Das 6.Sinfoniekonzert des Stuttgarter Staatsorchesters

17.
Mai.
2015

Schlachtenschinken und Gotteslob

In der Kunst stehen Rationalität und Spiritualität in einem engen Verhältnis – in der harmonischen Regelhaftigkeit offenbart sich die vollkommene göttliche Ordnung. Das gilt für die Proportionen gotischer Kathedralen ebenso wie für Raffaels Sixtinische Madonna, di Lassos Motetten oder Bachs Kunst der Fuge. Auch das 6. Sinfoniekonzerts des Staatsorchesters widmete sich den Bezügen zwischen Kunst und Musik, Konstruktion und Metaphysik, indem es zwei geistliche Werke von Anton Bruckner zweien von Gérard Grisey und Franz Liszt gegenüberstellte, die beide von Gemälden inspiriert wurden. Doch wie in der Kunst, so geht auch in der Konzertdramaturgie nicht jedes klug ausgedachte Konzept auf. Denn die Konzentration, die der Staatsopernchor mit zwei wunderbar gesungenen Motetten Bruckners evozierte, konnte Griseys L´Icone paradoxale nicht halten. Der formale Bau der Partitur für das hier in mehrere Gruppen geteilte, groß besetzte Staatsorchester, die Simultaneität der Zeitschichten vermittelte sich hörend kaum. Ganz zu schweigen von einer transzendenten Aura wie bei Werken von Griseys Lehrer Olivier Messiaen.
Wenn Grisey dabei versucht hat, bildnerische Kategorien eines Freskos von Piero della Francesca in musikalische zu transformieren, so blieb Franz Liszts Annäherung an Wilhelm Kaulbachs Bild „Die Hunnenschlacht“ äußerlich. Tschingderassa und Blechfanfaren waren schon immer die gängigen Mittel solch sinfonischer Schlachtenschinken, hier symbolisiert ein orgelgrundierter Choral den Sieg der Christenheit.
Und wenn Liszt vermutlich gewusst hat, dass er Besseres komponiert hat, so bezeichnete Anton Bruckner sein Te Deum zurecht als „Stolz seines Lebens“. Chefdirigent Sylvain Cambreling nahm das Werk eher forsch als weihevoll, organisierte trefflich die für das Gotteslob eingesetzten Klangmassen und konnte sich dabei sowohl auf vier formidable Solisten, ein engagiert spielendes Staatsorchester und – vor allem – den grandiosen Staatsopernchor verlassen. (StZ)

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