Das WDR Sinfonieorchester Köln in Stuttgart

26.
Apr.
2015

Überraschende Perspektivwechsel

Johann Sebastian Bach ist der Lieblingskomponist von Kit Armstrong, der dementsprechend seine Klavierrecitals überwiegend mit Werken Bachs bestreitet. Doch schon im letzten Jahr hinterließ Armstrong – für den Bach und Mozart eine eine starke Verwandtschaft aufweisen – bei seinem Soloabend im Beethovensaal auch mit einem Stück von Mozart einen starken Eindruck. Er spielte damals die Fantasie für eine Orgelwalze KV 608 – transparent, leicht, bis ins Detail kontrolliert. Tatsächlich gibt es wohl auf der Welt wenige Pianisten, die über eine vergleichbar perfekte Anschlagskontrolle verfügen: wie kleine Maschinchen verrichten Armstrongs Finger ihre Arbeit, praktisch makel- und fehlerlos. Eine Ebenmäßigkeit, die eigentlich eine gute Voraussetzung wäre auch für Mozarts Klavierkonzert Nr. 22 Es-Dur KV 482, das Armstrong nun im Rahmen der Meisterkonzertreihe als Solist spielte, begleitet vom WDR Sinfonieorchester Köln unter Leitung von Jukka-Pekka Saraste. Denn das „jeu perlé“, bei dem die Töne im Laufwerk aufgereiht erscheinen wie schimmernde Perlen, zählt zum Rüstzeug vieler großer Mozartinterpreten von Casadesus bis Pires. Doch auch wenn bei Armstrong die Töne noch so gleichmäßig abschnurren, so klang das an diesem Abend, bei aller Anschlagskultur, über weite Strecken reichlich trocken und klanglich eintönig. Für die Farben und überraschenden Perspektivwechsel dieses Konzerts, die das Orchester so präzise nachzeichnete, fand Armstrong keine pianistische Entsprechung. Wenigstens entschädigten seine einfallsreichen Kadenzen etwas dafür.
Dass das WDR Sinfonieorchester zu den besten Funkorchestern zählt, hatte es gleich mit dem Eingangsstück, Beethovens erster Sinfonie C-Dur, bewiesen. Das noch den Geist Joseph Haydns atmende Werk dirigierte Jukka-Pekka Saraste mit einem traumwandlerischen Sinn für Klangbalance, sorgsam die Tempo- und Dynamikproportionen wahrend, eher klassisch ausgewogen als den Revoluzzer hervorkehrend. Ganz anders das Bild in Beethovens Vierter: Gleich das Eingangsthema des Allegro vivace atmete einen ungeheuren Elan, eine Aufbruchsstimmung, die schon an die Neunte denken ließ. Historische Aufführungspraxis kam dabei eher indirekt zum Tragen – in der Luzidität der Stimmverläufe und der gestisch-sprechenden Qualität der Phrasierung, die in Verbindung mit dem sehnig-körperhaften Orchesterklang bis zum Finale eine imponierende Wirkung hinterließen. (StZ)

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