Das Artemis Quartett spielt Brahms
Pochendes Herz
Im Juli dieses Jahres starb der Bratscher des Artemis Quartetts Friedemann Weigle – wie man nun erfahren hat, litt er seit langem an bipolarer Depression. So ist die jüngste CD des Artemis Quartetts mit den zwei Quartetten Nr. 1 op. 51 & Nr. 3 op. 67 von Johannes Brahms auch zu einer Art Vermächtnis für den Bratscher geworden, der seit 2007 Mitglied des erfolgreichsten (und wohl auch besten) deutschen Streichquartetts gewesen ist. Ihre herausragenden Qualitäten zeigen die Vier auch in dieser Aufnahme. Drängend, ja emphatisch ist ihr Zugriff in den Kopfsätzen, den bei Brahms gern vernachlässigten romantischen Überschwang betonend ohne die formalen Entwicklungsprozesse aus dem Blick zu verlieren. Alles ist beständig im Fluss, jede Stimme belebt und in Bewegung, bar jeglicher nivellierenden Routine, wie man sie auch von berühmten Streichquartetten gelegentlich hören muss. Selbst das unscheinbarste kleine Motiv wird noch auf seinen Gehalt abgeklopft – man höre nur die schwebenden Pizzicati im Trio von op. 67/3. Die langsamen Sätze sind keine idyllischen Refugien ungetrübten Espressivoglücks – man spürt auch hier die latente Nervosität eines pochenden romantischen Herzens. Technisch makellos, ist diese Aufnahme aber auch klanglich beeindruckend: Es gibt – oder muss man sagen: gab – wohl kein anderes Quartett mit einer derartigen Fülle an Klangfarben– und texturen. Ihre anstehenden Herbsttermine bestreitet das Artemis Quartett ohne Bratsche: Die Pianistin Elisabeth Leonskaja wird seine Partnerin bei Klavierquartetten von Brahms und Schumann sein.
Johannes Brahms
Streichquartette Nr. 1 op. 51 & Nr. 3 op. 67
Erato/Warner 2564612663
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