich daher, und Jommelli konnte es sich auch nicht verkneifen, bei den Solisten Belcanto-Effekte wie die Messa di voce, also das allmähliche Anschwellen der Töne, einzusetzen.  Dass das Werk nun einen derart überwältigenden Eindruck hinterließ, lag vor allem an der Stilsicherheit und klanglichen Übersicht, mit der Goebel, der ehemalige Leiter der Musica Antiqua Köln, seine Musiker durch die Partitur führte. Goebel ist kein eleganter, aber ein effektiver Dirigent, der mit seinen ausgreifenden Bewegungen versucht, nichts dem Zufall zu überlassen: Wunderbar das Musizieren auf einem gemeinsamen Atem, das bruchlose Ineinandergreifen vokaler und instrumentaler Linien auch in den zahlreichen Fugati – berückend die Stelle im Lux aeterna, wenn sich Sopran und Alt zur Darstellung des ewigen Lichts über die Violinen erheben. Dazu ist die Friedenskirche für diese Art von Musik ein idealer Konzertraum. Der Nachhall ist, zumindest in den vorderen Reihen, dezent, die Instrumente und Sänger sind im Raum zu orten, und auch im Forte bleibt der Klang frei von Verzerrungen.
Gegenüber dem eher ruhigen Duktus von Jommellis Requiem verströmt Händels Dettinger Te Deum geradezu royalen Pomp. Auch Händel hatte sich dafür einiges aus seinen früheren Werken wie „Israel in Egypt“ geborgt, das er mit sicherem Händchen für die angestrebte patriotische Wirkung zu einem glanzvollen, trompetengestützten Lobgesang auf Gott und Vaterland verarbeitete. Reinhard Goebel  arbeitete auch hier nach allen Seiten schwer am Pult, um Chor und Orchester im Gleichschritt zu halten, dazu hatte er exzellente, mit der Aufführungspraxis alter Musik vertraute  Vokalsolisten: Allen voran die herausragende, den Text plastisch deklamierende Altistin Britta Schwarz, aber auch Susanna Martin (Sopran), Virgil Hartinger (Tenor) und Raimund Nolte (Bass) bewältigten ihre Partien mit Bravour. Eben Festspielniveau.     (StZ)

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