Das Delius Quartett mit Anatol Ugorski bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen

13.
Jun.
2013

Spiel mit Masken und Haltungen

Anatol Ugorski

Anatol Ugorski

Ist schon ein schräger Vogel, dieser Anatol Ugorski. Nach seinem Solovortrag blickte der russische Pianist mit dem wirren Haarkranz regelrecht mürrisch drein. Und später, während das Delian Quartett noch den Applaus entgegennahm, verkrümelte sich Ugorski, dem die Ovationen gleichfalls galten, schon mal Richtung Ausgang. Heiterkeit im Saal.

Tatsächlich war Ugorski immer ein Unangepasster. In der Sowjetunion setzte er sich für die Werke auch westlicher Avantgarde ein, was zu einem Ausreiseverbot führte. Nach seiner Emigration 1990 startete Ugorski eine Karriere im Westen und machte sich weiterhin für das Unbequeme stark: zu seinen wichtigsten Aufnahmen zählen solche mit Werken von Olivier Messiaen und Alexander Skrjabin.

Genau der Richtige also für das Programm im Ordenssaal mit dem Thema „Kontrapunkt“, mag sich der Ludwigsburger Festspielintendant Thomas Wördehoff wohl gedacht haben, bei dem es neben Werken Bachs vor allem um jene von Dmitri Schostakowitsch ging: der komponierte, in Anlehnung an Bach, ebenfalls 24 Präludien und Fugen in allen Tonarten, aus denen Ugorski eine kleine Auswahl spielte. Und Ugorskis erwähnte Mürrigkeit war nachvollziehbar, wirkte sein Vortrag über weite Strecken doch wie besseres Prima-Vista-Spiel: rhythmisch diffus und überpedalisiert, ohne erkennbare Struktur trieb die Musik so dahin. Ob Ugorski vielleicht nicht genügend Zeit zur Vorbereitung hatte?

Ganz anders das Delius Quartett. Die vier Streicher spielten acht Sätze aus Bachs „Die Kunst der Fuge“ mit stupendem Formbewusstsein und dezenter Expression, ohne dabei zu romantisieren. Hier stimmte alles – Gewichtung der Stimmen, Intonation, Emphase – sodass man immer tiefer in den Bann dieser eigentlich spröden Kontrapunktik mit ihrer strengen Material- und Methodenkunst gezogen wurde.

Das alles war freilich nichts gegen die überwältigende Wirkung von Schostakowitschs Klavierquintett. Wie viele andere seiner Werke auch ist auch dieses Werk eines der Camouflage: hinter vordergründiger Heiterkeit und Konventionalität lauern Sarkasmus und Verzweiflung. Mit kompromissloser Hingabe und technischer Bravour leuchteten das fabelhafte Delius Quartett und der hier ebenfalls großartig aufspielende Ugorski dieses vielschichtige Spiel mit Masken und Haltungen in all seinen Facetten aus: große Kammermusikkunst. (StZ)

Ein Kommentar vorhanden

  • Urs Rösli
    15. Juni 2013 19:05

    Ich freue mich, wieder einmal den Namen Anatol Ugorski zu lesen. Ich habe ihn vor vielen Jahren in der Tonhalle in Zürich gehört und ich weiss, dass er mir bleibenden Eindruck hinterlassen hat.

    Ich meine, ein Pianist, der sich nicht in eine Schablone pressen lässt 🙂

    Herzlich grüsst aus Zürich

    Urs der Papageno

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