Das „Dvorák-Experiment“ der ARD

19.
Sep.
2014

Rock me Antonin

Die Zahlen lesen sich beeindruckend. 363 Schulen mit über 22 000 Schülern haben mitgemacht beim „Dvorák-Experiment“ der ARD. Haben über die neunte Sinfonie des Tschechen Filmchen gedreht, Pantomimen einstudiert, gerappt und gerockt. In jedem Bundesland waren die Sender aktiv. Im Saarland tauchten Mitglieder des SR-Orchesters in „flashmob“-Manier in einer Schule auf, das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin veranstaltete einen Remix-Wettbewerb „INTO A NEW WORLD – dvorák 24 loops“. Zum Abschluss nun wurde gestern ein Konzert des von Thomas Hengelbrock geleiteten NDR-Sinfonieorchesters mit Dvoráks Neunter von allen ARD-Anstalten und Kultursendern als Video-Livestream in die Klassenzimmer der Republik übertragen.
Und wozu das alles? Um, wie man sagt, Kinder und Jugendlichen klassische Musik „nahezubringen“. Denn die Orchester fürchten um ihre Zukunft. Nicht, was den Musikernachwuchs, aber was ihr Publikum anbelangt: denn Jugendliche gehen immer seltener in klassische Konzerte. Gegen gut gemeinte Veranstaltungen wie diese kann man also wenig sagen – gut möglich, dass der ein oder andere dadurch mit dem E-Musik-Virus infiziert worden ist. Schön wär´s.
Ob Dvoráks Musik aber Interesse weckt, weil sie, wie es die ARD-Berichterstattung suggeriert, „cool“ ist und „rockt“, darf man beweifeln. Man kann sich mit DJs und „Dvorák-Lounges“ noch so zeitgeistig geben, klassische Musik in puncto Hipness gegen Cro oder Tokio Hotel in Stellung zu bringen, wirkt ebenso peinlich wie Thomas Hengelbrocks Antwort auf die Frage der Moderatorin, warum die Musiker denn diese Fräcke trügen: Na, die wären eben so bequem! Sowas ist gefährlich – merken Kinder doch ganz genau, wenn Erwachsene versuchen, sich anzubiedern. Stattdessen könnte man darauf vertrauen, dass Kinder ein Sensorium dafür entwickeln können, was die Beschäftigung mit klassischer Musik so beglückend machen kann: Schönheit und Trost etwa. Am besten gelingt das, wenn sie selber ein Instrument spielen. Dazu brauchen sie auch keine Lounge. (StZ)

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