Der Klavierabend von Igor Levit in Stuttgart

20.
Feb.
2017

Sympathisch geerdet

Nein, ein Geheimtipp ist Igor Levit nicht mehr. Viele sehen in ihm zusammen mit Daniil Trifonov den überragenden Pianisten der jungen Generation, einen genial früh Gereiften, der es schon in jungen Jahren mit den anspruchsvollsten Werken der Klavierliteratur aufnimmt: Bachs Goldberg-Variationen, Beethovens Hammerklaviersonate – darunter macht er es nicht. Umso erstaunlicher also, dass der Beethovensaal bei seinem Recital in der Meisterpianistenreihe nur mäßig gefüllt war. Wer freilich kam, durfte einen grandiosen Klavierabend erleben, der Levits Ruf als Wunderpianist weitere Nahrung geben dürfte.
Mit Trifonov teilt Levit die pianistische Perfektion, die sich in erster Linie in einer vollkommenen klanglichen Kontrolle manifestiert. Doch anders als der hypersensible Russe Trifonov erscheint der in Hannover aufgewachsene Levit auf sympathische Weise geerdet. Vor Frederic Rzweskis „Dreams II“ tritt er vor den Flügel und erläutert dem Publikum in lockerem Parlando seine Sicht auf das Werk, das ihm der amerikanische Komponist gewidmet hat. Das Leben in all seinen Facetten, so Levit, sei Rzewskis Inspiration gewesen, und so klingt das Stück auch – durch und durch eklektisch in seiner Tonsprache wirkt es wie ein Kompendium postmodernen Komponierens. In der souveränen Manier, mit der Rzewksi dabei das musikalische Feld zwischen U und E beackert, scheint er keinerlei Berührungsängste zu kennen – wenngleich man über die Frage, ob das wirklich große Musik ist, geteilter Meinung sein kann. Für das Werk von Schostakowitsch und Beethoven steht das ebenso außer Frage wie Levits Rang als dessen Interpret. Wunderbar ausgeleucht in ihrer polyphonen Anlage die drei Präludien und Fugen Schostakowitschs und schlicht überwältigend der Kosmos an Haltungen, den Levit aus Beethovens Diabelli-Variationen herausarbeitet: das Werk ist lang und kann auch so erscheinen, doch unter Levits begnadeten Händen ist es ein so kurzweiliges wie inspiriendes Vergnügen. Ovationen und eine hinreißend gespielte Zugabe: Schostakowitschs Waltz-Scherzo. (STZN)

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