Das Norwegische Kammerorchester spielte bei Faszination Klassik

09.
Okt.
2016

Auf der Stuhlkante

24 Jahre alt war Béla Bartók, als er sich, ausgestattet mit Spazierstock, Rucksack und Phonograph 1905 von Budapest aus in die Weiten des Königreichs Ungarn aufmachte, um die Musik der Bauern und Landleute zu erforschen. Ein Unternehmen, das für Bartók zum Lebenswerk wurde, das er schließlich mit einer umfangreichen Anthologie der Volksgesänge seiner Heimat krönte. Einige dieser Tänze und Melodien hat Bartók auch in eigenen Kompositionen verarbeitet, zu den berühmtesten zählen die Rumänischen Volkstänze Sz 68, die das Norwegische Kammerorchester nun bei seinem Gastspiel innerhalb der Reihe Faszination Klassik im Beethovensaal gespielt hat. An diesen kurzen, zu einer Siebenergruppe zusammengefassten Tänzen wird Bartóks große Kunst deutlich, das Authentische dieser dem Volk abgelauschten Klänge trotz ihrer Transplantation in die Welt der Kunstmusik bewahrt zu haben. Musik, die in erster Linie vom Rhythmus lebt und vom Norwegischen Kammerorchester unter seinem charismatischen Konzertmeister Terje Tønnesen mit dem angemessenen Schwung wie einer passenden Prise rustikalem Charme gespielt wurde.
Es ist vor allem die größere Beweglichkeit, die (gute) Kammerorchester großen Sinfonieorchestern voraus haben – ein kleines Schiffchen lässt sich nun mal leichter manövrieren als ein Tanker, und diese Qualität haben die Norweger ganz besonders kultiviert. Leicht und rhythmisch wendig ist ihr Musizieren, auch bei Mozarts g-Moll-Sinfonie KV 550, über die der Dirigent Nikolaus Harnoncourt einmal bemerkte, es gehe darin um „Leben und Tod“. Eine Einstellung, die auch das Norwegische Kammerorchester zu teilen scheint – bedenkt man den dringlichen Tonfall, den das Orchester hier von Beginn an anschlug. Ein Musizieren auf der sprichwörtlichen Stuhlkante, mit glasklar ausformulierten Phrasen, organisch gestalteten Übergängen und dramatischen Verdichtungen in den Durchführungsteilen, klanglich geschärft nicht zuletzt durch weitgehenden Verzicht auf Vibrato. Das hätte wohl auch Harnoncourt gefallen, ebenso wie die beiden Hornkonzerte von Mozart und Haydn, die der junge Hornist Felix Klieser ganz fabelhaft gespielt hat. Klieser wurde nicht zuletzt deshalb bekannt, da er, ohne Arme geboren, die Hornventile mit den Füßen betätigt, was allein durch die Haltung – der rechte Fuß befindet sich beim Spiel auf Schulterhöhe – fast etwas Artistisches hat. Doch abgesehen davon überzeugte Klieser nicht nur durch seine saubere Technik sondern auch durch seine profunde Musikalität. Der Beifall im sehr gut besuchten Saal war jedenfalls herzlich, Klieser bedankte sich mit Rossinis „Le Rendez-vous de chasse“, und auch das Orchester gab dem Publikum am Ende noch ein klingendes Visitenkärtchen aus seiner Heimat mit auf den Weg: „Våren“ (Frühling) aus den „Zwei elegischen Melodien“ von Edvard Grieg. (STZN)

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