Das erste Abokonzert des Stuttgarter Kammerorchesters

25.
Sep.
2016

Erfrischend rückwärtsgewandt

Hörte man den Liederzyklus „Garden of devotion“ nach Liebesgedichten des bengalischen Dichters Rabindranath Tagore, ohne zu wissen, von wem er komponiert wurde – man würde am ehesten auf frühes 20. Jahrhundert tippen. Spätromantisches Melos, tonale Reizharmonik – Zemlinsky vielleicht? – wären da nicht diese kecken, fast musicalartigen Wendungen, die an Bernstein erinnern… Aber das Stück stammt von Rolf Martinsson, einem zeitgenössischen schwedischen Komponisten, der zwar beim Avantgardepapst Brian Ferneyhough studiert hat, aber Stücke schreibt die mit dem, was man gemeinhin mit neuer Musik verbindet, nichts zu tun haben – und wohl gerade deshalb beim Publikum so gut ankommen: Auch beim ersten Abokonzert des Stuttgarter Kammerorchesters, wo es herzlichen Applaus für das Orchester und die fabelhafte Sopranistin Lisa Larsson gab, der Martinsson die Lieder gewidmet hat.

Auf seine Art rückwärtsgewandt ist auch die Ballettmusik „Apollon Musagète“aus Igor Strawinskys neoklassizistischer Periode. Strawinsky beschwört darin den Geist des Klassizismus mit zeitgemäßen Mitteln herauf, eine fein gesponnene wie empfindliche Musik, die emotionalen Überschwang ebenso übel nimmt wie allzu große Distanziertheit – eine heikle Balance, die Matthias Foremny mit dem SKO stilsicher wahrte. Foremny formte dabei jeden Satz nicht nur artikulatorisch aufs Feinste aus, er nutzte auch die Möglichkeiten zu klanglicher Differenzierung, die das Kammerorchester mittlerweile bietet. Tatsächlich scheint das SKO, ermöglicht nicht zuletzt durch zahlreiche Neubesetzungen, auf dem besten Weg, auch international mit den Besten mitzuhalten zu können – eine Entwicklung, die vor einigen Jahren so noch nicht abzusehen war. Und auch wer Orchesterfassungen von Streichquartetten grundsätzlich kritisch gegenübersteht – perfekt sauber klingt das nie – viel mehr an Durcharbeitung kann man bei einem Stück wie Schuberts Quartett d-Moll D 810 „Der Tod und das Mädchen“ nicht erwarten. Chapeau! (StZ)

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