Olga Scheps und das Stuttgarter Kammerorchester im Hegelsaal

04.
Mai.
2015

Mahler im Mickymausformat

Das Repertoire für Kammerorchester ist überschaubar, zumal wenn es sich um reine Streichorchester handelt. Und so liegt es durchaus nahe, sich entweder an Bearbeitungen zu halten oder sich auf die Suche nach Originalliteratur zu begeben, die noch nicht totgespielt ist. Zu welch merkwürdigen Resultaten dies führen kann, zeigte das Konzert des Stuttgarter Kammerorchesters am Sonntagabend im Hegelsaal. Der Dirigent Johannes Klumpp wies gleich zu Beginn des Konzerts darauf hin, dass Gustav Mahlers Adagio aus der zehnten Sinfonie nicht zuletzt aufgrund des dissonanten Neuntonakkords zu den Wegbereitern der Moderne zählt. In der Originalbesetzung bricht dieser Akkord tatsächlich wie eine Naturgewalt über den Hörer herein, wobei er seine Schärfe dem Einsatz von Blechbläsern wie der schieren Klangstärke eines großen Orchesters verdankt. In der Bearbeitung des Adagios für 15 (!) Streicher von Hans Stadlmaier nun, die das SKO spielte, blieb von diesem katastrophischen Sturm nur ein laues Lüftchen. Wie eine Mickymausversion des Originals plätscherte der Satz dahin, als entbeinter Torso, und da half es auch nicht viel, dass die SKO-Streicher mit größter Klangkultur und Präzison agierten – immerhin, eine Ahnung des mahlerschen Weltschmerzes vermittelte sich in den weitgespannten Linien dann doch.
Kaum anzunehmen jedenfalls, dass Mahler mit einer solchen Verkleinerung seiner Musik einverstanden gewesen wäre. Doch würde er sich vermutlich im Grabe drehen, wenn er mitbekäme, dass nach seinem Adagio ein Stück wie Mieczyslaw Karlowiczs Serenade op.2 für Streicher gespielt wurde: Kaum ein Klischee, das diese zwischen Walzerpotpourri und Schmonzette changierende Musik auslässt, die Musiker konnten einem leid tun. Etwas gehaltvoller immerhin das Adagio von Guillaume Lekeu, das allenfalls unter dem Dauerespressivo litt, das Johannes Klumpp dem SKO verordnete.
Nun waren viele Hörer sicherlich wegen Olga Scheps gekommen, die nach der Pause Chopins zweites Klavierkonzert f-Moll spielte. Dass sich Orchester und Solistin verstanden, war schnell zu hören, immerhin hatte man beide Chopinkonzerte schon auf CD eingespielt. Der Verzicht auf Bläser war hier zu verschmerzen, dominiert doch das Klavier – und Olga Scheps ist eine gut ausgebildete Pianistin. Sie hat Gefühl und Anmut, selbst hochvirtuose Passagen schrecken sie nicht. Und doch: verglichen mit anderen wirkt ihr Spiel wenig differenziert. Die typischen chopinschen Figurationen klangen ewas stumpf, dazu kam im Larghetto die Neigung, einzelne Stellen rubatosatt auszuspielen, anstatt in größeren Zusammenhängen zu denken. Fulminant dafür ihre Zugabe: das Precipitato aus Prokofjews 7. Sonate. Die „SKO-Sternstunde“, als die das Konzert annonciert war, blieb gleichwohl Behauptung. (StZ)

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