Das SWR Vokalenensemble Stuttgart unter Frieder Bernius

19.
Jul.
2015

Der Chor als Instrument

Heutige Schüler, so wird oft geklagt, hätten für Kultur nicht viel übrig. Doch auch wenn man diese Ansicht nicht teilt, kann einem ein Chor wie der des Schiller-Gymnasiums Heidenheim wie ein kleines Wunder vorkommen. Nicht nur, weil über 60 Schüler beteiligt sind, sondern vor allem, weil dieser Chor auf einem semiprofessionellen Niveau singt, was in erster Linie das Verdienst des Musiklehrers Thomas Kammel sein dürfte – aber auch des SWR Vokalenensembles Stuttgart, das den „Neuen Kammerchor Heidenheim“ nun seit einem Jahr als Patenchor betreut und begleitet. Zum Abschluss ihrer gemeinsamen Arbeit gaben beide Chöre nun ein Konzert in der Gaisburger Kirche: Die erste Hälfte bestritt der Schulchor mit Werken von Byrd bis Mendelssohn, zur Aufführung der Auftragskomposition von Sören Gieseler gesellten sich Mitglieder des Vokalensembles als Solisten dazu. Gieseler, einst selbst Mitglied des Schulchors und seit einem Jahr Musikstudent, wählte dem geistlichen Kontext des Konzerts entprechend die Zeilen eines gregorianischen Chorals als Motto: „Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen“. Ein gut gemachtes Stück mit einer persönlichen, hoch expressiven Tonsprache, das vom Publikum heftig akklamiert wurde.
Den Talentproben folgte nach der Pause eine Demonstration größter Meisterschaft. Max Regers drei Motetten op. 110 zählen zum Komplexesten, was die Chorliteratur kennt – die meisten Chöre dürften allein an der Polyfonie scheitern. Technische Perfektion war freilich nur die Voraussetzung für den überwältigenden Eindruck, den Frieder Bernius mit dem Vokalensemble hinterließ. Ein Dirigent auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft mit einem Weltklassechor als Instrument. Bernius widerstand den Versuchungen vordergründig rhetorischer Ausdeutung. Alles war hier Klang, je nach Erfordernis kompakt oder schillernd, die Musik ein beständiger Fluss, dabei die Seele im Innersten berührend. Ein Ereignis. Als Zugabe vereinten sich beide Chöre zu Regers „Nachtlied“.

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