Der 20. Stuttgarter Besen im Renitenz-Theater

22.
Mrz.
2017

Man hat´s nicht leicht als Lehrerkind. Immer wissen die Eltern alles besser, doch am schlimmsten ist es, wenn Papi an derselben Schule unterrichtet. „Ich hab´ne 5 in Mathe“, gesteht Bastian zuhause. „Ich weiß“, antwortet der Vater. Unter welchem Druck Lehrerkinder wie Bastian Bielendorfer stehen können, der nun beim 20. Stuttgarter Besen im Renitenz-Theater mit dem Hölzernen Besen ausgezeichnet wurde, erfuhr eine größere Öffentlichkeit im Jahr 2010 in der Sendung „Wer wird Millionär“, als Bielendorfer seinen Vater als Telefonjoker anrief, der ihn mit der Bemerkung abkanzelte „Wie kannst du nur die 8.000 Euro-Frage nicht wissen, das weiß doch jeder!“ und nach – selbstredend korrekter – Antwort kommentarlos auflegte. Bielendorfer jedenfalls schlug aus seinem Leid Kapital. Schrieb drei Bücher, die allesamt Bestseller wurden, wurde Assistent von Harald Schmidt in dessen Show auf Sky und ist mittlerweile regelmäßig im Fernsehen präsent. Den 3. Preis beim Besen wird er gerne mitnehmen – brauchen dürfte er ihn nicht, sein Terminkalender ist auch so prall gefüllt. Verdient hat er ihn gleichwohl, schon allein für seine Nummer mit den Waldorflehrern Cordula und Torben und deren Kind Ludger, das eine Mütze aus „Lama-Schamhaar“ trägt und beim Ausflug mit Bastian zu McDonalds bekennt, dass er Veganer ist. Worauf die Servicekraft hinter der Theke auf die Frage, was es für Veganer gibt, antwortet: „Servietten“.

Doch, Bielendorfer ist lustig, doch auch wenn man bei ihm einiges über die Befindlichkeiten einer bildungsorientierten Mittelschicht erfährt – die neben Lehrern durchaus auch andere Berufsgruppen einschließt – tendiert sein Programm in der Fixierung auf die schnelle Pointe stark in Richtung jener fernsehkompatiblen Comedy, die derzeit hoch im Kurs steht. Irritierendes, Gesellschaftskritisches gar ist seine Sache nicht, anders als bei Lisa Catena, die mit dem Silbernen Besen ausgezeichnet wurde. Auch die Schweizerin nimmt das Selbstverständnis jener Schicht ins Visier, die sich für aufgeklärt hält, schaut jedoch genauer hin – solange, bis sich Widersprüche auftun. So nimmt sie den Wunsch vieler Konsumenten nach jenen Unbedenklichkeitszertifikaten aufs Korn, die Genuss mit gutem Gewissen versprechen, etwa wenn wir Fisch kaufen, der aus „nachhaltiger“ Fischerei stammt. Bald, so vermutet Catena, würde auch bestätigt, dass der Fisch aus freiem Willen angebissen und der Verarbeitung seines Filets zu Fischstäbchen vorab zugestimmt habe. Da kommt man selber ins Grübeln – keine unerwünschte Begleiterscheinung bei einem Kabarettprogramm.

Nur ihre etwas steife Vortragsart dürfte Lisa Catena, die auch für Satiremagazine schreibt, den Sieg gekostet haben. Und wie sie ihre Herkunft, in diesem Fall ihre Nationalität als Schweizerin thematisiert, bildet auch für Martin Frank, den Gewinner des Goldenen Besens, die Biografie den Humus, aus dem er seine humoristischen Früchte zieht. „Junge vom Land zieht in die Großstadt und erlebt dort Überraschungen“ könnte man den Auftritt des im Bayerischen Wald auf einem Bauernhof aufgewachsenen Jungspunds überschreiben, der seinen Sieg letzlich der professionellen Art verdanken dürfte, mit der seine Pointen setzt. Ein echtes Bühnentalent – sehr bildhaft etwa die Szene, wo er mit einem gut gemeinten „Grüß Gott“ die U-Bahn entert, worauf ihn die Mitfahrenden als Kontrolleur missverstehen und sich flugs auf die Bänke verziehen. Aus dem erst 24-Jährigen könnte noch was werden, falls er an Bissigkeit und Relevanz zulegt. Vorbilder gibt es genug: wie Frank ist auch Sigi Zimmerschied in Passau geboren.

Auffällig insgesamt, wie harmlos und freundlich die meisten Auftritte daherkamen. Matthias Jung reihte im Stil eines Büttenredners („Neulich war ich mal…“) einen Witz an den anderen, überhaupt dominierte die Beschreibung von Alltäglichem mit kleinen Ausflügen in die aktuelle Politik. Wenigstens teilte der Deutschtürke Özgür Cebe, der den Gerhard Woyda-Publikumspreis gewann, einige Seitenhiebe auf Erdogan und Trump („Perücke des Grauens“) aus. Michael Elsener nahm, auch nicht unbedingt brandaktuell, die FIFA aufs Korn, während Roberto Capitoni vergeblich versuchte, aus abgehangenen Klischees über Deutsche und Italiener neue Funken zu schlagen. Zum Fremdschämen der Auftritt von „Suchtpotenzial“, zwei aufgedrehten Girlies, die spätpubertär auf das Provokationspotential des F-Wortes setzten: in „Ficken für das Vaterland“ warben sie, das Publikum zum Mitklatschen animierend, für Geschlechtsverkehr mit Diktatoren und Menschenschindern, um diese von ihrem üblen Tun abzubringen. Au weia.

Das Urteil der Juryvorsitzenden Lisa Fitz bei der Preisverleihung, man habe an dem Abend viel gelacht, was bedeute, dass das Niveau gut war, kann man so durchaus kritisch sehen. An Schlagfertigkeit, Esprit und Wortwitz war jedenfalls Florian Schroeder, der Moderator des Abends, allen Teilnehmern weit überlegen. Das kann schon nachdenklich stimmen.

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