Sophie Hunger spielte mit ihrer Band im Ludwigsburger Scala

15.
Sep.
2016

Sie bringt den Mond zum Sprechen

Diese Frau ist ein Mirakel. „Wir waren hier“, sagt Sophie Hunger zu Beginn Ihres Konzerts im Ludwigsburger Scala, „als noch keiner uns wollte. Und darum ist es wichtig, dass wir jetzt sehr gut spielen“, und sie trägt das mit jener irritierenden Mischung aus Naivität und Ironie vor, die schon abgebrühte Showprofis wie Harald Schmidt fast aus der Fassung brachte. Aber abgesehen davon, dass sie schon 2009, bei ihrem ersten Scala-Auftritt, viele gewollt haben – immerhin hatte sie bereits 2007 ihren ersten Auftritt beim Jazzfestival von Montreux – wahr ist, dass Sophie Hunger mittlerweile eine bemerkenswerte Karriere gemacht und im letzten Jahr mit „Supermoon“ ein Album vorgelegt hat, das den Vergleich mit großen Singer/Songwriterinnen nicht zu scheuen braucht. Das liegt auch an den Texten, die von ungewöhnlicher lyrischer Qualität sind – etwa in „Supermoon“, dem Titeltrack, den sie zu Beginn ihres Konzerts singt, sich dazu selbst auf der Gitarre begleitend. Hier bringt sie den Mond zum Sprechen. „I was cut out of your stone/I am empty but I am never alone“, heißt es da, „Sometimes I´m cold, sometimes I burn“. Die meisten Stücke an diesem Abend sind von „Supermoon“, dazu kommen ältere Lieder wie „Spiegelbild“ oder „Das Neue“. Sophie Hunger singt auf Englisch, Französisch, Deutsch und Schwyzerdütsch, immer mit dieser reinen Stimme, in der sich Melancholie mit Hingabe, Selbstbewusstsein mit Verletzlichkeit paart. So vielschichtig wie die Persönlichkeit der Diplomatentochter, die u.a. in Zürich, London und Paris lebte, ist ihre Musik. Die bringt verschiedenste Einflüsse zusammen – Pop, Folk, Jazz, Punk, Chanson – besitzt aber einen distinkten Sound, der in seiner fragilen Aufgekratztheit etwas an den der kanadischen Sängerin Leslie Feist erinnert, mit der sie die Eigenschaft teilt, dass man sie auf verschiedenen Ebenen hören kann. Denn hinter der Popfassade mancher Songs verstecken sich harmonische und instrumentatorische Finessen, die man vielleicht erst beim zweiten oder dritten Hörern erfasst – eine Art experimenteller Subtext, der diese Musik auch für Mainstreamverächter interessant macht. Klar, dass man dafür exzellente Musiker braucht, gleichwohl erstaunt die Nonchalance, mit der allen voran der Keyboarder Alexis Anerilles und der Gitarrist Geoffrey Burton Elemente aus Pop und Jazz einflechten: Art-Rock à la King Crimson oder Rockjazz im Stil von Herbie Hancock klingt da mal eben so an. Das ist alles so kurzweilig wie grandios, und nach achtzig prall gefüllten Minuten ist erst mal Schluss im gut gefüllten Scala. Doch Sophie Hunger schiebt noch drei Zugabenblöcke nach – nicht ohne vorher zu betonen, wie eintönig ihr Leben als Sängerin doch sei: Lieder schreiben, produzieren, auf Tour gehen, immer dasselbe. Wer glaubt`s? (STZN)

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